Thomas de Keyser (zugeschrieben)

Portrait of a young man in a white ruff

Details

Literatur:
Ausst.-Kat. “Tentoonstelling van 16de en 17de eeuwsche Hollandsche, Vlaamsche en Italiaansche schilderijen uit de collectie der Fa. D. Katz te Dieren”, Stedelijk van Abbe-Museum, Eindhoven, 22.12.1936-31.1.1937, Kat.-Nr. 33 (als Thomas de Keyser), S. 14;
P. J. Johannes van Thiel, Werner Jacobsz. van den Valckert, in: Oud Holland 97, 1983, S. 128-95 (als Thomas de Keyser).

Provenienz:
Galerie van Diemen, Berlin, 1928 (als Thomas de Keyser);
Sammlung Richard Semmel, Berlin, 1928–1933;
Frederik Muller, Amsterdam, Auktion “Tableaux Anciens provenant de Diverses Collections Privées”, 21.11.1933, Los 28 (als Thomas de Keyser);
Galerie D. Katz, Dieren, 1934–1937 (als Thomas de Keyser);
Van Marle en Bignell, Den Haag, Auktion “Mevr. Douaière I. L. Alewijn-van Limburg Stirum e.a.”, 28.2.1939, Los 17 (mit Abb., als Thomas de Keyser);
Kunsthandel Esher Surrey, Den Haag, 1940 (als Thomas de Keyser);
“Sonderauftrag Linz”, 2.10.1940 (Linz-Nr. 1339, als Thomas de Keyser);
Central Collecting Point München (Inv.-Nr. MÜ 4036), 13.7.1945;
Restitution an die Niederlande, 29.4.1946;
Stichting Nederlands Kunstbezit, Den Haag (Inv.-Nr. NK 2693, bis 1983 als Werner van den Valckert, dann wieder als Thomas de Keyser);
Rijksdienst Beeldende Kunst, Den Haag (Inv. NK 2693);
2009 auf Grundlage des Dossiers 1.75 der Restitutiecommissie, Den Haag, an die rechtmäßigen Erben von Richard Semmel restituiert;
Bassenge, Berlin, Auktion 97, 27.5.2011, Los 6015 (als Amsterdam, um 1620);
Privatsammlung, Deutschland, in obiger Auktion erworben.

Description

Dieses Bildnis zieht einen erst einmal in Bann. Es zeigt einen jungen Mann in Halbfigur und Dreiviertelansicht, der mit einer Drehung seines Kopfes den Blick direkt auf den Betrachter richtet. Seine großen Augen blicken forschend auf das Gegenüber, die leicht geöffneten Lippen suggerieren eine unmittelbare Ansprache. Die Figur im dunklen, kostbaren Gewand hebt sich kaum vom neutralen Hintergrund ab, wäre da nicht die tellergroße, voluminöse  Halskrause in strahlendem Weiß, die in lockerer Fältelung das Gesicht einrahmt. Große Aufmerksamkeit schenkt der Maler den Nuancen der menschlichen Haut. Lippen und Wangen setzen kräftige Farbakzente, über der Oberlippe schimmert dunkel ein zarter Bartflaum, bereits deutlich zu erkennen ist eine ausgeprägte Nasolabialfalte. Durch das von links oben einfallende Licht wird der markante Kopf mit den kräftigen Gesichtszügen und dem eindringlichen Blick weich modelliert und zu einem prägnanten Charakter geformt. Ebenso viel Aufmerksamkeit wie dem Gesicht widmet der Künstler den kräftigen Händen des Porträtierten. Die rechte Hand greift, nachvollziehbar, in den voluminösen Stoff des Mantels. Zum Blickpunkt aber wird die linke Hand, die unvermittelt aus dem Dunkel aufleuchtet. Ins Auge springt sofort die souveräne, perspektivisch verkürzte Wiedergabe des Daumens sowie – als kurzes irritierendes Moment – , dass hier nur ein Teil der Hand zu sehen ist, der linke Zeige- und Mittelfinger. Werden die übrigen Finger vielleicht vom Manteltuch verdeckt, das zwischen Mittel- und Ringfinger eingeklemmt zu sein scheint, wohl in der Absicht den Mantel enger um den Leib zu ziehen? Oder gibt es einen anderen Grund hierfür? Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass der gekrümmte Handballen auf einem länglichen Gegenstand, vielleicht einem Stock oder einem Degen ruht. Vergleicht man diese Partie beispielsweise mit der entsprechenden Partie in dem um 1630 datierten und Charles Mellin zugeschriebenem Bildnis eines Herrn in der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin (Inv. Nr. 413 A), so wird deutlich, dass hier der gleiche Topos verwendet wurde. Dort ruht die Hand in einer Stoffschlinge des Mantels, den der Degen tragende Herr trägt. Vielleicht ein Hinweis auf eine bei einem Duell zugezogene Verletzung? Wir wissen es nicht. 
 
Wer ist der der Mann auf unserem Bild? Der Künstler gibt uns keinen Hinweis. Wir wissen es nicht. Die vornehme Kleidung und der selbstbewusste Habitus lassen an ein repräsentatives Porträt eines bedeutenden Mitglieds der Amsterdamer Gesellschaft denken. Akribisch ist der Stoff des Umhangs beobachtet, der von der Schulter ausgehend um den Unterarm geführt wird und unter der rechten Hand seitlich herunterfällt. Er ist aus einem kostbaren Samtstoff gefertigt, dessen sattes, vornehmes Schwarz zum seidenen Glanz des Wamses einen reizvollen Kontrast abgibt. Effektvoll kontrastierend dazu leuchtet die strahlend weiße Halskrause auf, durch deren transparenten Stoff feinste Nuancen des Inkarnats und des schwarzen Obergewands durchschimmern.
 
Eines wird jedoch ersichtlich: Hier wird größten Wert auf Repräsentation gelegt. Der Tradition höfischer Porträts der Renaissance folgend, werden hier Einflüsse der oberitalienischen Bildnismalerei des 16. Jahrhunderts verarbeitet, die in den Norden durch Künstler vermittelt wurden, die nach Italien gereist waren. Diese Kenntnisse wurden zwischen 1615 und 1620 auch in Amsterdam greifbar. Erst um 1630, mit der Bildniskunst Frans Hals‘ und Rembrandts, wurde eine neue Richtung in der holländischen Porträtmalerei eingeschlagen. Nun wurde die Tendenz zur höfischen Repräsentation zugunsten einer natürlicheren und spontaner erscheinenden Darstellung des Modells aufgegeben. Unser Bildnis markiert also den Höhe- und Endpunkt einer bestimmten Entwicklungsstufe der holländischen Porträtkunst, die um 1630 eine andere Richtung einschlug.
    
Der gebürtige Amsterdamer Thomas de Keyser gehörte bis zum Eintreffen Rembrandts 1631 in der Stadt zu den führenden Porträtmalern Amsterdams. Er entstammte einer Amsterdamer Künstlerfamilie und wurde wahrscheinlich im Atelier von Cornelis van de Voort ausgebildet. Von ihm ließen sich die Bürgermeister, Regenten und Vorsteher der Gilden und Spitäler der Stadt porträtieren, er erhielt bedeutsame Aufträge sowohl für kleinformatige als auch für lebensgroße Porträts. Unser Bild galt in der Literatur, seitdem es in der Galerie van Diemen, Berlin, in den 1920er Jahren nachweisbar war, lange als autographes Werk Thomas de Keysers. Diese Zuordnung änderte sich kurzfristig, als eine Zuschreibung an Werner van den Valckert erwogen wurde, doch wurde dies von Pieter J.J. van Thiel, Kurator des Rijksmuseums in Amsterdam, revidiert, als er das Gemälde 1983 in einem Aufsatz in “Oud Holland” wieder an Thomas de Keyser zurückgab. Zuletzt haben Ann Jensen Adams und Rudi Ekkart die Eigenhändigkeit angezweifelt, doch erscheint in der Datenbank des RKD in Den Haag das Bild weiterhin als “zugeschrieben an Thomas de Keyser” (RKD-Nr. 10638). Diese Zuschreibung erscheint auch vollkommen überzeugend, wenn man unser Bildnis mit dem im Städelmuseum in Frankfurt aufbewahrten “Bildnis eines älteren Mannes” vergleicht, dessen Halskrause in einer ganz vergleichbaren Weise ausgeführt ist (Inv. Nr. SG 532).
 
Vorliegendes Bildnis war Teil der bedeutenden Gemäldesammlung des in Berlin lebenden jüdischen Textilfabrikanten Richard Semmel (1875 Zobten, Schlesien – 1950 New York), seit 1902 Prokurist und seit 1919 alleiniger Inhaber der Wäschefabrik Arthur Samulon & Co. Er hatte Ende der 1920er Jahre eine Sammlung aufgebaut, die den großen Sammlern der Weimarer Republik in nichts nachstehen sollte. Sie enthielt Arbeiten von Jan van Scorel, Bernardo Strozzi, aber auch von Paul Gauguin, Pierre Auguste Renoir, Camille Pissarro, Vincent van Gogh und eben dieses meisterhaft ausgeführte Portrait von Thomas de Keyser. Im April 1933 nach der Machtergreifung der NSDAP emigrierte Richard Semmel nach Amsterdam und flüchtete 1940 vor dem Einmarsch der Deutschen in die Niederlande über Chile und Kuba nach New York, wo er 1950 starb.  Das Bildnis des jungen Mannes mit weißer Halskrause wurde 1946 dem niederländischen Staat übergeben und hing mehrere Jahre im Museum in Gouda. 2009 wurde es an die rechtmäßigen Erben nach Richard Semmel restituiert. 

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