Max Beckmann

Bildnis Rietje & Nelly Lütjens

Details

Verso auf dem Keilrahmen mit Zollstempeln, verschiedenen handschriftlichen Nummern und kleinem, typografischem Etikett „683“.

Göpel/Tiedemann 692.

Literatur:
Göpel, Erhard, Max Beckmann als Porträtmaler. Eine Ausstellung zu Beckmanns 80. Geburtstag in München, in: Die Weltkunst 34 (1964), S. 137-138, mit Abb.;
Göpel, Erhard, Max Beckmann. Tagebücher 1940-1950, München 1955;
Gallwitz, Klaus u.a. (Hrsg.), Max Beckmann Briefe, München/Zürich 1993/94, Bd. III (1937-1950).

Ausstellung:
Portraits (1925-1950) by Max Beckmann, Catherine Viviano Gallery, New York 1957, mit s/w Abb., o. S.;
Max Beckmann. Das Portrait. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Badischer Kunstverein, Karlsruhe 1963, Kat.-Nr. 55, mit s/w Abb.;
Max Beckmann. Bildnisse aus den Jahren 1905-1950. Gemälde, Aquarelle, Pastelle und Zeichnungen, Galerie Günther Franke, München 1964, Kat.-Nr. 15, mit s/w Abb., verso mit dem Etikett;
Paintings, Sculptures, Drawings & Watercolors by Max Beckmann, Catherine Viviano Gallery, New York 1973;
Max Beckmann. Paintings & Sculpture, Grace Borgenicht Gallery, New York 1981, o. Kat.-Nr. in Werkliste aufgeführt, o. Abb.;
Max Beckmann 1884-1950, Alpha Gallery, Boston 1984;
Max Beckmann. Paintings and Drawings, Grace Borgenicht Gallery, New York 1985, Kat.-Nr. 12, mit farb. Abb.;
Expressionist Painters, Galerie St. Etienne, New York 1986;
From Kandinsky to Dix. Paintings of the German Expressionists, Nassau County Museum of Art, Roslyn, New York 1989, mit farb. Abb. S. 47.

Provenienz:
Atelier Max Beckmann;
Familie Nelly und Helmuth Lütjens, Amsterdam (Leihgabe des Künstlers);
Atelier Max Beckmann/Nachlass des Künstlers;
Mathilde Quappi Beckmann, 1950, durch Erbfolge;
Buchholz Gallery – Curt Valentin, New York, bis spätestens 1955, vermutlich in Kommission, verso mit dem Etikett;
Catherine Viviano Gallery, New York, mindestens 1963, in Kommission, verso mit dem Etikett;
Grace Borgenicht Gallery, New York, mindestens 1984-87, in Kommission;
Sammlung Serge Sabarsky (1912-1996), New York, verso auf dem Rahmen mit dem Etikett;
Nachlass Serge Sabarsky, New York, seit 1996;
Sammlung Vally Sabarsky (1902-2002), New York;
Vally Sabarsky Stiftung, New York, seit 2002.

Beschreibung

• Eine der intimsten Szenen der seltenen Familienporträts Beckmanns
• Dr. Helmuth Lütjens, Leiter der Amsterdamer Filiale der Kunsthandlung Paul Cassirer, ist der wichtigste Unterstützer Beckmanns während dessen Exils in den Niederlanden
• Seit 1987 in der renommierten Sammlung von Serge Sabarsky, Neue Galerie New York

Der Winter 1944/45 in Amsterdam ist sehr hart, es gibt kaum Nahrungsmittel oder Kohle, man wartet auf die Befreiung von der deutschen Besatzung. Für Max Beckmann stellen in dieser Zeit die Besuche bei dem Kunsthändler Helmuth Lütjens und dessen Familie beruhigende Lichtblicke dar. Sie regen den Maler dazu an, das Thema „Mutter und Kind“ aufzugreifen, das ansonsten in seinem Werk sehr rar ist.
In klassischer Manier zeigt er Nelly Lütjens als sitzende Mutter mit ihrer kleinen Tochter Rietje auf dem Schoß. Mit ihrem Arm umfängt sie das Kind, die Hände gefaltet. Diese fürsorgliche Geste wird von Rietje wiederholt, indem sie eine Puppe vor sich hält. Der für das Bild bestimmende Farbakkord von Blau, Weiß und Rot gibt dem Gemälde eine ruhige Ausstrahlung, ist aber auch eine Anspielung auf die Nationalität der Dargestellten, denn Nelly Lütjens ist Niederländerin.
Die Familie Lütjens bewohnt in Amsterdam ein Haus in der Keizersgracht 109, in der sich auch die Räume der Galerie Paul Cassirer befinden, die Helmuth Lütjens leitet. Dorthin hat Beckmann seine Gemälde zur sicheren Aufbewahrung gegeben. Jeden Freitag sucht der Künstler Helmuth Lütjens auf. Oftmals zeichnet er die Familie. Im September 1944 wohnt der Maler mit seiner Frau Quappi sogar eine Woche dort, um beim erhofften Einmarsch der Alliierten vor etwaigen Anfeindungen als Deutsche geschützt zu sein.

Im Anschluss an diesen Aufenthalt malt Beckmann das „Familienbild Lütjens“ (MB-G 683): Es zeigt das Ehepaar Lütjens beim Betrachten eines Bildes, wohl eben dieses „Familienbildes“. Nur die kleine Tochter schaut in eine andere Richtung. Sie hält in der einen Hand einen Hampelmann hoch und deutet mit der anderen Hand auf diesen. Beckmann weist hier schon auf die Reaktion des Kindes beim Anblick des „Familienbild Lütjens“ hin: Rietje zeigt auf den Hampelmann, den es gerne hätte, aber nicht hat.
Kaum wird das „Familienbild Lütjens“ an Weihnachten 1944 in Lütjens Haus aufgestellt, beginnt Beckmann auch schon mit Entwürfen für ein weiteres Familienporträt. Die freitäglichen Besuche werden ebenfalls fortgesetzt. Am 19. Januar 1945 vermerkt Beckmann: „(…) will nachher zu Lütjens gehen, mein Morphium in diesen Zeiten.“
„Bildnis Rietje und Nelly“ ist die Fortführung des „Familienbild Lütjens.“ Hier setzt der Maler nun das Kind in den Mittelpunkt und gibt ihm eine Puppe in die Hände.
Der intensive Arbeitsprozess an dem Bild lässt sich im Tagebuch verfolgen. Am 15. Februar 1945 notiert Beckmann: „Zum ersten Male gründlich an Nelly mit Kind. Wird mir noch viel Arbeit machen.“ Beckmann, der mit Kindern eigentlich wenig anzufangen weiß, mag die Tochter von Lütjens gerne und nennt sie Rikchen. Am 7. März schreibt er: „Äußerst heftig nochmal zum 40.t Mal am Rikchen. Jetzt ist sie gut.“ Das Gesicht des Mädchens und besonders seine großen Augen hebt der Maler mit mehreren Farbschichten hervor. Das Bild wird schließlich zwei Tage vor Rietjes zweiten Geburtstag im März 1945 fertig und wird Helmuth Lütjens vorgeführt. Parallel zur Arbeit des Malers am Bild fertigt Quappi Beckmann einen Hampelmann für Rietje an, den diese nun als Geburtstagsgeschenk erhält. Zwar ist das Gemälde nicht im Besitz der Familie geblieben, den Hampelmann jedoch hat die heute 80-jährige Tochter, die in Amsterdam lebt, aufbewahrt.
Beckmann stellt Rietje und Nelly Lütjens als Inbegriff der engen Beziehung von Mutter und Kind dar und schafft so eine moderne und zugleich zeitlose Ikone.
Dr. Nina Peter

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