Provenienz enthüllt: Der Händler und Auktionator als Art Mediator?

Unter dem Titel „Provenienz enthüllt“ stellen wir in einer spannenden Beitragsreihe den Umgang mit der Provenienzrecherche in der täglichen Praxis vor. In unserem dritten Beitrag beschäftigen wir uns mit der Rolle der Kunsthändler und Auktionatoren als Mediatoren.

Zum Umgang mit Restitutionen in der Praxis

Die Frage nach einer Restitution kann einen Kunstbesitzer bzw. -händler aus heiterem Himmel treffen. Auch wenn in der Praxis Restitutionsfälle – bezogen auf die hohe Anzahl gehandelter Kunstwerke – gering sind, ist die Verunsicherung aufgrund der hohen Publizität dieses Themas und seiner unbestrittenen historischen und moralischen Dimension groß. Wie also damit umgehen?

Ausgangspunkt ist die Frage, in welchem Kontext das Thema Restitution an Privatpersonen herangetragen wird. In der Regel kommen insbesondere zwei Fallkonstellationen vor: Erbenvertreter suchen intensiv nach Kunstwerken, die einst jüdischen Sammlern und Händlern gehörten und ihnen in der Zeit 1933-45 durch den nationalsozialistischen Staat verfolgungsbedingt entzogen wurden (sog. Raubkunst), und entdecken sie in einer Privatsammlung. Oder es stellt sich im Zuge eines Verkaufsprozesses aufgrund der begleitenden Recherchen eines Händlers/ Auktionshauses heraus, dass ein Kunstwerk unter Umständen verfolgungsbedingt entzogen worden sein könnte. Dies kann beispielsweise durch Übereinstimmung mit einem Eintrag in einer Datenbank wie dem Art-Loss-Register oder dem Lost Art-Datenbank festgestellt werden. Problematisch hierbei ist, dass diese Eintragungen häufig unbestimmt sind und eine eindeutige Identifizierung nicht zulassen. Sie können aber den Handel mit Kunstwerken beeinträchtigen, da diese faktisch durch eine – aufgrund der aktuellen Eintragungspraxis oft ungenaue – Eintragung mit einem Makel versehen sein können. Daher können potentielle Käufer von einem Erwerb Abstand nehmen.
Wegen dieser weitreichenden Auswirkung, die tief in das durch Artikel 14 des deutschen Grundgesetzes garantierte Eigentumsrecht des Bürgers eingreifen kann, unterliegt insbesondere die deutsche Lost Art-Datenbank weitreichenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Diese faktische Beeinträchtigung des Eigentums steht dabei im Widerspruch zur geltenden deutschen Rechtslage. Der Privatmann ist nach deutschem Recht nicht verpflichtet, seine Kunstwerke zurückzugeben oder zu entschädigen, selbst wenn festgestellt werden sollte, dass es sich eindeutig um Raubkunst handelt. In fast jedem Falle ist das Eigentum auf den jetzigen Besitzer übergegangen oder sind Ansprüche verjährt, da der Entzug länger als 30 Jahre zurückliegt.

Ein Restitutionsgesetz könnte klare Regeln liefern, die verfassungsrechtlich wie gesellschaftspolitisch abgesichert wären. Fraglich ist aber, ob es den vielen unterschiedlichen Fall- und Beweiskonstellationen gerecht werden kann. Abgesehen von den im Kulturgutschutzgesetz 2016 normierten Pflichten des Handels zur Recherche definiert das Washingtoner Abkommen von 1998 die einzigen bislang existierenden Regelungen im Bereich der Restitution. Wie die im Dezember 1999 erfolgte „Gemeinsame Erklärung“ der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz in Deutschland, sind sie ohne gesetzliche Grundlage. Allein die öffentliche Hand, also Museen und öffentliche Institutionen, haben sich diesen Regeln unterworfen. Den einzelnen Bürger und sein Eigentum verpflichten sie nicht.
In der Praxis sind die meisten Sammler und Händler mit diesen weitreichenden moralischen und rechtlichen Fragestellungen überfordert. Erfahrene Kunsthändler und Auktionatoren können in diesen Fällen Hilfestellung geben. Dies zwar nicht als Rechtsanwalt, aber aufgrund ihres Erfahrungsschatzes als eine Art Mediator, der versucht, zwischen den beteiligten Parteien eine vermittelnde Lösung zu finden. Am guten Willen der Beteiligten fehlt es in aller Regel nicht, jedoch müssen die gefundenen Wege – soweit dies vor der historischen Dimension überhaupt möglich ist – „fair und gerecht“ für beide Seiten sein. Dies verlangt wiederum eine Klarheit der Verfahren und Regeln, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht gegeben ist.

Vor diesem Hintergrund war die Zeit reif für die Tagung „Fair und gerecht? Restitution und Provenienz im Kunstmarkt. Praxis. Probleme. Perspektiven“, die die Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandel am 14. Oktober 2019 in den Räumen von Karl & Faber in München unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kunst Bernd Sibler MdL veranstaltete. Zum ersten Mal in Deutschland wurde das historisch und juristisch komplexe Thema primär aus Sicht der Marktakteure beleuchtet.

Die Keynote „Recht, Gerechtigkeit, Frieden“ hielt Professor Dr. Michael Wolffsohn, vielfach ausgezeichneter Historiker, Buchautor und Publizist im Bereich Zeitgeschichte. Sie können sie in unserem Journal nachlesen. Renommierte Forscher wie Dr. Uwe Hartmann, Leiter des Fachbereichs Provenienzforschung beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg, prominente Juristen wie Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, Vorsitzender der Beratenden Kommission (früher sogenannte Limbach-Kommission) und ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, und der Berliner Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter Raue konnten neben führenden Rechtsanwälten und Kunstmarktakteuren zu Referaten und Beiträgen gewonnen werden.

Dr. Rupert Keim

 

Eine Publikation, die die kompletten Inhalte der Tagung wiedergibt können Sie hier kostenfrei herunterladen.

Und im Buchhandel als Hardcover, hier, zum Preis von 44,90€ erworben werden.

Publikation
ISBN 978-3-98501-009-7 (PDF)
ISBN 978-3-98501-010-3 (Hardcover)