Johann Heinrich Schilbach

„Küste bei Amalfi“

Beschreibung

Auf der Rückseite des kleinen Gemäldes befindet sich ein Aufkleber mit dem Bildtitel „Küste bei Amalfi“, doch hätte es dieses Hinweises gar nicht bedurft, um sich im Angesicht dieses lichterfüllten Gemäldes an felsige Küsten Süditaliens versetzt zu fühlen. Nahsichtig hat der Maler das steil ansteigende, unwegsame Felsufer in seine Bilddiagonale gleichsam verspannt – eine Straße, auf der ein Bauer mit seinem beladenen Esel des Wegs kommt, schlängelt sich um die Felsen, ist ihnen abgerungen und verschiedene Marterln säumen den Weg, der auch zu einer auf der Anhöhe gelegenen Kapelle führt. In der anderen Bildhälfte sind noch weitere, weniger schroff abfallende Küstenabschnitte hintereinander gestaffelt bis zu einem vorspringenden Kap in der Ferne, über dem der gelbe Himmel eines vergehenden Tags aufsteigt. Das Kap liegt ruhig, fast schemenhaft am Meer und bildet den Kontrapunkt zu den schroffen Felsen in der anderen Bildhälfte, deren Morphologie der Maler bis in die Einzelheiten verfolgt – genau beobachtet er im Licht die aus dem Wasser aufsteigenden Felsen, an denen das Meer mit weißer Gischt anbrandet. Hier vermischen sich die Reflexionen des Lichts in weißen, rötlichen, gelblichen und bläulichen Tönen zu sprühender Farbigkeit, sodass man meint, den regelmäßigen Wellenschlag des Meeres hören zu können. Im weiteren Küstenverlauf beruhigt es sich und geht über in das tiefe Blau des Mittelmeeres.
Dies alles ist wie der dunkle, bewegte Himmel und wie der verschattete und der im Licht der Abendsonne stehende Felsen minutiös und mit großer malerischer Hingabe beobachtet, die man so von dem aus Darmstadt stammenden Johann Heinrich Schilbach kennt. Schilbach war 1823 nach Rom gekommen, wo er Hausgenosse von Heinrich Reinhold und Johann Joachim Faber war. In ihrer Begleitung hielt sich Schilbach in den Sommermonaten auch im erträglicheren Olevano auf, wo Reinhold und Faber stupende Ölstudien schufen, deren Einfluss auf Schilbach nicht hoch genug zu veranschlagen ist. Reinholds zügige Malweise bei gleichzeitigem Bemühen um Strukturierung von Formen und Oberflächen im Spiel von Licht und Schatten, nicht zuletzt die deutlich erkennbaren Pinselzüge, die jene Skizzenhaftigkeit suggerieren, die der Flüchtigkeit von Wind und Wetter zu entsprechen scheint – all dies findet man auf Schilbachs Skizze ähnlich wieder.
Wahrscheinlich angeregt durch Reinhold Neapelreise, zu der dieser im Sommer 1823 zusammen mit Faber und Carl Wilhelm Götzloff aufgebrochen war, machte sich Schilbach im Sommer 1825 u. a. mit Reisegefährten wie Ludwig Richter nach Neapel und an die Küste von Sorrent bzw. Amalfi auf, wo er nach der Abreise seiner Künstlerfreunde Ende Juni fast die folgenden drei Monate bis September verbrachte. Schilbach aquarellierte dort vor allem ähnlich nahsichtig fokussierte Küstenabschnitte, kaum einmal die touristischen „Hotspots“ der Region, sondern sich immer in die Individualität der Küste und ihrer Einzelformen vertiefend, den Strukturen von Felsen und Wasser nachgehend und den besonderen Lichtwirkungen nachspürend. Auch der Küstenabschnitt auf unserer kleinen Ölskizze, die sicher vor Ort entstanden ist, lässt sich topografisch nicht genauer bestimmen, weil Schilbach keine Ansicht im Sinne einer Vedute, sondern einen für die Region charakteristischen Küstenabschnitt malte. Schilbachs Kollege Reinhold notierte anlässlich eines Besuchs des berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel aus Berlin in seinem Atelier, dass seine Ölskizzen dazu dienten, „eine Idee von dem Charakter des Landes, besonders der Farbe […] geben zu können, was bei diesen mit Schnelligkeit und Unbefangenheit gemachten Dingen sich fast immer richtiger ausspricht als bei Dingen, die im Zimmer gemacht“ sind. Spontan, schnell und tatsächlich unbefangen ist der Duktus auch unserer Ölskizze – allein dem Moment aus Licht, Luft und Wetter verpflichtet.
Dr. Peter Prange

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