Franz von Lenbach

Bildnis der Tochter Gabriele in spanischer Hoftracht

Details

Literatur:
Ausst.-Kat.: Franz von Lenbach, Städtische Galerie im Lenbachhaus München, München 1987, vgl. S. 357, Kat.-Nr. 196, mit Abb.

Provenienz:
Privatbesitz, England;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Franz von Lenbach war um 1900 der Porträtist der Münchner Gesellschaft. Mit seiner an den Vorbildern großer Alter Meister orientierten Bildniskunst – vor allem Tizian übte auf ihn eine große Faszination aus, bei dem er eine „weltvergessene Ruhe, das Herausgreifen aus der Natur und die tiefe Versenkung in die einzelne Erscheinung“ fand – traf er den Nerv der Zeit und wer es sich leisten konnte, ließ sich von ihm malen. Seine teilweise auch nach Fotografien entstandenen Bildnisse bezeugten nicht nur einen hohen Repräsentationswert im Sinne eines gesellschaftlichen Ranges, schon früh ist in ihnen auch das Bemühen sichtbar, die Individualität der Modelle psychologisch und lebensnah zu erfassen.
Neben den Bildnissen der großen Persönlichkeiten der Zeit – stellvertretend sei auf die große Anzahl von Bildnissen des Reichskanzlers Otto von Bismarck verwiesen – gehörten auch Kinder zu den bevorzugten Modellen Lenbachs, bei denen er noch jene Spontaneität und Unmittelbarkeit des Ausdrucks fand, die er mit seiner Malerei anstrebte. Eine ganze Reihe von Münchner Familien ließ auch ihre Kinder von Lenbach malen – am bekanntesten sind die Kinder von Hedwig und Alfred Pringsheim, unter ihnen vor allem Katia Pringsheim, die spätere Frau Thomas Manns.
Seine liebsten Modelle waren aber seine eigenen Töchter – zunächst die 1892 geborene Marion aus seiner ersten Ehe mit Magdalena Gräfin Moltke, die auch nach der Scheidung beim Vater blieb, danach auch Erika und vor allem die 1899 aus seiner Verbindung mit Charlotte von Hornstein hervorgegangene Gabriele, die später in das Verlagshaus Neven Du Mont einheiraten sollte. Sie war der Liebling des alternden Lenbach und sie hat er bei verschiedensten Gelegenheiten gemalt – auf unserem Gemälde sitzt die Zweijährige auf dem Boden vor einer Art Ruine (?), zu deren Seiten das Licht des wolkenverhangenen Monds hereinbricht. Mit wachen Augen blickt sie nach vorn am Betrachter vorbei – es liegt im Blick etwas Sinnendes und Wissendes – etwas, das nur ein Kind wissen kann. Sie ist allein in der Nacht, aber furchtlos. Auch hier ist es abseits ihrer modischen Erscheinung der psychologische Moment, der das Bildnis mit einer Note des Geheimnisvollen umgibt.
Sie trägt ein spanisches Kostüm, das aus dem Dunkel mit seinen Rot- und Weißtönen herausleuchtet. Solche Verkleidungen waren im Hause Lenbach beliebt und fanden auch bei anderen Malern Anklang – etwa wenn man an Franz von Stucks Bildnisse von seiner Tochter Mary in spanischen, an Velazquez orientierten Kostümen denkt. Derartige Rollenspiele waren bei Lenbach üblich – 1902 malte er seine beiden Töchter in einer Ritterrüstung, die er aus Pappmachee hatte anfertigen lassen –, dienten ihm doch solche Verkleidungsszenen im Atelier und „Lebende Bilder“ in seiner Villa, von denen Lolo von Lenbach in ihren Erinnerungen berichtet, als Anregung zu neuen Porträtschöpfungen.
Auch in der Münchner Gesellschaft war die Nachfrage nach solchen Verkleidungen beträchtlich – die von der Künstlervereinigung Allotria oder der Münchner Künstlergenossenschaft organisierten Kostümfeste gehörten spätestens nach der Reichsgründung 1871 zum festen Bestandteil des gesellschaftlichen Kalenders in München und nachdem Lenbach 1896 den Vorsitz der Künstlergesellschaft übernommen hatte, war er an der Vorbereitung der Festivitäten aktiv beteiligt. Im Fasching 1902 wurde im Künstlerhaus ein „Don Juan-Fest“ veranstaltet, zu dem die Teilnehmer spanische Tracht anlegen mussten – aus diesem Anlass malte Lenbach ein Gruppenbildnis dreier Damen in spanischen Kostümen (München, Lenbachhaus, Inv.-Nr. L 251), und es ist gut vorstellbar, dass Gabrieles Bildnis in Vorbereitung auf dieses Fest entstand.
Das erst jüngst wieder aufgetauchte Gemälde war bisher nur in einer alten Fotografie bekannt; vorbereitet hat es Lenbach durch eine etwas kleinere Ölstudie (Privatbesitz), auf der er die Figur seiner kleinen Tochter vor einem diffus aufgefassten Hintergrund mit wenigen Pinselstrichen in Rot und Weiß markant umreißt, doch sich weitestgehend auf die Ausarbeitung des Gesichts konzentriert.
Dr. Peter Prange

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