Ernst Ludwig Kirchner

“Kopf Wehrlin” (Head Wehrlin)

Details

Verso auf dem Keilrahmen nur schwach leserliches typografisches Etikett “Leihgabe (…) von Frau L. Schiefler”.

Gordon 829.
Das Werk ist im Ernst Ludwig Kirchner Archiv in Wichtrach/Bern verzeichnet und eine Echtheitsbestätigung verfügbar.

Literatur:
Gustav Schiefler. Meine Graphiksammlung, hrsg. von Gerhard Schack, Hamburg 1974, Kat.-Nr. 184, mit farb. Abb.;
Delfs, Hans, von Lüttichau, Mario-Andreas und Scotti, Roland, Kirchner, Schmidt-Rottluff, Nolde, Nay … Briefe an den Sammler und Mäzen Carl Hagemann, Ostfildern-Ruit 2004, S. 171, Brief Nr. 240, o. Abb. (Postkarte mit dem Gemälde als Foto auf der Bildseite);
Delfs, Hans (Hrsg.), Ernst Ludwig Kirchner – Der Gesamte Briefwechsel “Die absolute Wahrheit, so wie ich sie fühle”, Zürich 2010, Briefe Nr. 1932, 1937, 1940, 1947, 1948, 1955, 1962, 1974, 2454, o. Abb.;
Gnägi, Mandy, Der Maler als Fotograf. Ernst Ludwig Kirchners Porträtfotografien, Petersberg 2011, mit s/w Abb. 44, S. 73.

Ausstellung:
Kunst der letzten 30 Jahre aus Hamburger Privatbesitz, Kunstverein Hamburg, 1930, Kat.-Nr. 99, mit s/w Abb. S. 13;
E. L. Kirchner. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und Druckgraphik, Kunstverein Frankfurt/Main/Kunstverein Hamburg 1969/70, Kat.-Nr. 57, mit s/w Abb. 65;
Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern, Tefaf Maastricht 2017 (außer Kat.).

Provenienz:
Gustav Schiefler, Hamburg 1928;
Carl Gustav Schiefler, Hamburg 1935;
Familienbesitz Schiefler;
Galerie Henze & Ketterer, Wichtrach/Bern 2015.

Descrizione

• Besonders farbintensive und expressionistisch ausformulierte Komposition aus der Davoser Zeit
• Porträt des jungen Malers Robert Wehrlin, dessen Gesicht hier Züge Kirchners erahnen lässt
• Geschenk des Künstlers mit persönlicher Widmung an Gustav Schiefler, seinen Freund, Förderer und bedeutenden Sammler des Expressionismus

“Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt. Sie werden erstaunt sein, wenn Sie die Farben sehen. Es ist sehr farbig.” Kirchner an Gustav Schiefler, 19.1.1928

Das Gemälde “Kopf Wehrlin” ist eine expressionistische Wucht! Es wirkt in seiner gesamten Üppigkeit zunächst überwältigend und wirft zahlreiche Fragen auf: Wie passt das Porträt des etwas schüchtern blickenden jungen Mannes zu der überbordenden blau-violett-roten Farbenpracht? Was bedeuten die nackten Gestalten im Hintergrund oder die handschriftliche Widmung am unteren Bildrand? Wieso hat ein Kirchner-Gemälde einen so kitschigen goldenen Schnörkelrahmen? Doch bei genauerem Hinsehen ergeben genau diese ungewöhnlichen Kombinationen einen tieferen Sinn und verweisen auf zahlreiche interessante Facetten und Details.

Der in Winterthur geborene Robert Wehrlin (1903-1964), besucht als junger Jurastudent ab 1922 wiederholt seine tuberkulosekranke Mutter in Davos und lernt dort Ernst Ludwig Kirchner kennen. Es entwickelt sich eine freundschaftliche Verbindung zu dem zwanzig Jahre älteren Kirchner, der ihn bestärkt, sich ganz der Malerei zu widmen. Wehrlin gibt sein Jurastudium auf, zieht 1924 nach Paris und wird Student unter anderem bei André Lhote. Anschließend etabliert er sich als freier Künstler in Frankreich, bleibt der Schweiz aber sein Leben lang eng verbunden. Der künstlerische Einfluss Kirchners zeigt sich auch in Robert Wehrlins malerischem Œuvre.

So lebensentscheidend der Einfluss Kirchners auf den jungen Robert Wehrlin war, für Kirchner scheint die Begegnung nicht allzu tiefgreifend gewesen zu sein. Lediglich in seinem Briefwechsel wird er vereinzelt im Zusammenhang mit dem Porträt genannt. Um 1924/25 macht Kirchner zwei Fotos von Robert Wehrlin auf der Veranda seines Wildboden-Hauses und fertig nach deren Vorlage zwei Holzschnitte an (Gercken H 1444 und 1445). Die ausdrucksstärkere Variante mit dem Kopf en face verarbeitet er anschließend zu dem Porträt “Kopf Wehrlin”. Während der Holzschnitt im Hintergrund noch die Fenstersprossen von der fotografischen Vorlage übernimmt, wählt Kirchner für das Gemälde den 1925/26 entworfenen und von Lise Gujer ausgeführten Bildteppich “Figuren, Liegende unten rechts, Paare und Katze” (Kornfeld 10). Die intensive Farbigkeit des Bildteppichs spiegelt sich in dem expressionistisch ausgeführten Porträt mit violetten Konturschatten und gelben Glanzpunkten im Gesicht wider. Kirchner malt das Porträt zu der Zeit, als Robert Wehrlin sich bereits dank seines Zuspruches dazu entschlossen hatte, Künstler zu werden und nach Paris zu gehen. Womöglich sieht Kirchner in dem jungen Mann auch ein wenig sich selbst, wie er Jahre zuvor ebenfalls zunächst das “vernünftige” Architekturstudium wählt, bevor er sich dazu entschließt, Künstler zu werden.

Im Januar 1928 schenkt Kirchner seinem langjährigen Sammler Gustav Schiefler das Porträt zum 70. Geburtstag und hält dies mit der handschriftlichen Widmung “dem ewig jungen Freunde der Kunst” am unteren Bildrand fest. Kirchner kündigt ihm die Zusendung des Gemäldes an und formuliert seine konkreten Wünsche bezüglich der Rahmung: “(…) Ich sende es per Post ohne Rahmen (…). Sie werden leicht einen alten Goldrahmen dafür finden, am besten einen solchen mit reichem Ornament. Goldton, ein grünes gelbes Gold. Das Bild ist dafür componiert durch die Ecken der blauen Hintergrundfläche. Hoffentlich kommt das Bild gut an.” (19.1.1928, Brief 1940). Dazu zeichnet Kirchner eine kleine Skizze des Gemäldes in einem barockisierenden Rahmen. Das mag im Hinblick auf die vielfach beachteten, selbstgestalteten Künstlerrahmen der Expressionisten zunächst überraschen. Doch Kirchner, der sich von den Brücke-Künstlern wohl am intensivsten mit der Frage der Einrahmung auseinandersetzte, sieht in den farbig gefassten Holzleisten lediglich provisorische Ausstellungsrahmen, die vor allem im musealen Kontext durch aufwendige Rahmen ersetzt werden sollten. “Kirchner setzt den barocken Schnörkel nicht um seiner selbst willen, sondern zur Verlängerung des Bildes auf dem Rahmen, dem Mittler zwischen Gemälde und umliegendem Raum.” (Werner Murrer, in: Ausst.-Kat. Unzertrennlich. Rahmen und Bilder der Brücke-Künstler, Brücke-Museum, Berlin u.a. 2019/20, S. 321). Eben diesen Bezug zwischen Motiv, Rahmen und Raum wünscht sich Kirchner auch bei der Rahmung für den “Kopf Wehrlin”, sodass die Ecken der blauen Farbfläche im Hintergrund von den mittleren Zierelementen der Rahmenleisten aufgenommen und erweitert werden. Der heutige Rahmen ist vermutlich nicht der von Schiefler ausgewählte, orientiert sich aber doch sichtbar an Kirchners Wünschen.

Der beschenkte Gustav Schiefler ist äußerst angetan von dem Werk und antwortet dem Künstler: “Lieber Herr Kirchner! Gestern, als wir von Hamburg zurückkamen, fanden wir das von Ihnen geschickte Bild vor. Sie können sich denken, mit welcher Spannung wir es auspackten. Aber die Erwartung wurde noch um ein Beträchtliches übertroffen. Es ist ein ganz herrliches Portrait und ich bin Ihnen für die Gabe von Herzen dankbar. Es ist mir besonders lieb, von Ihnen ein solches figürliches Bild aus Ihrer letzten Zeit zu besitzen. Es ist eine erstaunliche Abgeklärtheit in der Erfassung des Eindrucks der Persönlichkeit darin: die ganze unbekümmerte Sinnhaftigkeit der Jugend und ihr strahlendes Auge. Und dabei die mit diesem Eindruck übereinstimmende scheinbare und bei genauem Hinsehen doch so vertiefte Einfachheit des Vorgangs einer wundervollen Malerei. Es ist tatsächlich ein Kabinettstück, auf das wir sehr stolz sind. Wir wollen nun, sobald wir wieder in der Stadt sind (…), einen Ihrem Vorschlag entsprechenden Rahmen (aussuchen).” Selbst drei Monate später ist Schiefler noch ganz entzückt von dem Porträt und schreibt (23.4.1928, Brief 1974): “Seit meinem letzten Briefe ist nun Ihr neues Bild in seinem Rahmen bei uns eingetroffen, der, so gut es anging, nach Ihrer Zeichnung gemacht ist, und es sieht sehr prächtig darin aus. Wir haben eine ungeheure Freude daran, die sich täglich erneut, und denken dabei Ihrer mit Dankbarkeit.” (31.1.1928, Brief 1947).

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