Johann Adam Klein

Kavallerie unter Wolkenhimmel

Details

Provenienz:
Privatsammlung, Süddeutschland.

Beschreibung

1811 war Johann Adam Klein mit einer Empfehlung des Nürnberger Kunsthändlers Johann Friedrich Frauenholz an die Akademie nach Wien gekommen, wo er zwar eifrig studierte, doch sein eigentliches Interesse galt dem bunten Treiben in der Stadt: „Sehr interessierte mich der lebhafte Verkehr auf den Hauptplätzen und Marktplätzen Wiens und die verschiedenen malerischen Nationalkostüme der Ungarn, Polen, Walachen und Österreichern samt ihren Fuhrwerken“, schreibt Klein 1833 in seiner Autobiografie. Sein Studienbuch füllte er unablässig mit Skizzen und Zeichnungen solch pittoresker Szenen, zu denen auch die farbenfrohen Truppenaufmärsche und Biwaks der verschiedenen, 1813 und 1814 in Wien anwesenden Truppen gehörten. Klein entwickelte sich in Wien zu einem Chronisten der an den Befreiungskriegen beteiligten Truppen, doch schilderte er keine Schlachten, sondern das farbenprächtige Erscheinungsbild ihrer unterschiedlichen Uniformen – eine Tätigkeit, die er nach seiner Rückkehr nach Nürnberg 1815 teilweise zusammen mit seinem Freund Johann Christoph Erhard fortsetzte. Im Oktober 1815 zeichneten sie gemeinsam biwakierende russische Ulanen, die wegen Napoleons Rückkehr von Elba ihren Abzug unterbrochen hatten, und andere an Nürnberg vorbeiziehende Truppen der antinapoleonischen Koalition.
Auf solche genau beobachteten Studien geht auch unser unvollendetes Aquarell zurück, das seinen besonderen Reiz aus dem Nebeneinander von akkurater Federzeichnung und der farblich fein nuancierten Aquarellierung des Himmels erhält, der sich dunkel über die Truppen gelegt hat. Mächtig dräuend, schwer lastend, ziehen die Ausläufer der Gewitterwolken ab, rechts reißt der Himmel bereits auf und gibt den Blick auf das Himmelsblau frei. Der Dramatik des Himmelsgeschehens antworten die in ihren Uniformen genau beobachteten Reiter – österreichische Kürassiere – entspannt, unbeeindruckt von dem abziehenden Gewitter, das noch bedrohlich über ihnen steht, betrachten sie ihre abziehenden Truppen vor der leicht skizzierten, nur in Bleistift angedeuteten Silhouette einer Hügellandschaft.
Das Nebeneinander von Vollendetem und Unvollendetem ist in der romantischen Landschaftskunst zu einem Gestaltungsprinzip künstlerischer Erfahrung geworden, in der das Fragment der Natur der romantischen Weltanschauung entsprach. Dieses „Prinzip des Unvollendeten“ (Reinhard Wegner) lässt sich indes nur bedingt auf unser Aquarell übertragen, da das Nebeneinander von Vollendetem und Unvollendetem ursprünglich nicht beabsichtigt war: Während Klein den Gewitterhimmel vollendet hat, sind die Landschaft und die akkurat als Federumriss ausgeführten Kürassiere, unter die sich einige Zivilisten gemischt haben, unvollendet geblieben – sie sollten wie die sie umgebende Landschaft noch ausaquarelliert werden, was aus unbekannten Gründen unterblieb.
Erscheint das Nebeneinander von Vollendetem und Unvollendetem für das heutige, an der Moderne geschulte Auge höchst reizvoll, war es ursprünglich doch nicht beabsichtigt. Heute erlaubt uns das unvollendete Aquarell aber einen Einblick in Kleins wohl kalkulierten Arbeitsprozess: In lockerer Bleistiftskizze hat Klein zunächst die Landschaftssilhouette und die vor ihr abziehenden Truppen angelegt – sie sind an den Stellen noch sichtbar, wo sie nicht durch die Kürassiere und beistehenden Zivilisten verdeckt werden. Ihre Gruppe geht auf keine Naturstudie zurück, sondern sie ist erst im Atelier, wahrscheinlich aus vor der Natur entstandenen Einzelstudien, arrangiert worden. In einem zweiten Schritt hat Klein dann den dramatisch aufgeladenen Gewitterhimmel unter Aussparung ihrer Köpfe und Oberkörper angelegt, was er allerdings nicht konsequent verfolgt, denn zum rechten Rand hin kommt es bei den beiden Kürassieren und der Rückenfigur mit Hut zu Überschneidungen und wo er den Himmel nicht mehr weiter ausführt – womöglich entsprachen sie nicht mehr seinem ursprünglichem Bildkonzept, weshalb er auf eine weitere Vollendung verzichtete.
Das Aquarell war für die „Fixierung des Wahrgenommenen im Augenblick der Wahrnehmung“ (Peter Märker) besonders geeignet, vor allem für flüchtige Erscheinungen wie die Dramatik eines abziehenden Gewitterhimmels. Er scheint noch Ausdruck der allgegenwärtigen Bedrohung durch die vielen Truppen zu sein, die sich damals vor den Toren Nürnbergs aufhielten, doch scheint Frieden aufzuziehen – der blaue Himmel öffnet sich als Verkörperung dieser Hoffnung. Denn insgesamt zeigt Klein eine friedliche Szenerie, in der Militärs und Zivilisten einander begegnen. Die Kürassiere rechts sind im Gespräch mit einem Herrn zu Pferd, links daneben richtet ein wohl ungarischer Infanterist das Wort an einen weiteren Kürassier und davor hat sich eine Mutter mit ihrem Kind neben einem Offizier eingefunden, um den Truppenabzug zu beobachten. Die Gruppe erinnert bereits an die Begegnungsbilder eines Wilhelm von Kobell, der in den bayrischen Alpen oder am Tegernsee unterschiedliche Stände aufeinandertreffen ließ – meist Höhergestellte zu Pferd trafen zufällig auf die Landbevölkerung. Auch Klein schildert solche Begebenheiten in der weitläufigen Landschaft eher zufällig und beiläufig, als Vereinigung von Landschaft und Genre, die der Maler immer angestrebt hat.
Dr. Peter Prange
Mittig vertikale, kaum wahrnehmbare Knickspur. Unten links eine ganz sachte Knickspur. Ansonsten in sehr schöner und farbfrischer Erhaltung.

Für die Identifizierung und Datierung der Uniformen danken wir Daniel Hohrath, Ingolstadt Bayerisches Armeemuseum.

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