Lesser Ury

The Stock Exchange and Zirkus Busch, Berlin

Details

Mit einem Gutachten von Dr. Sibylle Groß, Berlin, vom 17.11.2021. Das Gemälde wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde, Pastelle, Gouachen und Aquarelle von Lesser Ury aufgenommen.

Ausstellung:
Wohl Panorama Berlinois, Berlin vu par les Peintres 1750-1950, Exposition organisée par la Ville de Berlin, Galerie Creuze, Paris 1961, Nr. 69 (“Börse”, um 1928, 35 x 50 cm).

Provenienz:
Wohl Nachlass des Künstlers, verso auf der Leinwand möglicherweise nachträglich übertragenes rundes Nachlass-Etikett, darauf handschriftlich in Blau “76” (der sonst übliche Stempel nicht mehr lesbar);
Sammlung Professor Ernst Grumach, Berlin (?);
Sammlung Heinrich Grünewald, Zürich (?), spätestens seit den 1960er Jahren;
Kunstsammlung Dresdner Bank AG, Frankfurt/Main, ab 2009 Commerzbank AG, verso auf dem Rahmen mit dem Etikett;
Privatsammlung, Baden-Württemberg.

Description

Das Gemälde wird von dem imposanten Gebäude der Berliner Börse auf der rechten Bildseite dominiert, das Friedrich Hitzig am Spreeufer erbaut und 1863 fertiggestellt hatte. Die charakteristische rotbraune Fassade mit zahlreichen Säulen und den großen Figuren am Dachfirst zieht durch die starke perspektivische Darstellung den Blick des Betrachters in die Bildmitte hinein und von dort weiter über die flachen Bögen der Friedrichsbrücke an den linken Bildrand. Hier zeichnet sich vor dem hellen, leicht bewölkten Himmel die dunkle Dachkuppel des weltberühmten Zirkus Busch ab. Der prächtige Rundbau war dessen festes Hauptquartier und befand sich auf dem dreieckigen Grundstück zwischen Stadtbahn, Spree und Burgstraße. 1937 wurde er im Zuge der nationalsozialistischen Städteplanung abgerissen, heute ist hier der James-Simon-Park angelegt. Die Börse wurde am Ende des Zweiten Weltkrieges fast vollständig zerstört und die Ruine in den 1950er Jahren endgültig abgerissen. Diese wunderbar dynamische Stadtansicht ist somit ein wichtiges städtebauliches Zeugnis des historischen Berlins.

Frau Dr. Sibylle Groß schreibt in ihrem Gutachten von November 2021:
“Das Gemälde zeigt auf der rückseitigen Leinwand das Nachlass-Etikett mit der Inventar-Nummer 76. Das Inventar des künstlerischen Nachlasses von Lesser Ury, erstellt am 21.11.1931 von Dr. Karl Schwarz, dem damaligen Leiter der Kunstsammlungen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, nennt unter Nummer 76 ein Pastell mit dem Bildtitel ‚Ansicht vom Gootlieb (Gottlieb) (Friedrichroda)‘ (…). Dieses Pastell wurde im Herbst 1932 auf der Nachlassauktion bei der Galerie Paul Cassirer zum Verkauf angeboten.
Der Zustand des rückseitigen Nachlass-Etiketts sowie die unter UV-Licht sichtbaren Leimspuren um seine Kontur legen nahe, dass es zu einem unbekannten Zeitpunkt von einem anderen Objekt abgelöst und hierher übertragen wurde.
Die Komposition, die den Blick auf die Berliner Börse in einer Schrägansicht wiedergibt, findet sich im Œuvre Lesser Urys zumindest zweimal. Er verwandte sie für zwei Gemälde gleichen Formats, die zeitlich unmittelbar hintereinander im Jahre 1927 entstanden sein dürften. Vom zweiten Gemälde liegen bislang lediglich s/w Abbildungen vor; der Verbleib ist derzeit nicht bekannt. (…) Das vorliegende Gemälde zeigt neben der Börse das Gebäude des Circus Busch, das zweite nicht. (…)
Am linken Bildrand des vorliegenden Gemäldes erhebt sich jenseits der Friedrichsbrücke das Runddach mit kleinem Turmaufsatz des 1895 eröffneten Stammhauses Circus Busch an der Kleinen Präsidentenstraße nahe des Bahnhofs Börse (heute S-Bahnhof Hackescher Markt). 1937 musste der Zirkusbau für das vom Architekten Albert Speer geplante neue Stadtzentrum der Reichshauptstadt weichen.
Beim vorliegenden Gemälde könnte es sich um das Bild handeln, welches 1961 in Paris in einer Ausstellung zu sehen war. Diese Arbeit gehörte damals Heinrich Grünewald (1895-1982), in dessen Zürcher Kunstsammlung sich eine Anzahl von Arbeiten Lesser Urys befand. In einem seiner Briefe an den Kunsthistoriker Dr. Konrad Kaiser schreibt er im November 1962: ‚Ich habe der Berliner Bank als Leihgabe die ‚Berliner Börse‘ Vordergrund Spree, Hintergrund Zirkus Busch, eine schöne, typische Lesser Uri Arbeit zur Verfügung gestellt. Das Bild kam über Paris, wo es ausgestellt war, und zuletzt im Ausstellungskatalog von 1960 der Pariser ‚Berlinausstellung‘ erwähnt ist. Heinrich Grünewald hatte das Gemälde von einem Professor Grumach erworben. In einer von Konrad Kaiser Anfang der 1960er Jahre verfassten Liste der ‚Lesser-Ury-Werke im Besitze von Herrn Heinrich Grünewald, Zürich‘ wird das Gemälde unter Nr. 11 mit der Provenienzangabe ‚Prof. Grumach, Berlin‘ aufgeführt. Wahrscheinlich handelte es sich um den Altphilologen und Literaturwissenschaftler Ernst Grumach (1902-1967), der seit 1937 als Dozent an der Hochschule für Wissenschaft des Judentums in Berlin lehrte und 1949 an die Humboldt-Universität zu Berlin berufen wurde.
Ob das Gemälde aus der Sammlung Heinrich Grünewalds de facto stammt, lässt sich nicht mehr mit letzter Gewissheit feststellen”.

* All results incl. buyer’s premium (27%) without VAT. No guarantee, subject to error.
** All post-auction prices excl. buyer's premium and VAT. No guarantee, subject to error.
*** Conditional Sale: The bid was accepted below the limit. Acquisition of the work may still be possible in our post-auction sale.
R = regular taxation
N = differential taxation on works of art which originate from a country outside of the EU
The private or commercial use of images shown on this Website, in particular through duplication or dissemination, is not permitted. All rights reserved.