Junger Mann im Gebet (Tempeltanz der Seele)

Details

Provenienz:
Privatsammlung, Norddeutschland (Geschenk des Künstlers);
Grisebach, Berlin, Auktion 222, 28.5.2014, Los 263;
Privatbesitz, Berlin.

Beschreibung

Ein nackter, auf einer Wiese in einer Berglandschaft stehender Jüngling reckt sich mit erhobenen Armen dem Licht entgegen – gleichsam, um seine Inspiration zu empfangen. Es ist das Lebensthema von Fidus, diesem Weltverbesserer und Visionär, Theosoph und Esoteriker, der auch Künstler war und um 1900 einer der bekanntesten Maler und Illustratoren in Deutschland. Zuvor aber hatte Fidus seit Ostern 1887 an der Münchner Akademie studiert, die ihm aber so sehr zusetzte, dass er schon nach drei Monaten nach Höllriegelskreuth südlich von München übersiedelte, um der Kommune „HUMANITAS, Werkstätte für Religion, Kunst und Wissenschaft“ beizutreten, die dort Karl Wilhelm Diefenbach gegründet hatte. Dort entstanden neben der Mitarbeit im Atelier Diefenbachs erste eigenständige Werke – unter ihnen wohl auch das Pastell, das auch den Titel „Tempeltanz der Seele“ trägt und für das Diefenbachs Sohn Helios im Freien Modell gestanden haben soll.
Fidus – der Getreue, wie ihn Diefenbach nannte – nimmt in dem Pastell im Kern bereits seine berühmteste Komposition vorweg – das „Lichtgebet“, das er erstmals 1894 (Berlin, Deutsches Historisches Museum) malte und danach in vielen weiteren Versionen auch als Druckgraphik verbreitete. Auf unser Pastell trifft bereits zu, was Fidus selbst über das „Lichtgebet“ äußerte – dass es der Versuch sei, „den Leib als das Ebenbild Gottes wieder zu heiligen“. Den Glauben an das Licht als Urreligion, diesen religiösen, weltverbessernden Impuls trägt auch der Jüngling des Pastells in sich, der sich nicht zufällig der Gestalt Christi am Kreuz annähert. – Vereinzelt kleine Kratzer, die Ränder teils mit winzigen Einrissen. Die untere linke Ecke fehlt. Farbfrisch und insgesamt in guter Erhaltung.