Johann Michael Wittmer II.

Ein Fest in Konstantinopel

Details

Literatur:
Friedrich von Boetticher, Malerwerke des Neunzehnten Jahrhunderts, Bd. II,2, S. 1034, Kat.-Nr. 14;
Brigitte Salmen, Johann Michael Wittmer: ein Maler in Murnau und Rom, Murnau 2006, S. 225, Kat.-Nr. 50.

Provenienz:
Atelier des Künstlers;
Friedrich von Schlosser (1780-1851), Heidelberg, Stift Neuburg;
Privatbesitz, Berlin.

Beschreibung

1844 kehrte Johann Michael Wittmer, der Schwiegersohn des 1839 verstorbenen Joseph Anton Koch, nach 16-jähriger Abwesenheit erstmals nach Deutschland zurück. Wittmer war nach einem Studium an der Münchner Akademie bei Peter von Cornelius 1828 nach Rom gekommen, das bis an sein Lebensende sein Lebensmittelpunkt blieb. Von Beginn an orientierte sich Wittmer künstlerisch am Werk Kochs, mit dem er später auch privat verbunden war, als er 1833 dessen Tochter Elena heiratete.
Wittmer hatte die Verbindung in die Heimat nie aufgegeben, doch erst im Sommer 1844 bot sich die Möglichkeit zu einer Reise in die Heimat, die ihn über die Schweiz und Straßburg zunächst zu Friedrich von Schlosser führte, der aus Frankfurt gebürtige und mit Goethe verwandte Sammler, der ab 1825 hauptsächlich in Stift Neuburg bei Heidelberg lebte und dort zu Wittmers Förderern gehörte. Wittmers Reise ging weiter bis nach München, doch trat er Ende Oktober die Rückreise nach Italien an und traf im November wieder in Rom ein.
Ergebnis dieser Reise waren einige Aufträge für Zeichnungen und Gemälde, u. a. für den bereits erwähnten Friedrich von Schlosser, für den er zunächst zwei große Zeichnungen ausführte. 1845 hatte Wittmer dann zusammen mit anderen orientalischen Szenen einen „Festtag in Konstantinopel“ nach Deutschland geschickt und im Frühjahr 1846 Schlosser angeboten: „Das eine etwas größere dieser Bilder stellt einen türkischen Festtag bey einer Fontane zu Constantinopel vor mit den lezten Ueberresten als türkischer Costüme, das andere einen Werktag, die Ankunft einer Caravane bey Smyrna. Sie haben nun die Wahl zu nehmen welches Ihnen am liebsten ist“, schrieb Wittmer an Schlosser – dieser entschied sich für den Festtag in Konstantinopel, während sein Pendant an Wilhelm von Neufville, einem anderen Förderer Wittmers, ging.
Schlossers Festtag zeigt einen tanzenden Knaben inmitten einer festlichen Gesellschaft aus dem Orient, die Wittmer mit großer Detailkenntnis schildert und mit anekdotischen Erzählungen wie dem schaukelnden Jungen rechts bereichert. Bei aller thematischen Eigenständigkeit ist in Komposition und Farbigkeit die Beeinflussung durch Koch sichtbar, der in seinen biblischen Historien eine ähnliche Verbindung von Figur und Landschaft anstrebte.
Das Motiv geht zurück auf eine Reise Wittmers nach Griechenland und Konstantinopel, auf der er 1833 den bayerischen Kronprinzen Maximilian, Bruder König Ottos von Griechenland, als Reisezeichner begleitet hatte. Die Reise führte sie von Neapel, von wo sie Ende April aufbrachen, über Sizilien und Korfu zunächst nach Nauplia, wo Maximilians Bruder Otto residierte; weiter ging es über Korinth nach Athen, der künftigen Hauptstadt, und von dort nach Smyrna, dem heutigen Izmir in Kleinasien, bis nach Konstantinopel. Die Reiseskizzen, die Wittmer während der Reise anfertigte, sind heute unbekannt bzw. verschollen, doch wählte er aus ihrer Fülle nach seiner Rückkehr nach Rom Ende September besondere Motive aus, um für den Kronprinzen ein repräsentatives Reisealbum in der Hoffnung zu gestalten, von ihm weitere Aufträge zu erhalten. Diese Hoffnung erfüllte sich allerdings nicht, doch noch im gleichen Jahr arbeitete Wittmer an Federzeichnungen mit Szenen orientalischen Lebens: Eine Karawane am Brückentor von Smyrna erhielt als Pendant den tanzenden Knaben in einer Festgesellschaft (Städel Museum, Frankfurt, Inv.-Nr. 12993 Z). Zwölf Jahre später hat Wittmer die Zeichnung wörtlich, ohne Abweichungen bzw. Ergänzungen, in unser Gemälde umgesetzt, das wohl identisch mit demjenigen ist, das sich im Besitz Friedrich von Schlossers befand.
Dr. Peter Prange

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