Curated Selection by Fiona Dinkelbach

Die erste Ausgabe unserer Reihe “Curated Selection” wird von Fiona Dinkelbach, Kunsthistorikerin, Fotografin und Redakteurin des Online-Magazins TDR, kuratiert.

Sie schloss ihr Studium der Kunstwissenschaft, Ästhetik und Medienwissenschaft an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig mit dem Master of Arts ab. Wie in ihrem Magazin hat die Sammlerin von Objekten bei ihrer Auswahl einen besonderen Schwerpunkt auf Formen, Oberflächen und Strukturen gelegt. Zu den sorgfältig ausgewählten Positionen zählen jüngere wie etablierte Künstler, deutsche wie internationale Namen, darunter Gerhard Richter, Richard Serra, Eduardo Chillida, David Lynch und Franco Viola.

Zu Fiona Dinkelbach’s Beitrag

RICHARD SERRA / Path and Edges
Richard Serra gehört für mich zurecht zu einem der bedeutensten zeitgenössischen Bildhauern. Seine großformatigen Metallskulpturen zeichnen sich durch die Ambivalenz von Schwere und Leichtigkeit aus – tonnenschwerer Stahl wird in seinem Schaffen zu optisch leichtem Minimalismus. Dabei stehen besonders organisch-geformte Objekte im Fokus seiner Arbeit. Doch widmet sich Serra auch der Malerei und Druckgrafik, welche im direkten Dialog mit seinen großformatigen Skulpturen stehen. Die Radierung Path and Edges zeigt gebogene Linien, die sofort an Serras Torqued Ellipses Skulpturen denken lassen.

FRANCO VIOLA / Memorie II
Monochrome Farbigkeit und abstrakte Formen – für mich gibt es kaum eine bessere Kombination für ein dekoratives Kunstwerk. Doch steckt in der Arbeit Memorie II von Franco Viola viel mehr: sein Hintergrund liegt in der Landschaftsmalerei und in der Auseinandersetzung mit der Natur. Motive, die von der Romantik sowie von persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Erinnerungen geprägt sind. Auch wenn wir hier keine exakte Abbildung der Natur sehen, vermittelt der Titel der „Erinnerung“ einen melancholischen Moment und schlägt so für mich den Bogen zu Violas grafischen Landschaftsarbeiten.

EDUARDO CHILLIDA / Lurra G-12
Als Sammlerin von Objekten ist mir sofort die Arbeit Lurra-G-12 von Eduardo Chillida aufgefallen. Sie gehört zu meinen Highlights der Auktion. Neben seinen raumumgreifenden Skulpturen fertigte Chillida immer mal wieder Kleinplastiken aus Holz, Granit, Alabaster und Eisen an. 1973 begann er, den feuerfesten Schamotten-Ton zu nutzen, der insbesondere die Lurra-Reihe prägt: quaderförmige Objekte, die durch Kerbungen und Schnitte durchzeichnet sind. Puristisch und simpel, jedoch auch dekorativ.

JOAN MIRÓ / Ohne Titel (Personnages)
Auch wenn meine Leidenschaft in der zeitgenössischen Kunst liegt, gehört Joan Miró, als Vertreter der klassischen Moderne, zu meinen Favoriten der Strömung. Meinen ersten Berührungspunkt mit Miró hatte ich, nachdem ich André Bretons surrealistschen Roman Nadja (1928) gelesen hatte. Ein Werk, das für mich damals wie eine persönliche Einführung in den Surrealismus fungierte und Beweggrund zur weiteren Auseinandersetzung mit der Moderne, dem Dadaismus und auch mit Joan Miró war. Die Radierung Ohne Titel (Personnages) zeigt figurative Formen, die für mich für den Inbegriff seines Schaffens stehen – rätselhaft, abstrakt und unverwechselbar.

ADOLF LUTHER / Ensemble von zwei konkaven Rundspiegeln
Künstlerische Positionen, die einen interdisziplinären Hintergrund haben, finde ich besonders spannend. So gehört das zweiteilige Objekt Ensemble von zwei konkaven Rundspiegeln (1968 und 1969) zu meinen Favoriten, eine Arbeit von Adolf Luther. Luther, der ebenso promovierter Jurist und Richter war, widmete sich in seiner Arbeit der Lichtkunst. Sein Ansatz: Licht durch Installationen sichtbar und erfahrbar zu machen. Ensemble von zwei konkaven Rundspiegeln, schafft dies – je nach Ausrichtung – durch Spiegelungen und Reflexionen.

LUCIO FONTANA / Ohne Titel (Concetto Spaziale)
Die berühmten Papiereinschnitte von Lucio Fontana’s Concetto Spaziale Attese-Serie begegneten mir zum ersten Mal auf der Art Basel in Miami. Seit jeher fasziniert mich die Wechselwirkung zwischen Zerstörung und Illusion in Fontanas Werk. Die Aufhebung der traditionellen Zweidimensionalität der Leinwand steht im Fokus seiner Papierarbeiten. Ohne Titel (Concetto spaziale) (1964/65) geht für mich sogar noch einen Schritt weiter. Die Papiereinschnitte wirken hier vielmehr wie eine Perforation, die – durch ihre geometrische Anordnung – eine ganz neue Ebene bilden.

GERHARD RICHTER / Ohne Titel
Die abstrakte Komposition Ohne Titel (1989) von Gerhard Richter ist definitiv ein Highlight. Richters monochrome Rakel-Arbeiten gehören zu meinen Favoriten seines Œuvres – sie bilden einen Kontrast zu seinem so prominenten figurativen Werk. Besonders die „Zufälligkeit“, die durch das Abziehen des Werkzeugs über die Ölfarbe entsteht, macht Ohne Titel (1989) zu einem Glanzstück der Auktion.

DAVID LYNCH / Box for Monkeys
Die surrealen Bildwelten David Lynchs begleiten mich nun schon seit über 15 Jahren. Seine Arbeiten, besonders sein filmisches Schaffen, faszinierten mich so stark, dass ich mich in meiner Masterarbeit der albtraumhaften Umkehrung des „American Dream“ in Blue Velvet (1986) und Twin Peaks (1990-1991) widmete. Box for Monkeys (1988) visualisiert für mich perfekt das Moment des „Unheimlichen“ (nach Freud), einem von Lynch oft genutztem Stilmittel seines filmischen Œuvres. Er lässt Raum zur Interpretation und nutzt auch hier das „Unsichtbare“ (lediglich das Abbild einer Box, gedanklich jedoch für einen Affen intendiert) als Motiv der unheimlichen Suspense.

GIANPIETRO CARLESSO / Deconstruzione XII
Als ich die Marmor-Skulptur von Gianpietro Carlesso im Auktionskatalog entdeckte, fühlte ich mich sofort in meinen San Francisco Aufenthalt im letzten Jahr zurückversetzt – Deconstruzione XII scheint wie eine Miniatur der Vaillancourt Fountain von Armand Vaillancourt zu sein, ein Brunnen am Embarcadero Plaza in Downtown San Francisco. Zugleich einer meiner liebsten Plätze der Stadt. Die dreidimensionale Skulptur Carlessos besticht (so wie auch der Brunnen) besonders durch seine dekonstruktive Form und die raue Oberfläche – der Wechsel zwischen ebenmäßig geschliffenen und rauem, unverändertem rotem Marmor gibt der Struktur einen ästhetischen Spannungszustand.

GÜNTHER FÖRG / Ohne Titel (Stele)
An Günther Förgs Arbeiten schätze ich ganz besonders seine Beschäftigung  mit der Architektur des 20. Jahrhunderts, welche ganz deutlich seine Schwarzweiß-Fotografien prägten. Organische sowie geometrische Formen der modernen Architektur (z.B. Bauhaus in Tel Aviv) standen bei Förgs fotografischem Werk im Fokus. Sein breitgefächertes Schaffen umfasst neben Architekturfotografie, Malerei, Zeichung und Druckgrafik auch Plastiken. Seine Skulpturarbeiten sind für mich Abbildungen einer zeitgenössischen Auseinandersetzung mit Raum, Konstruktion und Gegenstand.