Details

Nicht bei Grummt.

Literatur:
Christina Grummt, Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, München 2011, S. 529, vgl. Kat.-Nr. 559.

Provenienz:
Woldemar Kunis (1872-1928), Dohna bei Dresden, verso mit dem Sammlerstempel (Lugt 2635);
thüringischer Adelsbesitz;
Kunsthandel Ralph R. Haugwitz, Berlin, 2014 von obigem erworben;
Privatsammlung, Sachsen, in obigem Kunsthandel 2016 erworben.

Beschreibung

Caspar David Friedrich hat vielfach das damals noch junge Zeichenmedium Bleistift verwendet, besonders häufig in seinen Skizzenbüchern für Naturstudien. Um eine solche Naturstudie handelt es sich bei unserem Blatt, auf dem Friedrich den Wuchs einer Baumwurzel betrachtet. In der zeichnerischen Konzentration auf das Zentrum, auf die detaillierte Beobachtung des plastisch vortretenden Wurzelwerks, aus dem sich der Stamm entwickelt, und dem Nachlassen der zeichnerischen Aufmerksamkeit zur Peripherie hin, wo die Wurzeln in die Fläche übergehen, zeigt sich eine Fokussierung der Naturbeobachtung, die charakteristisch für die Romantik ist. Detailliert, differenziert ausgearbeitete Partien stehen neben flüchtiger angelegten Stellen – hier besonders subtil in der Verwendung eines spitzen, womöglich auch härteren, und eines malerisch verwendeten, weicheren Bleistiftes vorgetragen. Härter im Kontur, weicher in den regelmäßigen Schraffuren der Binnenzeichnung, die sich mit dem weißen, frei gelassenem Papiergrund abwechseln, sodass ein fein gestimmtes, fast zartes Spiel aus Licht und Schatten entsteht.
Friedrich hatte sich schon früh gleich nach seiner Ankunft in Dresden mit dem Thema der Baumwurzel beschäftigt, doch blieben sie dort zumeist Teil eines größeren Bildensembles. Baumwurzeln als eigenständiges Bildthema tauchen erstmals in seinem Dresdner Skizzenbuch auf (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Inv.-Nr. C 1933-276), das Friedrich in den Jahren 1807 bis 1812 benutzte. Es enthält neben Berg- und Flusslandschaften und Studien von Bäumen, Zweigen, Laubwerk auch Wurzeln verschiedener Baumarten. Am nächsten steht unserem Blatt eine am 21. April 1808 entstandene Bleistiftzeichnung, die dieselbe Wurzel aus dem gleichen Blickwinkel zeigt (Grummt 559). Friedrich hat sie neben der Datierung näher als eine am Wasser stehende Erle beschrieben – die Nähe zum Wasser dürfte die „fast surrealistisch anmutende“ (Werner Sumowski) Freilegung der Wurzeln bewirkt haben.
Auf jenem Blatt befinden sich insgesamt drei Wurzelstudien untereinander – am Tag zuvor hatte er oben bereits dieselbe Wurzel von einem leicht veränderten Standpunkt aufgenommen. Ob damit für unser Blatt auch eine Entstehung im April 1808 anzunehmen ist, wäre naheliegend, muss aber einstweilen offen bleiben, weil sich Friedrich durchaus mehrfach mit demselben Bildgegenstand über einen langen Zeitraum beschäftigt hat – Christina Grummt verweist in ihrem Gutachten auf eine 1799 entstandene Pflanzenstudie mit Huflattich (Grummt 121), die Friedrich zu Beginn des Jahres 1807 wiederholte (Grummt 526). Und für seine Gemälde – dies hat zuletzt eindrucksvoll jüngst die Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle gezeigt – hat Friedrich immer wieder auf seine Naturstudien zurückgegriffen, doch ist bisher kein Gemälde mit der Erlenwurzel bekannt. Werner Sumowski wollte in den drei Wurzelstudien des Dresdner Skizzenbuches einen „hieroglyphischen Reiz“ erkennen, und es mag diese besondere Bildwirkung gewesen sein, die Friedrich veranlasst hat, sich auf einem eigenen Blatt noch einmal mit der Erlenwurzel zu beschäftigen. – Schwach stockfleckig. Die untere rechte Ecke etwas ungerade zugeschnitten. Verso im Oberrand mit Montierungsstreifen. In guter Erhaltung.
Dr. Peter Prange

Mit schriftlichen Gutachten von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 23.6.2014 (in Kopie) und von Dr. Christina Grummt, Bülach, vom 10.8.2016 (im Original).

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