Details

Mit einem schriftlichen Gutachten von Prof. Nicolas Turner, vom 9. Januar 2011.
Literatur:
A. Emiliani, „Federico Barocci“, 2 Bd., 2008, Bd. 1, S.174 – 179, vgl. S. 177, Nr. 20 und 20.1; A.M. Ambrosini Massari und M. Cellini, „Nel segno di Barocci. Allievi e seguaci tra Marche, Umbria, Siene, Mailand“, 2005, S. 134 – 141, vgl. S. 139, Fig. 11.
Provenienz:
Aus deutschem Adelsbesitz; seit ca. 200 Jahren in der Familie nachgewiesen.

Beschreibung

Vorliegendes Gemälde des Barocci-Schülers Alessandro Vitali zeigt den heiligen Judas Thaddäus in halber Figur mit seinem Attribut, der Hellebarde, nach rechts gewandt, den Blick auf den Betrachter gerichtet. Judas Thaddäus zählte zusammen mit Simon Zelotes zu den zwölf Aposteln und wurde meist zusammen mit jenem dargestellt, da beide am selben Tag verehrt wurden. Auf Federico Baroccis 1567 entstandenem Altarbild „Madonna di San Simone“, das für die Kirche von San Francesco in Urbino geschaffen wurde und sich heute in der Galleria Nazionale delle Marche befindet, erscheinen beide Heilige in voller Größe zur Rechten und Linken Mariens. Doch nur die Figur des Judas wurde von Vitali aus dem Kontext der sacra conversazione isoliert und mit einem neutralen dunklen Hintergrund versehen, um ihn so zu einem eigenständigen Bildgegenstand zu erheben. Im Vergleich mit Baroccis Darstellung fällt auf, dass einzelne kleine Veränderungen vorgenommen wurden, um die Präsenz der Figur noch zu steigern: so trägt Judas Thaddäus keinen Heiligenschein, die Schmuckelemente am oberen Ende der Hellebarde wurden weggelassen, Faltenwurf und Gewandbehandlung vereinfacht. Der Fokus liegt, ganz im Sinne der Forderungen der Gegenreformation, auf dem den Betrachter unmittelbar in Bann ziehenden Blick des Heiligen.
Ursprünglich diente die Darstellung wohl als Andachtsbild: Die Inschrift „C/M [onsigno]r f Giovanni …“ auf der Rückseite der Leinwand (heute durch die Doublierung verdeckt, aber fotografisch dokumentiert) in einer Handschrift des frühen 17. Jahrhunderts weist auf einen früheren Besitzer (Auftraggeber?) des Gemäldes hin, wohl ein Mönch oder Geistlicher, da das „f“ der Inschrift nicht als Initiale, sondern als Abkürzung von „frate“ zu lesen ist.
Farbauftrag und glatte Oberfläche sprechen nach Nicolas Turner dafür, dass das Gemälde noch zu Lebzeiten Baroccis oder wenig später in dessen Werkstatt entstanden ist. Barocci hatte, besonders gegen Ende seines Lebens, viele Assistenten, und Vitali zählte zu seinen talentiertesten Schülern. Von Vitali haben sich nur wenige Gemälde erhalten; sein bekanntestes Werk ist die „Verkündigung“ in der Galleria Nazionale delle Marche, auf Grundlage einer berühmten Komposition von Barocci. Dort erscheinen die gleichen, wie aus schwarzem Stein gemeißelten Augen, die auch für den heiligen Judas charakteristisch sind. Die Übertragung der Figur des Judas Thaddäus erfolgte wohl durch Durchpausen vom Original oder mit Hilfe des Kartons, der zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch in der Werkstatt vorhanden war.
Wir danken Prof. Nicolas Turner, Halstead, für die Identifizierung des Künstlers auf Grundlage digitaler Fotos und die freundliche Hilfe bei der Katalogisierung.
Leinwand doubliert. Mit einzelnen Austupfern. In sehr gutem Zustand.

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