„Der Narr als Prophet“
Details
Paul Klee Stiftung 2848.
Literatur:
Bagier, Guido Rudolf, Ausstellung Wiesbaden Frühjahr 1922, in: Kunstchronik und Kunstmarkt, 57. Jg., Neue Folge XXXIII, Heft 40, Leipzig 1922, S. 668, o. Abb.
Ausstellung:
Paul Klee, Nassauischer Kunstverein, Wiesbaden 1922;
Neues Museum, Wiesbaden 1924, Nr. 43;
Kunst des 20. Jahrhunderts aus Berliner Privatbesitz, Akademie der Künste, Berlin 1978, S. 248 (o. Kat.-Nr., o. Abb.).
Provenienz:
Atelier des Künstlers, Weimar, bis spätestens 1924;
Heinrich und Tony Kirchhoff, Wiesbaden, spätestens 1924 bis 1934;
Karlheinz Kirchhoff, 1934-1938, durch Erbfolge von Vorgenannten;
Galerie Maria Gillhausen, München (in Kommission), 1938;
Galerie Ernst Arnold, Dresden (in Kommission), 1938;
Galerie Ferdinand Möller, Berlin (in Kommission), 1938;
Buch- und Kunsthandlung Karl Buchholz, Berlin (in Kommission), 1938;
Sammlung Ellen Nora Balaszeskul, geb. Greifenhagen (1914-1995), Berlin/Manchester/Cambridge/Berlin, 1938 bei Vorgenannter erworben;
Sotheby’s, London 26.6.1991, Los 240;
Privatsammlung, Hessen.
Beschreibung
• Eine der frühen Arbeiten Paul Klees im Öl-Pausverfahren mit farbiger Aquarellierung
• Klee entwickelt diese neue Technik während seiner Zeit am Weimarer Bauhaus
• Aus der bedeutenden Sammlung des Wiesbadener Kunstmäzens Heinrich Kirchhoff
Paul Klee kommt im Januar 1921 als Meister ans Bauhaus, wo er die folgenden zehn Jahre lehren und arbeiten wird. In diesem künstlerisch äußerst fruchtbaren Umfeld ändert sich schon bald sowohl sein zeichnerischer, malerischer Stil als auch seine Thematiken. Nach den sogenannten Weltlandschaften der vorangegangenen Jahre stellt Klee nun verstärkt Einzelmotive aus der Welt des Theaters im weitesten Sinne dar, so auch Masken, Marionetten, Tänzer oder Akrobaten. Ebenso wendet er sich technischen Neuerungen zu und experimentiert mit verschiedenen künstlerischen Verfahren. Zwischen 1922 und 1924 entwickelt er die monotypie-ähnliche Öl-Pause, bei dem er eine Zeichnung mithilfe eines mit schwarzer Ölfarbe bestrichenen Zwischenblattes überträgt (zur Technik der Öl-Pause siehe Los 652). Nach dem Trocknen der durchgepausten Ölfarbe aquarelliert Klee den Hintergrund, hier in einem nuancenreichen bordeauxroten Farbton, der die figürliche Zeichnung fast gloriolenhaft beleuchtet. Die vorbereitende, gleichnamige Federzeichnung aus dem Jahr 1921 (WVZ Paul Klee Stiftung 2778) befindet sich in der Stiftung Sammlung Kamm im schweizerischen Zug (Inv.-Nr. K.Z. 219).
Der Narr, der Harlekin, ist für Paul Klee – ebenso wie für Picasso und viel andere Künstler – ein Alter Ego. Er verkörpert den menschlichen wie künstlerischen Zwiespalt der Künstlernatur zwischen Schein und Sein, Erfolg und Scheitern, Harmonie und Dissens. Verstärkt treten Darstellungen aus diesem Motivbereich in seiner Bauhauszeit auf: der „Arlequin auf der Brücke“ (1920), der hier angebotene „Narr als Prophet“ (1922) oder der auf Balance bedachte „Seiltänzer“ (1923). Klee hatte damals im so vielfältigen Kollegium der Bauhaus-Meister eine ausgleichende Rolle inne, schaute aber stets skeptisch auf die Herausforderungen der modernen Kunstschule und das dort permanent präsente Spannungsfeld zwischen künstlerischer Individualität und Gemeinschaft sowie der Ausrichtung zwischen Kunst und Technik. Klee, der Narr, prophezeit diese Richtungskontroversen bereits 1922, als ein erster Grundsatzstreit zwischen Gropius und Johannes Itten dazu führt, dass Itten, der maßgeblich an der Berufung Klees beteiligt war, kurz darauf das Bauhaus verlässt. Klee identifiziert sich bis 1924 mit den Idealen des frühen Bauhauses, den dann zunehmend technisch ausgerichteten Unterrichtszielen steht er, wie einige andere Bauhaus-Meister, kritisch gegenüber. Lange zögert er seine Zustimmung heraus, 1925 mit dem Umzug der Schule nach Dessau zu gehen.
„Der Narr als Prophet“ gelangt schon bald nach Entstehung in den Besitz des Wiesbadener Kunstmäzen- und Sammlerpaares Heinrich und Tony Kirchhoff. Ihre Sammlung gilt in den 1920er Jahren als eine der bedeutendsten Sammlungen expressionistischer Kunst, ein Großteil der Werke wird bis 1933 im Museum Wiesbaden als Leihgabe ausgestellt. Nach Kirchhoffs Tod 1934 wird die Sammlung aufgelöst, das Werk von Paul Klee geht in den Besitz des Sohnes Karlheinz über, der es 1938 über die Buch- und Kunsthandlung Karl Buchholz in Berlin an Ellen Greifenhagen verkauft. Bei ihrer Emigration nach England kann Greifenhagen 1939 die Arbeit mitnehmen. In zweiter Ehe heiratet sie 1957 in Cambridge den in Magdeburg geborenen Konstantin Otto Balaszeskul. Gemeinsam kehrt das Paar nach Deutschland zurück, wo Elene Balaszeskul Mitgründerin der Berliner Telefonseelsorge wird, der ersten derartigen Beratungsstelle in Deutschland. Sie stirbt 1995 in Berlin. Kurz zuvor, 1991, gelangt der „Narr“ von Klee über eine Londoner Auktion wieder in eine hessische Privatsammlung.
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