Wassily Kandinsky

Die Schiffe (Holland)

Details

Hauskatalog der farbigen Zeichnungen Nr. 67; Barnett 140.

Literatur:
Grohmann, Will, Wassily Kandinsky. Life and Work, New York 1958, S. 343, mit Abb. S. 403;
Gordon, Donald E., Modern Art Exhibitions 1900-1916, München 1974, Bd. II, S. 181.

Ausstellung:
Société Internationale d’Aquarellistes, Galerie Georges Petit, Paris / XI. Ausstellung der Berliner Secession, Ausstellungshaus am Kurfürstendamm, Berlin 1905/06, Kat.-Nr. 120 (betitelt: „Holländische Schiffe“);
XVIII. Ausstellung der „Vereinigung südrussischer Künstler“, Odessa 1907, Kat.-Nr. 94 (betitelt: „Holland. Die Boote“);
Kandinsky, Galerie Der Sturm, Berlin 1912, Kat. I Nr. 33;
Nationalmuseum, Stockholm 1932, Kat.-Nr. 5;
Wassily Kandinsky, Fuji Television Gallery, Tokio 1989.

Provenienz:
Gummesons Konstgalleri, Stockholm (bis Mitte 1930er Jahre);
Gregor Aronowitsch, Stockholm (um 1976);
A. B. Stockholms Auktionsverk (Herbst 1985);
Galerie Rosenbach, Hannover (1985-1987);
Sotheby’s, New York 12.5.1987, Los 128;
Christie’s, London 3.4.1990, Los 125;
Privatsammlung, Europa.

Beschreibung

Kaum ein anderer Künstler des beginnenden 20. Jahrhunderts hat die Kunstauffassung so revolutionär verändert wie Wassily Kandinsky mit dem „Blauen Reiter“ und als Lehrer des Bauhauses. Bevor er jedoch ab 1911 diesen Weg beschreitet, erfährt er ab 1900 eine klassische Malereiausbildung an der Kunstakademie München bei Franz von Stuck. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts sind seine Werke dem Jugendstil verpflichtet, wofür die vorliegende Gouache ein wunderbares Beispiel ist.

1902 lernt der verheiratete Kandinsky Gabriele Münter kennen. Zunächst seine Schülerin an der Phalanx-Malschule in München, entwickelt sich bald eine Beziehung zwischen den beiden. Kandinsky lebt zu dieser Zeit noch mit seiner ersten Frau Anja zusammen, und die Beziehung der beiden Künstler ist geheim. Um ungestört mehr Zeit miteinander zu verbringen, entschließen sie, einige ausgedehnte Reisen zu unternehmen. Ihre erste Reise findet vom 23. Mai bis zum 21. Juni 1904 in den Niederlanden statt; kurz danach trennt sich Kandinsky von seiner Frau. Er bereist mit Gabriele Münter Rotterdam, Den Haag sowie die Küstenorte Scheveningen und Zandvoort. Es entstehen sowohl Werke vor Ort, als auch zahlreiche Skizzen und Fotos, die Kandinsky, dann zurück in München, als Vorlage für weitere Werke nutzt.

Das vorliegende Werk zeigt eine holländische Hafenansicht. Im Hintergrund sehen wir eine kleine, typisch holländische Stadt mit Windmühle und kleinen Backsteinhäusern mit weißen Giebelsparren. Davor ankern drei Segelschiffe. Die See hat leichten Wellengang. Dieses Werk ist noch vollkommen dem Jugendstil verpflichtet: „[…] das zeigt sich in der Stilisierung, dem weitgehenden Verzicht auf räumliche Tiefe, dem Hang zum Dekorativen und dem grossen Interesse am Kunsthandwerk und der Volkskunst“ (Endicott Barnett, Vivian, Kandinsky, Werkverzeichnis der Aquarelle, München 1992, Bd. 1: 1900-1921, S. 14). Kandinsky kopiert aber nicht einfach Stilelemente des Jugendstils, sondern er nutzt sie, um seine eigenen Kompositionen zu schaffen, die dann in seinen „Improvisationen“ und „Kompositionen“ nach 1911 gipfeln. Obwohl natürlich räumliche Tiefe durch das Voreinandersetzen der unterschiedlichen Bildebenen geschafft wird, wird der Blick des Betrachters nicht in die Tiefe gezogen. Das Hellblau am linken Segelboot finden wir im Hintergrund und ebenso an der Schiffskajüte des rechten Schiffes wieder; das kräftige Blau der Wellen im Vordergrund greift er in den Bäumen im Dorf sowie im rechten Boot wieder auf. Verstärkt wird die Strahlkraft der Farben durch die effektvolle Verwendung des graubraunen Papiers, was gleichzeitig die Flächigkeit und den typischen dekorativen Charakter dieser frühen Arbeiten hervorhebt.

„Die Schiffe (Holland)“ gehören zu den „farbigen Zeichnungen“. Bis 1909 hat Kandinsky seine Werke in dem sogenannten Hauskatalog festgehalten und sie in vier Kategorien eingeteilt: Holzschnitte, Bilder, kleine Ölstudien und farbige Zeichnungen. Neben der Technik macht er darüber hinaus Angaben zum Entstehungsort und zu Verkäufen. Der Begriff „Farbige Zeichnung“ ist allerdings aus unserem heutigen Verständnis heraus irreführend, da es sich um Gouachen und Tempera-Arbeiten handelt, die sich durch einen malerischen und keinen zeichnerischen Charakter auszeichnen. Typisch für diese Werke ist die Verwendung getönter Papiere oder Pappen, wobei Kandinsky dann die Farbigkeit der Malunterlage, wie in unserem Fall, effektvoll einsetzt. „Kandinsky dagegen benutzt den Begriff für eine Gruppe von Werken mit einem Gouache-ähnlichen Malmittel, das er selbst ‚Tempera‘ nannte und das er unmittelbar auf Papier oder getönte Malpappe auftrug, wobei er häufig große Flächen unbemalt ließ. Diese Arbeiten wirken freier als Gemälde, sind aber keine Zeichnungen im herkömmlichen Sinn, da sie gemalt und nicht gezeichnet sind.“ (ebd., S. 15).

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