Johann Heinrich Tischbein d. Ä.

Syrinx flieht vor Pan

Details

Literatur:
Vgl. Petra Tiegel-Hertfelder, „Historie war sein Fach“. Mythologie und Geschichte im Werk Johann Heinrich Tischbeins d.Ä., Worms 1996, S. 341, Kat.-Nr. G 55.

Provenienz:
Kunstantiquariat August Laube, Zürich, dort 1996 erworben;
seitdem Privatbesitz, Baden-Württemberg.

Beschreibung

Die Strahlkraft der in den Metamorphosen geschilderten Liebesabenteuer griechischer Götter und Nymphen war im 18. Jahrhundert ungebrochen, erzählten sie doch von Momenten, deren Geschehen auf einen spannungsgeladenen Wendepunkt zuläuft, auf die von Aristoteles genannte „peripetie“, wo das Geschehen einen unerwarteten Verlauf nehmen wird. Diese Momente der Verwandlung überzeugend zu gestalten, galt im 18. Jahrhundert als eine der zentralen Herausforderungen für den Historienmaler.
Derjenige, der für Landgraf Wilhelm VIII. von Hessen-Kassel und seinem Nachfolger Friedrich II. solche Vorstellungen umsetzte, war Johann Heinrich Tischbein, seit 1753 Hofmaler in Kassel. Die beiden Landgrafen hatten über einen längeren Zeitraum sechs Szenen aus Ovids Metamorphosen bestellt, die sich als Bestandteil von Raumausstattungen ehemals in der Wohnung des Landgrafen auf Schloss Weißenstein befanden. Zwei von ihnen beschäftigen sich mit erotischen Jagden – neben Apoll und Daphne ging auch die erotische Jagd des Gottes Pan nach Syrinx auf Ovid zurück: Auf unserem Blatt flieht Syrinx, eine Nymphe aus dem Gefolge der Jagdgöttin Diana, vor den Nachstellungen Pans, „da kam sie zur stillen/ Strömung des sandigen Ladon, der hemmt ihren Lauf zu den Schwestern/ Flehte sie jetzt, zu den Nymphen der Wellen, sie doch zu verwandeln/ Und als Pan schon glaubte, nun habe er Syrinx ergriffen/ hielt er an Stelle des Körpers der Nymphe ein Schilfrohr in Händen“ (Ovid Metamorphosen I, 50, 702-706).
Den Arm erhoben, um auf ihre im Hintergrund badenden Gefährtinnen aufmerksam zu machen, versucht Syrinx mit weit ausholendem Schritt dem Begehren Pans zu entkommen, der im Lauf an der nassen Uferböschung des Ladons mit seinen unförmigen Bocksfüßen aber abrutscht, im Stürzen begriffen ist und nur noch das Schilf erreicht – die Jagd war vergeblich und der geile Gott ist der Lächerlichkeit preisgegeben, während die Nymphe ihrem Schicksal entkommt, als sie in Schilfrohr verwandelt wird. In Kenntnis der Geschichte Ovids weiß der Betrachter um den Ausgang dieser erotischen Jagd, doch lässt Tischbein deren Ende bewusst offen – den Moment der Verwandlung zeigt er noch nicht, und mit der möglichen Vorstellung, die Nymphe könnte Pan doch noch ohne ihre Verwandlung entkommen, weil dieser ausgerutscht bzw. gestolpert ist, treibt Tischbein die Geschichte auf ihren Höhepunkt zu.
Die unerfüllte Liebe des Pan zur Nymphe Syrinx bildete das Gegenstück zu „Apoll und Daphne“, die sich der Beschriftung auf unserem Blatt zufolge beide im Kabinett des Landgrafen auf Schloss Wilhelmshöhe befanden (heute Weißensteinflügel). Bei unserem Blatt handelt es sich um keine Entwurfszeichnung für das Gemälde, sondern um eine genaue Nachzeichnung, was auch die Beschriftung „JH (ligiert) Tischbein pinx. et del. 1771.“ nahelegt. Johann Friedrich Engelschall, Professor für Literatur in Marburg, hatte 1797 eine Biografie Tischbeins herausgegeben und erstmals auch dessen Werk listenartig zusammengestellt. Er wusste zu berichten, dass sich „von fast allen oben angeführten historisch-mythologischen Malereien (…) sich in Tischbeins Nachlasse mehr oder weniger ausgeführte Kopien und Skizzen“ fanden, die Tischbein als „ricordi“, als eine Art Materialsammlung angefertigt und gesammelt hat.
Dr. Peter Prange
 – Oben rechts leicht gewellt. Verso geringfügige braune Fleckchen, ansonsten sehr schön.

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