Franz Nadorp

Römische Campagnalandschaft mit der Villa des Raffael

Details

Literatur:
Ulrike Eichler, „Raffaels Villa bei Rom. Gedanken zu einem Gemälde von Franz Nadorp“, in: Weltkunst, München 1979, Heft 12, S. 1566f., mit Abb.

Ausstellung:
Akademie-Ausstellung, Berlin, 1850, Nr. 1248.

Provenienz:
Leopoldine von Thun-Hohenstein, wohl direkt beim Künstler in Rom erworben;
Sammlung der Grafen von Thun-Hohenstein, Schloss Kwassitz, Mähren, bis zum 2. Weltkrieg;
Neumeister, München, Auktion, 28.6.1979, Los 1496;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

1850 beschickte der in Rom lebende Maler Franz Nadorp die Akademie-Ausstellung in Berlin mit unserem Gemälde, das vordergründig eine römische Landschaft mit dem Ausblick in die Campagna zeigt. Der Blick, teilweise verstellt durch mächtige Pinien, erstreckt sich rechts von St. Peter über die Tiberebene, in der eine Schafherde weidet, bis zu einer Anhöhe mit Schirmpinien. Vor den Pinien liegt ein unscheinbares, schlichtes Gebäude, das gleichwohl in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu den am häufigsten wiedergegebenen Bauwerken Roms gehört – es handelt sich nämlich um die sagenhafte Casina di Raffaello, angeblich das Landhaus des „Göttlichen“ auf dem Pincio, in dem er sich der Legende nach in den Armen seiner Geliebten Fornarina von seiner Arbeit erholte. In Raffaels angeblichem Gartenhaus befanden sich Fresken mit Liebesallegorien, die Schüler Raffaels nach Zeichnungen des Meisters ausgeführt hatten – sie gaben zu dem Trugschluss Anlass, das Gebäude sei Raffaels eigene Villa gewesen.
Nadorp, der 1828 nach Rom gekommen und dort im deutschen Künstlerverein als Organisator von verschiedensten Festivitäten aktiv war, hatte sich dort dem Kreis der Nazarener um Friedrich Overbeck und Peter von Cornelius angeschlossen, die sich Raffaels Malerei zum Vorbild religiöser Frömmigkeit und Anmut erkoren hatten. Eine wahre Raffael-Begeisterung hatte Rom in den Jahren nach 1810 erfasst, von der sich auch Nadorp anstecken ließ, der bereits unmittelbar nach seiner Ankunft das Gartenhaus besucht und gezeichnet hatte. Auch sein Gemälde ist Ausdruck dieser Raffael-Bewunderung, auf dem im Vordergrund auf der Parktreppe Raffael seine Geliebte umarmt, doch innehaltend den Blick nach hinten richtet, wo ein Künstler – er trägt eine Zeichenmappe unter dem Arm – nach rechts zu den Zypressen deutet. Dort hat ein Bauer sein Vieh zur Tränke geführt, in ihrem Schatten aber sitzt, in Melancholie versunken, ganz in Schwarz Michelangelo Buonarotti. „Raphael’s Villa bei Rom – im Vordergrunde links Raphael und die Fornarina, rechts Michelangelo unter Zypressen“ heißt es auf dem zeitgenössischen, auf dem Keilrahmen erhaltenen Klebezettel. Für seine Bildnisse von Raffael, der Fornarina und Michelangelo orientierte sich Nadorp an historischen Porträts – etwa Raffaels Selbstbildnis aus der Schule von Athen, an seinem Porträt der Fornarina in der Sammlung Barberini in Rom und für Michelangelo an Jacopo del Contes Bildnis in den Uffizien, während sich hinter dem jungen Künstler mit der Zeichenmappe Nadorp selbst verbergen dürfte. So gerät sein Gemälde nicht nur zu einem eindrucksvollen Zeugnis des Raffael-Kultes im 19. Jahrhundert, sondern zu einer persönlichen Reflexion über den eigenen künstlerischen Weg: Gleichsam wie Herkules am Scheideweg steht er zwischen beiden Künstlern, schreitet auf Raffael zu und weist doch zurück auf den älteren Michelangelo. Der kunsttheoretische Diskurs im frühen 19. Jahrhundert oszillierte zwischen diesen beiden „Übervätern“ der Kunst, doch vergegenwärtigt man sich Nadorps Werdegang, der bereits als Kopist nach Raffael an der Prager Kunstakademie hervortrat und später in Rom mit Nazarenern eng befreundet war, die Raffael huldigten, dann ist sein Gemälde ein Bekenntnis zu Raffael.
1850, als Nadorp sein Gemälde ausstellte, war dieses Bekenntnis allerdings nur noch romantische Reminiszenz, die von der Realität eingeholt worden war – 1849 hatten französische Truppen Rom beschossen und dabei auch die Casina di Raffaello zerstört. Nadorp konnte jedoch auf eine bereits 1843 entstandene, größere Version seines Gemäldes zugreifen, die sich im Besitz des preußischen Königs befand (heute Potsdam, Schloss Sanssouci, Orangerie).
Dr. Peter Prange

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