Details

Proveneinz:
Privatbesitz, Berlin.

Beschreibung

Bevor Carl Blechen im Herbst 1822 in die Landschaftsklasse Peter Ludwig Lütkes an der Berliner Akademie eintrat, war er bereits als Maler tätig gewesen. In seinem anlässlich seiner Wahl zum Mitglied der Berliner Akademie 1835 verfassten Lebenslauf schreibt Blechen, dass „alle seine Mußestunden durch Übungen im Zeichnen ausgefüllt [wurden], aber natürlich wie es ohne gründliche Anweisung geschehen kann. Die Neigung wurde immer reger, und ohne Aussichten, in dem leider für ihn verfehlten Fache als Bankier ohne pekuniere Fonds ein Glück machen zu können, wurde der Entschluß reif, seine begonnene Laufbahn zu ändern und sich ganz der Kunst hinzugeben.“ Unter diesen frühen, vorakademischen Werken befinden sich Zeichnungen und auch kleine Ölgemälde mit Motiven mittelalterlicher Ruinen, einer Art Sehnsuchtsmotiv der Romantik. Diesem Themenkreis entstammt auch unser kleines, neu aufgetauchtes Gemälde, das wie kaum ein anderes Werk geeignet ist, Blechens Entwicklung zum Maler nachzuvollziehen.
Aus dem Gewölbe einer frühgotischen Sakralarchitektur – wohl eine Art Kreuzgang – fällt der Blick auf die Reste einer Ruine, die sich vor wolkenverhangenem Himmel erhebt. Einzelne Sträucher sind im Begriff, sich der Ruine zu bemächtigen, und verstärken genauso den Eindruck romantischer Verlassenheit wie die zwei im Kreuzgang stehenden Gestalten, die über das Grabmal neben sich zu sinnieren scheinen. Sicher handelt es sich um Mönche, doch lässt Blechen uns darüber im Unklaren, wie sich auch aus den Resten der Ruinen kein rechtes Bild des Ganzen gewinnen lässt. Der gesamten Komposition ist etwas Tastendes, Suchendes in ähnlicher Weise eigen, die Ernst Heinrich Toelken, Sekretär der Berliner Akademie, auf seiner Gedenkrede nach Blechens Tod 1840 angesprochen hat: Was seinen endlosen Versuchen dieser Frühzeit fehlte, so Toelken, „war nicht der Geist, sondern die Gründlichkeit, welche ohne praktische Anweisung eines Meisters sich nicht erreichen lässt.“ Tatsächlich ist die malerische Ausfertigung eher summarisch, an manchen Stellen fast flüchtig, auch wenig detailliert in den Einzelformen, besonders an der Kirchenruine, wo die Pinselstriche sichtbar sind, doch wie dahinter durch die Wolken das Himmelsblau zart hereinbricht, zeigt bereits früh den aus der Naturbeobachtung gewonnenen Sensualismus, zu dem Blechen später fähig war.
Vor einigen Jahren tauchte im Berliner Kunsthandel eine zweite, im Format etwas kleinere Version unseres Motivs auf (Galerie Bassenge, Berlin, Auktion 111, 31. Mai 2018, Los 6087), die man nicht als Kopie, sondern als konsequente Weiterentwicklung Blechens im Ringen um die Malerei ansehen muss. Es lässt sich zwar aus den einzelnen Architekturfragmenten noch immer kein rechtes Bild des Ganzen erkennen, doch wie die Einzelformen detailliert beschrieben werden, wie die Vegetation mehr Bildgewicht erhält und das Licht bestimmender Träger des Bildgeschehens wird, wie schließlich hinter der Kirchenruine drei Zypressen in einer Weise emporwachsen, als bildeten sie die Türme einer Kirche, ist nicht nur formale Klärung, sondern ganz entschiedene Hinwendung zu romantischen Bildgedanken. So gibt es kaum ein weiteres Werk Blechens, das den Betrachter die Entwicklung einer Bildidee so anschaulich vor bzw. um seinen Eintritt in die Akademie nachvollziehen lässt. Allein diese Tatsache macht unser kleines Gemälde zu einer besonderen Entdeckung, die das Frühwerk Blechens auf bedeutende Weise erweitert.
Dr. Peter Prange

Mit einer schriftlichen Bestätigung von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, vom 6.10.2023.

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