Alexej von Jawlensky

Abstrakter Kopf: Winterstimmung

Details

Verso von Galka Scheyer betitelt „Winterstimmung“ und datiert (teils von Etikett überdeckt) sowie bezeichnet „Made in Germany“ und „winter(’s) mood“. Verso zudem ein Wiesbadener Zollstempel und ein Etikett der E. and A. Silberman Galleries, New York.
Das Werk steht als Nr. 4 auf der im März 1933 erstellten Liste, der in die USA an Galka Scheyer zu schickenden Gemälde. In der vom Künstler und seiner Sekretärin Lisa Kümmel 1934 geführten Werkliste, dem sogenannten „Cahier Noir“, ist es auf Seite 54 verzeichnet und mit dem Vermerk versehen, dass es im Juli 1933 an Galka in die USA versendet wurde.
Jawlensky/Pieroni-Jawlensky 1402.

Literatur:
Weiler, Clemens, Alexej Jawlensky, Köln 1959, Nr. 360, o. Abb.

Ausstellung:
Deutscher Künstlerbund, Städtische Kunsthalle, Königsberg/Museum Danzig 1932, Kat.-Nr. 157;
Deutscher Künstlerbund, Kunsthalle, Kiel 1933, o. Kat.;
Homage to Jawlensky. Retrospective, Nierendorf Gallery, New York 1939, Kat.-Nr. 59;
Alexej von Jawlensky, Sidney Janis Gallery, New York 1957, Kat.-Nr. 45, verso mit dem Etikett;
18th, 19th, 20th Century Paintings, Joe and Emily Lowe Art Gallery, University of Miami, Coral Gables/Florida 1962;
Artist and Maecenas. A Tribute to Curt Valentin, Marlborough-Gerson Gallery, New York 1963, o. Kat., verso mit dem Etikett;
Meisterwerke IV: Werke des deutschen Expressionismus, Galerie Thomas, München 2008, mit farb. Abb. S. 73;
3. Art Dubai, Galerie Thomas, Madinat Arena, Dubai 2009, S. 34, mit Abb.;
Alexej von Jawlensky, Galerie Thomas, München 2015/16, mit farb. Abb. S. 62 und 114.

Provenienz:
Galka Scheyer (1889-1945), Hollywood/Los Angeles, seit 1933 in Kommission direkt vom Künstler, 1945-1954 Nachlass Galka Scheyer;
Sammlung Audrey Lowe Levin, St. Louis/Missouri, 1954 aus dem vorgenannten Nachlass erworben;
Sammlung Sam J. Levin, St. Louis, Missouri, 1991 durch
Erbschaft von Vorgenannter;
Nachlass Sam J. Levin und Audrey Lowe Levin, St. Louis, Missouri (1992);
Sotheby’s, New York 25.2.1992, Los 30;
Privatsammlung, USA;
Galerie Thomas, München, seit 2008;
Privatsammlung, Berlin, seit 2019;
Privatsammlung, Schweiz, seit 2021.

Beschreibung

• Harmonisch ausgewogene Komposition aus der berühmten Werkgruppe der „Abstrakten Köpfe“ mit feinem, winterlich-kühlem Farbspektrum
• Das Gemälde stammt aus dem Nachlass der Kunsthändlerin Galka Scheyer, die sich über zwei Jahrzehnte hinweg unermüdlich in den USA für die Künstler der „Blauen Vier“ einsetzt
• Das Gemälde wurde bereits in zahlreichen Ausstellungen gezeigt und beeindruckt mit einer interessanten internationalen Provenienz

Alexej von Jawlensky beschreitet seit 1914 in seiner künstlerischen Entwicklung eine immer deutlicher werdende Hinwendung zur Abstraktion. Nach und nach reduziert er die Motive auf wenige Grundmuster, die er immer wieder variiert. Exemplarisch dafür steht die Serie der „Abstrakten Köpfe“, mit der er zu stilisierten, nahezu abstrakten menschlichen Antlitzen gelangt. Die Gesichter sind nur mit wenigen, aber sehr charakteristischen Linien konstruiert. Ihr Ausdruck scheint in sich gekehrt, die entweder sehr helle oder gedeckt dunkle Farbpalette unterstreicht die meditative Stimmung. Der Bezug zu altrussischer Ikonenmalerei liegt nahe, vor allem bei einem so tiefgläubigen Menschen wie Jawlensky es war.
Neben dem künstlerischen Streben nach Verdichtung und Reduktion zwingt ihn auch sein Gesundheitszustand zu einer statischeren Malweise. Seit Ende der 1920er Jahre wird das Malen für den fast siebzigjährigen Künstler immer beschwerlicher. Er leidet an Arthritis mit erheblichen Lähmungserscheinungen in Händen und Kniegelenken, seine Beweglichkeit ist stark reduziert und mit großen Schmerzen verbunden. Doch Jawlensky lässt sich nicht vom Malen abhalten. So sagt er selbst: „Ich sitze und arbeite. Das sind meine schönsten Stunden. Ich arbeite für mich, nur für mich und meinen Gott. Oft bin ich wie ohnmächtig vor Schmerz. Aber meine Arbeit ist ein Gebet, aber ein leidenschaftliches durch Farben gesprochenes Gebet.“ (zit. nach: Clemens Weiler, Alexej Jawlensky, Köln 1959, S. 126).
Jawlensky entwickelt eine eigene Methode, um trotz der fortschreitenden Versteifung seiner Finger weiterhin arbeiten zu können. Auf kleineren Karton- oder Papierformaten gestaltet er auf das Wesentliche reduzierte Motive, zunehmend mit einfachsten künstlerischen Mitteln. Dabei besinnt er sich auf die beiden sein Œuvre bereits seit Jahren prägenden Bildgattungen des Porträts und der Blumenstillleben und kann so – bis zur vollständigen Lähmung im Jahr 1938 – noch eine erstaunlich hohe Anzahl an kleinformatigen Werken realisieren. Von den Köpfen, die schlussendlich die Quintessenz seines Œuvres darstellen, sind auch seine langjährigen Weggefährten Wassily Kandinsky, Paul Klee und Karl Schmidt-Rottluff überaus begeistert und erwerben Exemplare für ihre privaten Sammlungen.

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ist Jawlensky endgültig zum Rückzug ins Private gezwungen. Er erhält Ausstellungsverbot, seine Werke werden in den Museen beschlagnahmt und auf der nationalsozialistischen Propaganda-Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert. In dieser schweren Zeit ist Galka Scheyer eine wichtige Stütze für den Künstler, die seit 1924 als Vermittlerin in Amerika tätig ist. Ihr schickt er den „Abstrakten Kopf: Winterstimmung“ 1933 in Kommission nach Los Angeles. Von ihr stammt auch die rückseitige englische Bezeichnung „made in Germany, Winter’s mood“. Galka Scheyer hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Kunst von Jawlensky, Wassily Kandinsky, Lyonel Feininger und Paul Klee in Amerika bekannt zu machen. Unter dem von ihr geprägten Namen „Die Blaue Vier“ – in Anlehnung an den „Blauen Reiter“ – arbeitet sie über zwanzig Jahre lang unermüdlich, um neue Käufer und Sammler für die von ihr verehrten Künstler zu gewinnen. Von Jawlenskys abstrakten Köpfen schwärmt sie: „Jawlensky hat den menschlichen Kopf als solchen in eine Sprache des abstrakten Lebens transponiert, hat ihn aus seinem Erdendasein herausgehoben, um die Seele und den Geist zu manifestieren. Die neuen Gesetze, die er dabei gefunden hat, sind mathematische. (…) Die Architektur in den Gleichgewichten der Farben, die Musik in den klanglichen Rhythmus der Farben, den Tanz als Linie der Farben, die Skulptur als Form der Farben, die Poesie als Inhalt oder als Wort der Verkündigung der Farben, die Malerei aber als symphonische Zusammenfassung“ (zit. nach: a.a.O., S. 106).

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