Franz Pforr

Figure studies after Fra Angelico’s frescoes in the Niccoline Chapel

Details

Provenienz:
Privatbesitz, Schweiz.

Description

Das kleine Blatt trägt oben links die Bezeichnung “Capella Fiesole in Vaticano”, die auf den Ort seiner Entstehung in der “Cappella Niccolina” verweist – jener Privatkapelle, die Papst Nikolaus V. (1447-1455) im Apostolischen Palast des Vatikans hatte errichten lassen. In den Jahren 1447 bis 1451 war sie durch den Dominikanermönch Fra Angelico, der seinen Zeitgenossen als Fra Giovanni da Fiesole bekannt war, mit Episoden aus dem Leben der beiden Heiligen Stephanus und Laurentius geschmückt worden. Die prächtigen Fresken gehören zu den Hauptwerken der italienischen Malerei des Quattrocentos und Fra Angelicos, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts hoch angesehen war.
Aus dieser Zeit stammt das vorliegende Blatt, auf dem der Zeichner verschiedene Figuren aus Fra Angelicos Fresko der Verurteilung des hl. Laurentius durch Kaiser Valerian mit dem anschließenden Martyrium des Heiligen an der Ostwand der Kapelle kopiert hat. Als reine Umrisszeichnung in Bleistift angelegt, begann der Zeichner mit der Figur des Jünglings, der in der Mitte des Freskos an der Grenze zwischen beiden Szenen steht. In einen prächtigen Mantel gehüllt – Farbnotizen auf dem Blatt rufen die feierliche Farbigkeit des Freskos in Erinnerung –, hat er die Hände locker gefaltet und blickt wie abwesend etwas nach rechts oben – wie, um sich von dem schrecklichen Urteil abzuwenden, doch im Augenwinkel vielleicht bereits das Martyrium gewahr werdend. Mit feinen, präzis gezogenen Linien geht der Zeichner dem Gesicht und den Falten des Mantels nach, dessen Stofflichkeit er in die Fläche übersetzt. Daneben stehen noch drei Figuren aus der links des Kaisers postierten Gruppe, von der den Zeichner vor allem die Rückenfigur interessierte, dessen kunstvolle Frisur und ornamentale Kragenstickerei er genau notierte.
Zeichner des Blattes ist der aus Frankfurt stammende Franz Pforr, der zusammen mit Friedrich Overbeck, Franz Hottinger und Ludwig Vogel 1809 an der Akademie in Wien in Opposition zur Institution den Lukasbund gegründet hatte und zusammen mit den Freunden 1810 nach Rom zog, wo sie schnell als Nazarener bekannt wurden. Sie beanspruchten eine neue Kunst, eine Rückbesinnung auf die religiöse Kunst der Alten Meister, namentlich auf die Maler des italienischen Quattrocentos und der Dürerzeit. Ihre Vereinigung, wie sie Pforr und Overbeck in ihren Freundschaftsbildern “Sulamith und Maria” sowie “Italia und Germania” exemplarisch vorgetragen haben, stand im Dienst der Religion – darin sahen die Nazarener die Aufgabe der Kunst. Für ihre religiös geprägte Malerei spielte das Vorbild Fra Angelicos eine besondere Rolle, an dessen Werk man die Vielfalt seiner Figuren bewunderte, die “in so mannichfaltigen Stellungen, und mit so verschiedenem Ausdruck der Köpfe” präsentiert wurden, “daß man unglaubliche Freude und Süßigkeit bei ihrem Anblick empfindet” (August Wilhelm Schlegel: Kritische Schriften, Bd. 2, Berlin 1828, S. 379). Diese Verbindung von Anmut und Frömmigkeit in den Figuren Fra Angelicos, in denen sich gleichsam Innen und Außen spiegelt, war für das Kunstverständnis der Nazarener essentiell – diese ausdrucksvolle Beseeltheit lässt auch der jugendliche Mantelträger erkennen, der zudem an den römischen Knaben Xaverio denken lässt, der Pforr und seinen Malerkollegen wiederholt als Aktmodell diente.
Pforrs bekannteste Darstellung des Knaben in Schweinfurt stammt aus dem Nachlass Ludwig Vogels – und auch unser Blatt befand sich wahrscheinlich ehemals in seinem Besitz. Auf der Rückseite befinden sich noch Reste eines blauen Untersatzpapiers, das der Farbe jener Bögen entspricht, auf die Vogel seine eigenen Zeichnungen und die von Freunden wie Pforr geklebt hat – heute sind die meisten Blätter abgelöst, weshalb der Zusammenhang nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist. Vogel besaß nach Pforrs frühem Tod 1812 und seiner Rückkehr nach Zürich 1813 mehr als 150 Zeichnungen aus dessen Nachlass (vgl. Heinrich Thommen: Im Schatten des Freundes. Arbeitsmaterialien von Franz Pforr im Nachlass Ludwig Vogels, Basel 2010), aus dem auch unser Blatt stammen dürfte. – Leicht nachgedunkelt und schwach lichtrandig, vereinzelt mit braunen Fleckchen. Verso mit Resten ehemaliger Montierung, ansonsten in guter Erhaltung.
Peter Prange
Mit Gutachten von Dr. Heinrich Thommen, Gelterkinden, vom 16.3.2022.
Wir danken Dr. Heinrich Thommen für die Bestätigung der Authentizität und freundliche Hinweise zur Katalogisierung dieses Werks.

* All results incl. buyer’s premium (27%) without VAT. No guarantee, subject to error.
** All post-auction prices excl. buyer's premium and VAT. No guarantee, subject to error.
*** Conditional Sale: The bid was accepted below the limit. Acquisition of the work may still be possible in our post-auction sale.
R = regular taxation
N = differential taxation on works of art which originate from a country outside of the EU
The private or commercial use of images shown on this Website, in particular through duplication or dissemination, is not permitted. All rights reserved.