Joseph Karl Stieler

Studie zum Bildnis der Marie, Prinzessin von Bayern

Details

Literatur:
Vgl. Ulrike von Hase-Schmundt, Joseph Stieler. Sein Leben und sein Werk, München 1971, Kat.-Nr. 117 (als ganzfiguriges Ölgemälde mit Prinzessin Sophie).

Provenienz:
Nachlass Joseph Stieler;
Irmingard von Hößlin (1884-1957), geb. Stieler, Augsburg (Großtochter des Malers), verso mit Widmung;
Dr. Felix Flotow, Augsburg, erhalten am 30. September 1942 anlässlich seiner Hochzeit von Vorgenannter;
seitdem Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Friedrich Pecht, der Maler und in München einflussreicher Kunstschriftsteller, hatte in seiner 1888 erschienenen „Geschichte der Münchener Kunst im 19. Jahrhundert“ in den Werken Joseph Stielers eine „Neigung zum Idealisieren“ bemerkt, die seinen Bildnissen viel von ihrer Bedeutung nehmen würde, aber damals alle Welt entzückt hatte. Tatsächlich mag auch dieses Urteil über Stieler, dem „Schönheitenmaler König Ludwigs I.“, wie ihn Pecht nannte, noch heute nachwirken, doch sieht man inzwischen mehr die hohe malerische Qualität seiner Gemälde und die Frische, mit der er den Dargestellten Authentizität verlieh. Dies gilt noch mehr für seine Zeichnungen, in denen ihm häufig freier von darstellerischen Konventionen ein unmittelbarer Zugriff gelingt, in dem er Ähnlichkeit und individuellen Ausdruck zum Ausgleich bringt. Das hier angebotene Bildnis der Prinzessin Marie von Bayern (1805-1877), zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sophie zweitjüngste Tochter Maximilians I. König von Bayern, ist so ein Beispiel: Auf die Form der Büste beschränkt, blickt sie den Betrachter direkt an, nimmt mit wachen Augen Kontakt zu ihm auf; ein gewisses Sentiment liegt in ihrem Blick, doch gleichzeitig auch Selbstbewusstsein, mit dem sie der Welt begegnet. Es ist keine akribisch durchgezeichnete Porträtstudie, sondern erweckt durch die Verwendung der schwarzen Kreide, mit der Stieler die Augen- und Mundpartie locker, doch bestimmt ausarbeitet, den Anschein des Momentanen, eines festgehaltenen Augenblicks, dessen Wirkung durch den malerischen Einsatz der weißen Kreide noch verstärkt wird. Wie Stieler mit einem Strich das Licht auf ihre Nase zaubert, zeugt von großer malerischer Sicherheit und Souveränität. Er beschränkt sich auf die Ausarbeitung des Gesichts, konzentriert sich auf seinen Ausdruck, während er ihrer Frisur nicht die gleiche Sorgfalt widmet, sondern sie mehr summarisch, mehr kritzelnd erfasst und umreißt. Das Nebeneinander von skizzenhafter Anmutung und zeichnerischer Akribie, die dem Gesicht der 20-jährigen Prinzessin eine fast „moderne“ Lebendigkeit und jugendliche Frische verleiht, macht den besonderen Reiz dieses bisher unbekannten, aus dem Besitz der Nachfahren Stielers neu aufgetauchten Bildnisses aus.
Wir kennen ihr genaues Alter, weil die Zeichnung mit einem Gemälde in Privatbesitz in Zusammenhang steht, das Stieler 1825 gemalt hatte. Es zeigt Marie zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Sophie, zu der sich eine Studie in der Graphischen Sammlung in München befindet (Inv.-Nr. 1918:213), oberhalb des Tegernsees sitzend, mit Blick auf das Kloster Tegernsee, das in der Säkularisation in den Besitz ihres Vaters übergegangen war. Ihr Bildnis steht mit am Beginn der Bildnisse, in denen Stieler der Landschaft einen Platz gibt, und war 1858, dem Todesjahr Stielers, auf der historischen Kunstausstellung in München ausgestellt.
Stieler hatte die Prinzessinnen bereits vorher begleitet – etwa in seinem bekannten Dreierbildnis der drei Prinzessinnen Marie, Sophie und Ludovika in der Münchner Residenz von 1822 –, aber auch noch später, nachdem Marie 1833 Prinz Friedrich August II., seit 1836 König von Sachsen, geheiratet hatte und in Dresden lebte. Noch 1842 porträtierte er die Königin; das Gemälde, das heute nur in einer Lithografie Franz Hanfstaengls bekannt ist, zeigte Marie auf einer Chaiselongue sitzend – genauso schön und jung wie fast 20 Jahre zuvor.
Dr. Peter Prange
– Papier im Passepartout-Ausschnitt gleichmäßig nachgedunkelt. Die Ränder teilweise unregelmäßig beschnitten und mit kleineren Mängeln. Ein stecknadelkopfgroßes Löchlein in der unteren linken Ecke.

Mit einer Bestätigung von Dr. Ulrike von Hase-Schmundt, München, vom 1.2.2022.

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