Details

Scheidig 230.

Literatur:
Walther Scheidig, Franz Horny, Berlin 1954, S. 172, Kat.-Nr. 230.

Provenienz:
C.G. Boerner, Leipzig, Auktion, 13.11.1924, Los 213;
Bassenge, Berlin, Auktion, 27.5.2000, Los 5983 (verkauft für DM 270.000);
seitdem in Privatsammlung, Süddeutschland.

Beschreibung

Für Franz Horny, diesem unvergleichlichen Talent, das die römische Kunstwelt in Erstaunen versetzte, war die Begegnung mit dem Kunsttheoretiker, Sammler und Mäzen Carl Friedrich von Rumohr im Mai 1815 ein schicksalhaftes Ereignis. Rumohr nahm den jungen Künstler, der in Weimar die von Goethes Berater Johann Heinrich Meyer geleitete Zeichen- und Malschule besuchte, 1816 mit nach Rom, eröffnete ihm dort den Zugang zum Doyen der Landschaftsmalerei, Joseph Anton Koch, und vermittelte ihn in das Atelier von Peter von Cornelius, neben Friedrich Overbeck Haupt der Nazarener.
Nach Cornelius´ Rückkehr nach Deutschland 1818 betätigte sich Horny fast ausschließlich als Landschafter; im Sommer zuvor hatte er zusammen mit Rumohr erstmals Olevano besucht, jenen Sehnsuchtsort der Deutschen, der seit seiner Entdeckung durch Koch zu Beginn des 19. Jahrhunderts untrennbar mit der deutschen Kunstgeschichte verbunden ist. Im Sommer zog sich Horny in dieses pittoreske Felsennest zurück, um dort zu zeichnen und der sommerlichen Hitze in Rom zu entgehen – auch weil 1818 erstmals jene verhängnisvolle Lungenerkrankung offen zutage getreten war, der er nach langem Leiden bereits 1824 in Olevano erlag.
Auch unsere Studie einer Esskastanie ist sicher in Olevano bzw. in der Umgebung entstanden, die Horny unablässig zeichnend durchstreifte. In seinen Skizzenbüchern, die er während seiner Aufenthalte 1822/24 anlegte, finden sich zahlreiche Studien zur Flora, die das unmittelbare Naturerlebnis festhalten. Er bemühe sich, „die Natur mit Strenge und plastischem Sinne aufzufassen, wie das die Maler des 15. Jahrhunderts getan haben,“ hatte er noch 1818 seiner Mutter berichtet (Brief vom 12. Oktober 1818, zitiert nach Der Maler Franz Horny. Briefe und Zeugnisse, hrsg. von Ernst Ludwig Schellenberg, Berlin 1925, S. 101). Die Rückbesinnung auf die italienische Malerei des 15. Jahrhunderts war Programm der Nazarener, deren Einfluss in einer solchen Aussage spürbar wird. Doch Horny vollzog in wenigen Jahren eine rasante Entwicklung, auf die er in Auseinandersetzung mit der Zeichenpraxis seiner römischen Künstlerfreunde hingearbeitet hatte – die Abkehr von der strengen Linienkunst der Nazarener, von ihrem Anspruch der „Wahrheit“ der Linie hin zu einer Dynamisierung ihrer Linienkunst und einer realistischen Naturbeobachtung. Zwar entwickelt Horny die plastische Form des Baumes auch aus dem Umriss, doch wie er die Linie variiert, wie sie an- und abschwillt, wie sie sich in dynamischen Schraffuren verdichtet, entfernt sich zunehmend vom linearen Formideal der Nazarener. Horny gibt den unmittelbaren Einblick in ein Naturerlebnis, das nicht dem Ideal, sondern der eigenen Seherfahrung vertraut. Mit ungewöhnlicher Sensibilität, auf ganz eigenständige Weise schildert Horny Einzelformen und den Gesamtorganismus, der sich in dem Spiel von Licht – hier bleibt der helle Papiergrund unbearbeitet stehen – und Schatten entwickelt.
Es ist Horny, der zusammen mit Zeichnern wie Johann Christoph Erhard und Heinrich Reinhold nach 1820 die strenge Linienkunst der Nazarener überwindet und damit der Landschaftskunst neue Potenziale erschließt, die den Weg hin zu einer subjektiv-realistischen Naturbeobachtung öffnen.
Dr. Peter Prange

Entlang der Blattkanten leicht gebräunt und stellenweise mit kleinen Fleckchen. Schwache Handhabungsspuren. Vereinzelte Klebespuren verso. In guter Erhaltung.

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