Provenienz enthüllt: Allgemeine Einführung

Unter dem Titel „Provenienz enthüllt“ stellen wir in einer spannenden Beitragsreihe den Umgang mit der Provenienzrecherche in der täglichen Praxis vor. In den kommenden Wochen erfahren Sie hier über Aktuelles, Fallbeispiele und ihre Hintergründe.

Seit langem gehört die Provenienzrecherche zu einem wesentlichen Aufgabenbereich eines seriös arbeitenden Auktionshauses. Wurde sie früher insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Prüfung der Echtheit eines Kunstwerkes durchgeführt, so trat in den letzten Jahren der Aspekt der Prüfung eines etwaigen verfolgungsbedingten Vermögensentzugs zwischen 1933 – 1945 in den Vordergrund. Liegt dieser vor, handelt es sich um sog. „Raubkunst”. Daneben ist gut belegte Provenienz, insbesondere wenn das Kunstwerk Bestandteil alter und bedeutender Sammlungen bekannter Persönlichkeiten war, ein wertbildender Faktor.

Aus diesem Grunde ist die Erforschung der Provenienz für alle Beteiligten sehr zu begrüßen. Eine klar aufgearbeitete Provenienz kann beim Käufer das Risiko, eine Fälschung zu erwerben, eliminieren. Wurde aufgrund der Recherche ein Raubkunstfall aufgedeckt und über das Objekt eine gütliche Einigung zwischen dem heutigen Besitzer/ Eigentümer und den geschädigten Alteigentümern bzw. deren Erben herbeigeführt, ist das Kunstwerk „befriedet”und kann reinen Gewissens weiter im Kunsthandel zirkulieren, was dem Käufer und dem Verkäufer gleichermaßen zu Gute kommt. Und schließlich profitieren beide davon, dass sich in der Regel der Wert eines Kunstwerks mit klarer Provenienz erhöht, materiell wie immateriell.

Soweit die Theorie: In der Praxis hingegen stellt sich die Situation häufig anders dar. Nur in Ausnahmefällen liegen konkrete Nachweise vor, die eine – im Idealfall sogar lückenlose – Provenienz bis zur Entstehung eines Kunstwerkes belegen können. Wie bei einem Mosaik werden aus Angaben in Ausstellungskatalogen, Werkverzeichnissen, Sekundarliteratur etc. Provenienzen zusammengeführt und enthüllt. Originalrechnung, Dokumente zu den Kunstwerken  und ähnliches gibt es nur in Ausnahmefällen.

Problematisch ist oft die eindeutige Bestimmung eines Kunstwerks. Häufig gibt es nur unbestimmte Hinweise auf Werke in Listen, anderen Archivmaterialien oder alten Rechnungen. Ein Beispiel ist eine Notiz „Liebermann, Strandszene” auf einer Inventar- oder Beschlagnahmeliste. Liebermann hat Dutzende Gemälde geschaffen, die zu einer solchen Beschreibung passen würden. Es bedarf hier also genauer Angaben, um ein Kunstwerk eindeutig zu identifizieren: Zum Beispiel Abbildungen, genaue Maße oder exakte Beschreibungen. Auch Titel eines Kunstwerks können sich über Jahre immer wieder ändern. Oder sogar die Urheberschaft bei unsignierten Altmeistergemälden.

Solides Arbeiten an der Provenienz verlangt damit auch solide Recherchewerkzeuge

Ein solches stellt die Lost-Art-Datenbank der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste dar. Je besser inhaltlich und strukturell eine solche Datenbank gepflegt ist, um so präziser kann Provenienzforschung betrieben werden. Leider zeigt diese Datenbank immer wieder Mängel auf, die den Kunsthandel und Sammler ggf. unnötig belasten.

Das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof in Karlsruhe, hat sich in seinem sehr interessanten Urteil vom 21. Juli 2023 zu den Anforderungen an Eintragungen in das Lost Art-Register geäußert. Mit der Auswirkung dieses Urteils werden wir uns in einem der nächsten Beiträge in unserer Reihe eingehend befassen: Welche Anforderungen stellt das Gericht an diese Eintragungen und was bedeutet das für das Lost Art-Register?

Dr. Rupert Keim