Guido Reni

Don Juan vor der Schlacht von Lepanto

Details

Literatur:
Ann Sutherland Harris, Guido Reni’s royal patrons: a drawing and a proposal, in: Burlington Magazine, März 2009, S. 156- 159, Abb. 25.

Provenienz:
Charles Henri Marcellis (1798-1864), Liége (?), recto mit dem Stempel (Lugt 609);
R. Lamponi-Leopardi (2. Hälfte 19. Jh.), Florenz und Turin, recto mit dem Stempel (Lugt 1760);
Sotheby’s, Milano, Auktion 26.6.2007, Los 75 (als Umkreis von Reni);
Privatbesitz, Hessen.

Beschreibung

Durch den spanischen Botschafter beim Heiligen Stuhl in Rom erhielt Guido Reni von König Philipp IV. zwischen 1626 und 1628 einen Auftrag zu einem großformatigen Gemälde. Thema war die Entführung der Helena. Das Werk befindet sich heute im Musée du Louvre, Paris (Inv. Nr. 539). Es war ein ehrgeiziges Projekt Philipps: Insgesamt bestellte er zwölf Bilder bei den besten Malern Italiens, alle im gleichen Format und mythologische Sujets darstellend. Vorliegender Kompositionsentwurf wurde von Ann Sutherland Harris als eigenhändige Zeichnung Renis erkannt und in Zusammenhang mit diesem Großauftrag gebracht. Sie hat die Ergebnisse ihrer Forschung 2009 in einem Aufsatz im Burlington Magazine publiziert. 
Von Renis Hand haben sich zahlreiche Studien in Kreide oder brauner Feder erhalten, meist zu einzelnen Figuren oder Figurengruppen, aber kaum lavierte, Licht- und Schattenwerte modellierende Kompositionsentwürfe. Unser Blatt ist daher eine große Rarität in seinem zeichnerischen Œuvre.

Sujet der Zeichnung ist Don Juan de Austria vor der Schlacht von Lepanto. Die historisch im Jahr 1571 verbürgte Seeschlacht im Ionischen Meer vor dem Eingang zum Golf von Patras bei Lepanto zählt zu den berühmtesten und psychologisch wichtigsten Siegen der christlichen Mittelmeermächte über das osmanische Reich, da mit diesem Sieg der Mythos von der Unbesiegbarkeit der Osmanen gebrochen war. Die Heilige Liga (Spanien, Genua, päpstliches Rom und Venedig) errang unter dem Oberbefehl des spanischen Adligen Juan de Austria einen überraschenden Sieg über die zahlenmäßig überlegene Flotte des osmanischen Reichs. Reni hat diesen entscheidenden Sieg der Marine, der den Einsatz Hunderter von Galeeren erforderte, auf wenige Elemente reduziert: Zu sehen ist rechts auf unserer Zeichnung ein junger Mann in Rüstung und mit gefiedertem Helmbusch vor zwei ebenfalls gerüsteten Begleitern. Er wendet sich seinem dunkelhäutigen, Schild haltenden Pagen zu und dirigiert gleichzeitig mit der Rechten einen Kommandostab in Richtung der Schiffe in der mittleren Distanz. Es ist der 24 jährige Juan de Austria, illegitimer Sohn Karls V. und Halbbruder Philipps II. Diese Gruppe wird von den Strahlen der aufgehenden Sonne am Horizont hinterfangen. Am linken Rand zwei Männer mit Brustpanzer und Helm, die auf das Meer hinausblicken. Die Galeeren, alle mit Rudern bestückt, sind gemäß der historischen Überlieferung in zwei Reihen angeordnet. Die Schiffe zur Linken weisen geblähte Segel auf, wohl ein Verweis auf die leichte Brise, die kurz nach Beginn der Schlacht aufkam und die Galeeren der Heiligen Liga begünstigte, da sie die Schiffe der Osmanen zum Ufer zurückdrängte. Auf dem Strand im Vordergrund einige Kanonenrohre und Pulverfässer, vielleicht ein Hinweis auf die wendigen venezianischen Galeassen, die zusätzlich zu den Kanonen am Bug auch Geschütze an den Schiffsseiten hatten und damit entscheidend zum siegreichen Ausgang der Schlacht beitrugen.
Warum eine Kommission schlussendlich nicht erfolgte, konnte den archivalischen Quellen bislang nicht entnommen werden. Trotz der großen Bedeutung der Seeschlacht wurde das Thema auch seltener in Spanien als in Italien in Auftrag gegeben, vielleicht, weil es nicht Philipp II., sondern dessen Halbbruder Juan glorifiziert hätte, zu dem dieser ein schwieriges Verhältnis gehabt hatte. Möglicherweise ging der Vorschlag auch mehr auf die Berater des Papstes als auf die Gesandten des spanischen Königs zurück, vielleicht war man auch der Meinung, dass das Thema der Entführung der Helena ein viel geeigneteres Sujet für den gefeierten Künstler war, war Reni doch in erster Linie für seine überwältigenden Darstellungen schöner Frauen berühmt. Daran, dass Reni bei der Bestellung beide Szenen schon im Kopf gehabt und sie in Beziehung zueinander gesetzt hatte, hegt Harris keine Zweifel: Dies legen das identische, annähernd quadratische Format beider Szenen wie auch formale Entsprechungen nahe: Ordnet man die Lepanto-Schlacht rechts der Entführungsszene an, so erhält man eine durchgehende Küstenlinie. Links die Gruppe um Helena mit Paris, der sich nach der Geliebten umsieht und einem gestikulierenden Begleiter, der auf die Schiffe im Meer verweist, alle in einer Reihe nach rechts voranschreitend, rechts Don Juan, der sich über die Schulter nach seinem Pagen umblickt und mit seinem Feldherrenstab auf die Galeeren links im Bild hinweist. Im Ergebnis ist unser Entwurf eine spiegelbildliche Entsprechung des Gemäldes im Louvre. – Mit mehreren Rissen und kleinen Löchlein, daher alt auf einen Sammlungsuntersatz des 18. Jhs. mit Zierlinienumrahmung aufgelegt. An den Kanten mit leichten Bereibungen, ansonsten in altersgemäß gutem Zustand.

* Alle Angaben inkl. Aufgeld (27%) ohne MwSt. und ohne Gewähr. Irrtum vorbehalten.
** Alle Angaben zzgl. Aufgeld und MwSt. und ohne Gewähr. Irrtum vorbehalten.
*** Unter Vorbehalt: Zuschlag erfolgte unterhalb des Limits. Erwerb des Werkes im Nachverkauf ggf. noch möglich.
R = Regelbesteuerte Kunstwerke
N = Differenzbesteuerte Kunstobjekte mit Ursprung in einem Land außerhalb der EU
Die private oder gewerbliche Vervielfältigung und Verbreitung aller im Ausstellungs- und Auktionsarchiv angezeigten Werkabbildungen ist unzulässig. Alle Rechte vorbehalten.