Details

Roennefahrt 206; Wichmann 1400

Ausstellungen:
Spitzweg-Ausstellung, Ausst.-Kat. Galerie Julius Stern, 5.10.–17.11.1929, Düsseldorf 1929, Nr. 2;
Siegfried Wichmann: Carl Spitzweg. Reisen und Wandern in Europa und der glückliche Winkel, Ausst.-Kat. Pfäffikon, Seedamm Kulturzentrum, und München, Haus der Kunst, Stuttgart 2002, S. 167, Nr. 86, Farbtafel.

Provenienz:
Nachlass Friedrich Pecht (1814–1903), München;
Lempertz, Köln, Auktion 547, 20.–22.11.1975, Los 589;
Lempertz, Köln, Auktion 597, 23.–26.11.1983, Los 2286;
Schöninger & Co, München, Auktion 23, 21.3.1984, Los 518;
Neumeister, München, Auktion 337, 19.9.2007, Los 723;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Description

Carl Spitzweg 1808 – 1885

Es hat vielleicht den Anschein, dass man Eulen nach Athen trägt, wenn man in München die Malerei Carl Spitzwegs vorstellt, der wohl wie kein anderer Maler des 19. Jahrhunderts im allgemeinen Bewusstsein verankert ist. Natürlich kennt man den armen Poeten, der sich in seiner kargen Dachkammer nur seiner Kunst verschrieben hat, bekannt sind auch seine liebenswürdigen Figuren eines Kakteenfreundes oder die zahlreichen Schmetterlingsjäger. Sie geben Einblick in eine heute verlorene Lebenswelt, die uns heute humorig, auch leicht schrullig erscheint, und doch ist in seiner Malerei mehr enthalten als die Karikatur einer Gesellschaft. In seinen Themen manifestiert sich die tiefe Sehnsucht nach einer Sicherheit, die die damals in einem tiefen Umbruch sich befindliche Welt nicht mehr bieten konnte. Die Sehnsucht nach Gewissheit hat Spitzweg zu Themen geführt, die außerhalb der normalen Lebenswelt lagen, hat ihn zu Typen geführt, die diese Sehnsucht verkörpern. Dabei entwickelte Spitzweg eine bemerkenswerte Beobachtungsgabe, die weit über das hinausreicht, was ihn zum Chronisten des Biedermeier macht. Seine Gemälde erzählen von persönlichen Erlebnissen und Schicksalen, von den Brüchen der Zeit, und dies immer mit malerisch allerhöchster Raffinesse.
Der Gratulant (Los 43), der seiner Angebeteten einen Blumenstrauß präsentiert, wird sie nie erreichen – ihre sichtbare Trennung – er unten, sie oben – hat durchaus symbolischen Charakter, dass seine Bemühungen erfolglos bleiben werden. Und wenn man sich dann in Erinnerung ruft, dass Spitzweg zeit seines Lebens ohne Frau blieb, dann spiegelt ein solches Gemälde auch ein Stück eigene reale Lebenswelt. Die Liebe in ihren verschiedenen Formen ist für Spitzweg immer ein Thema geblieben, er hat sie beobachtet, ohne je voyeuristisch zu werden. Ein Gemälde wie “Die Sonne bringt es an Tag” (Los 42) ist wie ein Streifen dieses Themas, eine wäscheaufhängende Magd wird zufällig Zeuge eines Techtelmechtels, das sich im Verborgenen, hinter der aufgehängten Wäsche abspielt. Das Motiv, das Spitzweg in mehreren Zeichnungen vorbereitete, sah er nach eigenem Bekunden in Brixen. Gleichsam eine schattenhafte Erscheinung, bleibt auch hier die Liebe eine schemenhafte Chimäre, möglicherweise auch unerfüllt. Spitzweg schildert nicht wie viele andere zeitgenössische Maler das liebevolle Zusammensein einer Familie, die heile Welt eines aufstrebenden Bürgertums, er ist immer den Brüchen zugewandt, die das Leben und die Liebe insbesondere bereithält.
Und doch ist Spitzweg auch der lebensbejahende Maler, wenn er unter einer einfachen Brücke spielende Kinder beobachtet (Los 41). Das einfache Spielen am Ufer eines Baches, und wie Spitzweg für dieses kindliche, unschuldige Beisammensein eine malerische Entsprechung findet, macht ihn zu einem großen Maler. Im Bildausschnitt an Kompositionen von Charles-Francois Daubigny erinnernd, dem großen Maler der Schule von Barbizon, bilden die flankierenden Bäume gleichsam eine in die Tiefe führende Schlucht, über die sich die Brücke spannt. Die eigenwillige Pinseltechnik, die in ihrem offenen, kaum Formen beschreibenden Duktus deutlich protoimpressionistische Züge aufweist, ist ein Zeugnis seiner Auseinandersetzung mit dem Malern der Schule von Barbizon, wohin Spitzweg zusammen mit Eduard Schleich 1851 gereist war.
Der Ausblick in die Ferne, wie er unter dem Brückenbogen sichtbar wird, ist auf ähnliche Weise auch Thema des kleinen Leinwandgemäldes “Der dunkle Weg in die Schlucht” (Los 44). Eine Person, wahrscheinlich ein kleines Kind, ist auf dem Weg ins Ungewisse, und der Betrachter fragt sich, wohin geht und was wartet auf das Kind? Sollte die existentielle Metapher vom Lebensweg gemeint sein?

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