Gustave Moreau

La douleur d’Orphée

Details

Mathieu 354 (1976); Mathieu 392 (1998).

Literatur:
Mathieu, Pierre-Louis, Gustave Moreau, Paris 1994, mit farb. Abb. S. 224.

Ausstellung:
Idéalistes et Symbolistes, Galerie J. C. Gaubert, Paris 1973, Kat.-Nr. 57, mit s/w Abb.;
Gustave Moreau. Symboliste, Kunsthaus, Zürich 1986, Kat.-Nr. 101, mit s/w Abb. S. 228, verso auf der Rahmenrückpappe mit dem Etikett;
The Poet & The Siren, A collection of works by Gustave Moreau – ARMAN The Day After, Helly Nahmad Gallery, New York 2008;
Collection David et Ezra Nahmad: Impressionisme et audaces du XIXème siècle, Musée Paul Valéry, Sète 2013, Kat.-Nr. 58, S. 220, Abb. S. 58 und 221;
Les Fleurs du Mal, Nahmad Contemporary, New York 2016.

Provenienz:
Galerie Allard et Noël, Paris;
Sammlung Charles Mourier, Paris;
Drouot, Paris 10.3.1969, Los 7;
Sammlung Nourhan Manoukian, Paris;
Succession Nourhan Manoukian, Claude Boisgirard/Drouot Montaigne, Paris 17.12.1993, Los 36;
Privatsammlung, Monaco;
Privatsammlung, Schweiz.

Description

Gustave Moreau erzählt von Orpheus, jenem tragischen Helden der griechischen Mythologie, der mit seinem wunderlichen Gesang die ganze damalige Welt verzauberte, der den Tod seiner Frau, der Nymphe Eurydike, nicht akzeptieren konnte und in die Unterwelt hinabstieg, um Hades zu bitten, ihm seine Frau zurückzugeben. Bekanntlich wurde ihm diese Bitte unter der Bedingung gewährt, dass er beim Aufstieg in die Oberwelt vorangehe und sich nicht nach Eurydike umschaue – doch alles vergebens, die Sehnsucht war zu groß, und als Orpheus sich umsah, verschwand sie wieder in der Unterwelt.
Auf unserem Aquarell steht der Dichter mit Heiligenschein – gleichsam als christlicher Märtyrer – über dem Leichnam seiner geliebten Frau und betrauert ihren Tod, den Mund klagend weit geöffnet. Eurydikes lang gestreckter, in fließende Gewänder gehüllter Körper liegt ihm zu Füßen, in einer unruhig aufgeladenen Landschaft mit einem von Hügeln gesäumten See, der von einem mächtigen Baum nahezu verstellt wird. Neben Eurydike liegt ein toter Schwan, während ein anderer Schwan zu dem Baum emporfliegt – trauert auch er oder trägt er ihre Seele davon? Der schneeweiße, reine Schwan gilt seit jeher als Symbol für Treue und für die Sehnsucht nach harmonischer Zweisamkeit – nicht zuletzt wird Schwänen lebenslange Treue zum Partner nachgesagt.
Den unsäglichen Schmerz über den Verlust dieser Bindung für die Ewigkeit trägt der Dichter in die Landschaft, die in der erdigen, von Blau-, Grün- und Rottönen durchtränkten Farbigkeit dessen Seelenqual spiegelt – eine seltsam aufgewühlte und zugleich mystische Atmosphäre durchzieht das Bild. Die Klage des Dichters und sein Schmerz strahlen in die Umgebung, die antinaturalistische Landschaft nimmt das Drama seiner Trauer auf und schafft so eine eigene Wirklichkeit, gleichsam als Ausdruck der inneren Vision des Künstlers: “Die Seele ist nun allein, sie hat alles verloren, was ihr Glanz, ihre Kraft und ihre Sanftheit war. Sie weint über sich selbst in ihrer untröstlichen Einsamkeit. Sie stöhnt und ihre dumpfe, glanzlose Klage ist das einzige menschliche Geräusch in dieser nächtlichen Einsamkeit”, notierte Moreau 1897 über sein kurz zuvor entstandenes Gemälde “Orpheus am Grabmal der Eurydike” – auch in unserem Aquarell ist die lautlose Klage des Dichters das einzige Geräusch.
Für Moreau und die Symbolisten des späten 19. Jahrhunderts war Orpheus mehr als nur eine mythische Figur; in seiner Gestalt fanden sie künstlerische Inspiration und Kreativität, denn er verkörperte für sie den Dichter, Märtyrer, Priester und Magier. In der Klage des Orpheus ergründete Moreau die Tiefen der emotionalen Essenz des Mythos, der ihn schon zuvor beschäftigt hatte: Auf dem Salon 1866 in Paris hatte er eines seiner berühmtesten Gemälde zu diesem Thema ausgestellt (heute im Musée d’Orsay, Paris), von dem es mehrere Versionen gibt. Diese Komposition, auf der eine thrakische Jungfrau den Kopf des Orpheus wie Salome das Haupt Johannes des Täufers präsentiert, wurde schnell zum Manifest des “decadentisme” von Moreau und regte die Phantasie einer ganzen Generation von symbolistischen Künstlern an. Unser Aquarell ist etwa zwanzig Jahre später entstanden – die gleiche Landschaft auf Moreaus 1887 datiertem Aquarell “Le soir” (heute im Clemens Sels Museum, Neuss) lässt eine Entstehung zur selben Zeit annehmen. Die neuerliche Wahl des Orpheusthemas dürfte durch den Tod der eigenen Mutter 1884 angeregt sein, der Moreau sehr nahe stand. So verkörpert der “Schmerz des Orpheus” Moreaus eigene Begegnung mit Tod und Einsamkeit.
Dr. Peter Prange

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