Details

Literatur:
Jean-Pierre de Bruyn, Erasmus II. Quellinus (1607 – 1678). De schilderijen met catalogue raisonné. Vlaamse schilders uit de tijd van de grote meesters. Deel 4. Freren 1988, S. 52, Kat.-Nr. 35, mit s/w Abb. S. 120.
Nils Büttner, „Von den gesamten Liebhabern also gerühmet“: Peter Paul Rubens‘ „Herodias“, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 74 (2011), S. 177-192, Nr. 14, S. 189, mit s/w Abb.

Provenienz:
Hugo Helbing, Frankfurt, Versteigerung am 3.5.1932, Los 95 („Aus Sammlungen und Beständen mittelrheinischer Standesherren der fürstlichen Schlösser B..; H.. und L..“), aus Schloss B., mit s/w Abb. auf Tafel 9;
Carl Müller-Ruzika (Kunst-und Antiquitätenhandlung Carl Müller, Großer Hirschgraben 7, Frankfurt/Main), in obiger Auktion erworben;
Sammlung Mary Heilmann-Stuck (1896-1961) und Generalkonsul Albert Heilmann (1886-1949), München, verso mit Etikett (als „Rubens“);
im Juni 1944 über die Bayerische Staatsgemäldesammlung ausgelagert (Nr. 34);
Bergungsdepot Höglwörth, verso auf dem Rahmen mit der Nr. auf einem Etikett („34“);
Central Collecting Point, München, dort am 25.4.1946 registriert (als „Rubens“), verso auf dem Rahmen mit der handschriftlichen Nr. in Blau („26233“);
am 17.11.1948 rückerstattet an Mary Heilmann-Stuck und Albert Heilmann, Äußere Prinzregentenstr. 4, München, verso mit dem Adressstempel;
im Erbgang an Otto Heilmann (1919-1971), München;
danach Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Eine Dame blickt uns lebensvoll, mit leicht geöffnetem, durchaus sinnlichem Mund an, gehüllt in ein prachtvolles, gold glänzendes Gewand, das sich über ihren Brüsten spannt. Gleichsam als Gegengewicht zu dieser Spannung ist über ihre linke Schuler locker ein leuchtend roter Umhang drapiert, der die linke Bildhälfte fast vollständig einnimmt. Im Haar trägt sie eine Perlenkette und auch ihre Brust ziert eine kostbare, mit Edelsteinen besetzte Kette. Zweifellos ist sie eine Dame von Stand, die porträthafte Züge trägt und ohne die Inschrift rechts oben als historische Figur nicht zu identifizieren wäre: Es handelt sich um Herodias, die Enkelin von König Herodes und Mutter von Salome, deren sündiger Lebenswandel – sie hatte ein Verhältnis mit dem Halbbruder ihres Mannes, dem Tetrarchen Herodes Antipas – von Johannes dem Täufer in Predigten öffentlich kritisiert wurde. Herodos Antipas ließ ihn daraufhin einkerkern und bei einem Fest soll Herodes – entzückt durch den Schleiertanz der Salome – dieser einen Wunsch freigegeben haben. Die Geschichte ist bekannt – gemäß dem Bericht im Neuen Testament soll Salome, angestachelt durch ihre Mutter Herodias, die Enthauptung des Täufers erbeten haben.
Man sieht Herodias ihre unheilvolle Rolle deshalb nicht an, weil ihre Gestalt ursprünglich aus einem größeren Gemälde des großen Flamen Peter Paul Rubens stammt, das heute verloren ist, doch in einem gegenseitigen Kupferstich des Schelte à Bolswert überliefert ist. Er zeigt den Augenblick, in dem der Leibwächter das Haupt des Täufers an Salome reicht, doch dieses sogleich von ihrer Mutter Herodias übernommen wird. Es existieren auch mehrere Gemäldekopien, von denen die qualitätvollste sich auf Castle Howard in England befindet.
Auch Erasmus Quellinus, der Maler unseres Gemäldes, hat eine solche heute in Privatbesitz befindliche Kopie angefertigt – Quellinus war in den 1630er Jahren Schüler von Rubens, hat danach wiederholt mit ihm zusammengearbeitet, und wurde nach Rubens Tod 1640 dessen Nachfolger als Stadtmaler von Antwerpen. Quellinus hat zahlreiche Kopien nach Gemälden seines Lehrers ausgeführt, und auch unser Gemälde geht direkt auf ihn zurück, doch hat ihm Quellinus einen neuen, moralisierenden Sinn über die biblische Historie hinaus gegeben: Indem er die mit porträthaften Zügen versehene Herodias aus dem Gemälde als Einzelgestalt heraus isolierte, schloss er an einen im 17. Jahrhundert weitverbreiteten Bildtypus an, der in den Niederlanden als „Tronie“ bekannt war. In einem eng gefassten Bildausschnitt zeigten diese Gemälde einzelne Figuren, die nach dem lebenden Modell entstanden, doch nicht als Porträt intendiert waren. Die Tronien zeigten fiktive, im weitesten Sinne historische Persönlichkeiten, die als überzeitliche Beispiele für tugend- bzw. lasterhaftes Verhalten verstanden wurden. In der Auseinandersetzung mit der Physiognomie der Dargestellten sollte der Betrachter über sein eigenes Dasein und Handeln nachdenken.
Das qualitätvolle Gemälde ist über seinen moralisierenden Sinn hinaus ein bedeutendes Beispiel für die zeitgenössische Rubensrezeption, hier nicht durch einen Kupferstich vermittelt, sondern direkt aus dem Atelier des Meisters heraus. Es vermag stellvertretend die Bedeutung anzuzeigen, die das Werk des Flamen für die gesamte Malerei des Nordens im 17. Jahrhundert hatte.
Das Gemälde stammte ursprünglich womöglich aus Quellinus‘ eigener Sammlung, in der sich bei seinem Tod ein Gemälde „Herodias, Rubbens“ befand. Ob es sich dabei um unser Gemälde handelt, lässt sich nicht mehr nachvollziehen; danach verliert sich seine Spur und es taucht erst 1932 wieder auf, als es aus mittelrheinischem Adelsbesitz in der Frankfurter Dependance des Münchner Auktionshauses Hugo Helbing als Werk Quellinus‘ versteigert wurde. Dort erwarb es der Frankfurter Kunsthändler Carl Müller-Ruzika, von dem vermutlich danach der Münchner Bauunternehmer und Generalkonsul Albert Heilmann, verheiratet mit Mary, der Tochter Franz Stucks, das Gemälde erworben hat. Das nun zu einem Original von Rubens aufgewertete Gemälde trägt noch heute den Rahmen des damals in der Schwindstraße ansässigen Rahmenmachers Hans Irlbacher, bei dem auch Franz von Stuck seine Gemälde zumeist nach eigenem Entwurf hatte rahmen lassen. Zusammen mit anderen Gemälden Stucks wurde es im Krieg über die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in das Depot Höglwörth ausgelagert und kam von dort nach dem Krieg 1946 in den Central Collecting Point in München, dem ehemaligen Parteigebäude der NSDAP am Königsplatz und heutigen Haus der Kulturinstitute, in dem nach dem Krieg alle ausgelagerten und widerrechtlich erworbenen Kunstwerke zusammen getragen wurden, um sie an ihre rechtmäßigen Besitzer zurückzuführen. Im November 1948 kam das Gemälde wieder in den Besitz der Familie Stuck, wo es sich über viele Jahrzehnte befand.
Dr. Peter Prange

Mit einer Fotoexpertise von Max J. Friedländer, Berlin, vom 19.5.1932 (dort Rubens zugeschrieben).

Wir danken Herrn Dr. Jean-Pierre De Bruyn, Antwerpen, für freundliche Hinweise.

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