Oskar Kokoschka

Victor Ritter von Bauer (Herr Bauer)

Details

Verso verschiedene handschriftliche Bezeichnungen und Etikett(-reste).

Wingler 101; Winkler/Erling 110.
Das Werk ist im Catalogue raisonné der Fondation Oskar Kokoschka unter der Nummer 1914/9 aufgeführt (https://www.oskar-kokoschka.ch).

Literatur:
Angebotsblatt der G.I.N. Gallery, Amsterdam, anläßlich der Ausstellung Oskar Kokoschka, Schilderijen, tekeningen, aquarellen, grafiek, (o. J./1970), mit farb. Abb.;
Hoffmann, Edith, Kokoschka. Life and Work, London 1947, Nr. 93, S. 303.

Ausstellung:
Ausstellung Oskar Kokoschka, Kunsthaus Zürich, 1927, Kat.-Nr. 36, o. Abb.;
Kokoschka-Ausstellung, Kunstsalon Hermann Abels, Köln 1929, Kat.-Nr. 23, o. Abb.;
Kunst der Gegenwart aus Düsseldorfer Privatbesitz, Vereinigung für Junge Kunst, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 1932, Kat.-Nr. 66, o. Abb.;
Düsseldorfer Kaufleute sammeln moderne Kunst. Ausstellung zum 125jährigen Bestehen der Industrie- und Handelskammer zu Düsseldorf, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen in der Kunsthalle, Düsseldorf 1956, Kat.-Nr. 182, o. Abb.;
Kunst des 20. Jahrhunderts aus rheinisch-westfälischem Privatbesitz. Malerei, Plastik, Handzeichnung, Kunsthalle, Düsseldorf 1967, Kat.-Nr. 186, Abb. 45;
Alfons Walde, Schiele, Egger-Lienz, Verkaufsausstellung, Galerie Hassfurther, Wien 1988, Kat.-Nr. 28, Farbtafel 16;
Österreichische Kunst, Graphik und Autographen 18.-20. Jhdt., Verkaufsausstellung, Galerie Hassfurther, Wien 1990, o. Nr., mit Farbtafel;
Oskar Kokoschka. Wczesne lata, Międzynarodowe Centrum Kultury, Krakau 1994, Kat.-Nr. 4, Farbtafel 4;
Oskar Kokoschka Wien – Praha, Egon Schiele Centrum, Krumnau 1997, S. 56/57, mit farb. Abb.;
New worlds. German and Austrian Art, 1890-1940, Neue Galerie, Museum for German and Austrian Art, New York 2001/02, Nr. I.52, S. 132, mit farb. Abb. S. 125;
Oskar Kokoschka. Early Portraits from Vienna and Berlin/Das moderne Bildnis 1909 bis 1914, Neue Galerie, Museum for German and Austrian Art, New York/Hamburger Kunsthalle, Hamburg 2002, S. 176/177, mit farb. Abb., verso mit dem amerikanischen Etikett;
Oskar Kokoschka. Expressionist, Migrant, Europäer. Eine Retrospektive, Kunsthaus, Zürich/Leopold Museum, Wien 2018/19, Kat.-Nr. 32, mit farb. Abb. S. 80.

Provenienz:
Sammlung Victor Bauer, Wien;
Gustav Nebehay, Wien;
Kunstsalon Paul Cassirer, Berlin, 1922, gemeinsamer Besitz mit Galerie Georg Caspari, München;
Privatbesitz, Berlin, 1923;
Sammlung Josef Gottschalk, Düsseldorf-Oberkassel;
Galerie Maier-Hahn, Düsseldorf;
Galerie Roswitha Haftmann, Zürich;
Thomas T. Solley, Bloomington, Indiana (zusammen mit Charles W. Ward), seit 1983 als Leihgabe im Indiana University Art Museum, Bloomington;
Christie’s, Manson & Woods, New York 3.11.1981, Los 41, mit Farbtafel;
Margo Pollins Schab, New York, 1988;
Kurt von Schuschnigg jun., New York/Wien, 1988;
Galerie und Antiquariat Hassfurther, Wien, 1988-91;
Sammlung/Nachlass Serge Sabarsky, New York, 1991 bei Vorgenannter erworben;
Sammlung/Stiftung Vally Sabarsky, New York.

Beschreibung

• Bildnis des vielseitig interessierten Industriellen, Kunstsammlers und Mäzens Victor Ritter von Bauer
• Hochbedeutende Ausstellungsprovenienz
• Oskar Kokoschka erhält den Porträtauftrag vermutlich durch seinen Künstlerfreund und Architekten Adolf Loos, der um 1914 verschiedene Bauaufträge für Victor Bauer ausführt
• Hochexpressives Porträt mit charakteristischem, energischem Pinselstrich aus dem Frühwerk Kokoschkas

Wie fast alle Kokoschka-Porträts, die um 1914 entstehen, wird auch das Bildnis „Victor Ritter von Bauer (Herr Bauer)“ von pastos aufgetragener Farbe in energischen, breiten Pinselstrichen geprägt. Das helle Inkarnat des Porträtierten leuchtet vor dem nicht weiter definierten, dunklen Hintergrund hell auf, sein dunkelgrüner Anzug fügt sich harmonisch in diese Szenerie ein. Die Gesichtszüge Bauers gibt Kokoschka expressiv und kantig wieder und verwendet dafür neben weißen, hellgelben und rosafarbenen Strichen auch dunkelgrüne und schwarze Striche. Diese Malweise ist sehr charakteristisch für seine Porträts im Jahr 1914 und findet sich beispielsweise ebenso bei den Bildnissen von Emil Löwenbach, Anton von Webern und seinem Selbstbildnis. Neben dem Gesicht sind für Kokoschka insbesondere die Hände des Porträtierten von großer Wichtigkeit. Bauer stellt er mit einer nach oben gedrehten Hand vor der Brust dar, Daumen und Mittelfinger sind locker aneinandergelegt. Diese ausdrucksstarke Geste und die Mimik des verschmitzten Lächelns lassen auf einen eloquenten und zugleich unterhaltsamen Herrn schließen. Vier Jahre nach dem Porträt Kokoschkas malt Egon Schiele ebenfalls ein Porträt von Victor von Bauer, das eine völlig andere Farbpalette aufweist und Bauer in weißem Anzug vor gelbem Hintergrund zeigt. Das Gemälde befindet sich heute im Belvedere in Wien.

Die interessante Biografie des Industriebarons Dr. Victor Moritz Peter Maria Ritter von Bauer-Rohrfelden ist erst 2001 von Franz Smola, Kurator am Belvedere in Wien, rekonstruiert worden. Zuvor finden sich oftmals falsche Angaben zu dem Porträtierten. Victor Ritter von Bauer wird 1876 als ältester Sohn in eine Großgrundbesitzer-Familie in Brünn, Mähren, geboren, studiert in Leipzig, Genf und Wien Jura und absolviert ab 1897 eine fünfjährige Militärlaufbahn. Von 1903 bis 1905 geht er auf Weltreise, nach der Rückkehr tritt er in die Familienunternehmen in der Steinkohleförderung und Zuckerraffinerie ein, 1911 übernimmt er deren Leitung. Der vermögende Privatier Bauer ist äußerst vielseitig interessiert, verfolgt technische und ökonomische Neuerungen und erwirbt als Mitglied im Österreichischen Aero-Club eine Fluglizenz. Darüber hinaus ist er als Vorsitzender und Finanzier des Instituts für Kulturforschung in Wien kulturell stark engagiert. In den 1920er Jahren reist Bauer wiederholt in die USA sowie nach Kuba, wo er 1928 als österreichischer Generalkonsul in Havanna tätig ist. In Vorträgen und Publikationen setzt er sich zudem mit Politik und europäischen Zukunftsfragen auseinander. Bauer stirbt Anfang August 1939 in Brünn, seine Ehefrau Margarethe lebt bis 1963.

Victor Ritter von Bauer beauftragt um 1914 den Architekten Adolf Loos, der ebenso wie er selbst aus Brünn stammt, mit dem Bau einer neuen Direktorenvilla in seiner Zuckerfabrik. Später gestaltet Loos, der für seine radikal modernen Entwürfe bekannt ist, auch das klassizistische Wohnpalais der Familie Bauer in Brünn um. Sicherlich hat Loos den Kontakt zwischen seinem Bauherrn Bauer und dem Maler Oskar Kokoschka hergestellt. Er hatte schon zuvor seinem 16 Jahre jüngeren Schützling Kokoschka Porträtaufträge erfolgreich vermittelt. Kokoschka, der 1905 zum Studium an die Kunstgewerbeschule nach Wien kommt, steht schon früh unter dem Einfluss Adolf Loos’ und zählt neben dem Komponisten Arnold Schönberg und den Schriftstellern Karl Kraus und Peter Altenberg zu dessen Freundeskreis.

* Alle Angaben inkl. Aufgeld (27%) ohne MwSt. und ohne Gewähr. Irrtum vorbehalten.
** Alle Angaben zzgl. Aufgeld und MwSt. und ohne Gewähr. Irrtum vorbehalten.
*** Unter Vorbehalt: Zuschlag erfolgte unterhalb des Limits. Erwerb des Werkes im Nachverkauf ggf. noch möglich.
R = Regelbesteuerte Kunstwerke
N = Differenzbesteuerte Kunstobjekte mit Ursprung in einem Land außerhalb der EU
Die private oder gewerbliche Vervielfältigung und Verbreitung aller im Ausstellungs- und Auktionsarchiv angezeigten Werkabbildungen ist unzulässig. Alle Rechte vorbehalten.