Bildnis eines Knaben
Details
Provenienz:
Seit Jahrzehnten in Privatbesitz, Süddeutschland.
Beschreibung
Ernst schaut der Junge in eine Welt, die erst noch vor ihm liegt. Am Übergang vom Kind zum Jugendlichen stehend, schaut er mit wachen Augen den Betrachter nahezu frontal an – kaum merklich ist die leichte Achsenverschiebung zwischen Kopf und Oberkörper. Der Junge ist mit einer dunkelblauen Jacke mit goldenen Knöpfen bekleidet, die sich – auch bedingt durch farbliche Veränderungen in den letzten zwei Jahrhunderten – nur noch wenig vom dunklen Hintergrund abhebt. Aus der aufgeknöpften Jacke „ergießt“ sich gleichsam ein breiter weißer Hemdkragen, der sich auf seine Schultern gelegt hat und den Kopf wie auf eine weiße Wolke bettet. Das Weiß des Kragens beherrscht das Bild, tritt aus dem Dunkel hervor und strahlt auf den Kopf des Jungen ab, der im Licht in einer Weise greifbar wird, die nicht ohne Suggestion ist.
Man mag in dem weißen Kragen im christlichen Sinne auch einen Hinweis auf die Unschuld und Reinheit des Jungen erkennen – Weiß ist die Farbe der Jungfrau Maria –“ vor allem ist er es aber, der dem strengen Aufbau des Gemäldes eine sanfte Dynamik verleiht, zusammen mit der unprätentiösen Frisur den Kopf in eine leichte Bewegung versetzt. Betrachtet man ihn länger, dann fallen auch im eigentlich ebenmäßigen Gesicht leichte Unregelmäßigkeiten auf, die diesen Eindruck verstärken: Das linke Auge ist ein wenig kleiner und wird vom Flaum der kaum sichtbaren Augenbraue überwölbt, während der rechte Nasenflügel genauso wie der Mund rechts etwas nach unten verschoben ist. Diese kleinen Abweichungen von der Frontalität geben dem Kopf innere Spannung, leichte Erregung und bewirken den suggestiven Blick, der den Betrachter auch heute noch berührt.
Wer ist der Junge? Das Gemälde gibt dazu keinerlei Auskunft, so dass eine Identifikation des Jungen nicht möglich sein wird, doch dürfte er jenen bürgerlichen Schichten angehören, für die das beginnende 19. Jahrhundert einen gesellschaftlichen Aufbruch bedeutete, der auch bildliche Repräsentation beinhaltete. Genauso wenig wie sich die Identität des Jungen erhellen lässt, bleibt auch der Maler des Gemäldes im Verborgenen, was man auch deshalb bedauern muss, da es sich um ein ausgesprochen qualitätvolles Bildnis handelt. Das Bildnis ist in der traditionellen Form der Büste angelegt, die rechts der Schulter Raum für das ligierte Monogramm „AE R/ 1828 p[inxit]“ lässt. Es ist bisher nicht gelungen, dieses Monogramm mit einem Namen zu verbinden, doch lässt die Unmittelbarkeit des Blicks, mit der der Junge dem Betrachter gegenübertritt, möglicherweise an einen nordischen, vielleicht skandinavischen Künstler denken. Dort hatte etwa in Hamburg Philipp Otto Runge, neben Caspar David Friedrich der Erfinder der Romantik, zu Beginn des Jahrhunderts mit seinen „Hülsenbeckschen Kindern“ (Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. HK 1012) ein neues Bild vom Kind geschaffen, das der Darstellung des Erwachsenen gleichberechtigt antwortet. Diesen Bewusstseinswandel hat genauso unser Maler, der auf jede kindliche Attitüde verzichtet, wie auch der Junge vollzogen, dem wir bei seiner Bewusstseinswerdung, bei seiner Entdeckung der Welt zuschauen dürfen.
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