Ernst Ferdinand Oehme

Mühle im Plauenschen Grund

Details

Literatur:
Hans Joachim Neidhardt/Winfried Werner: Mühle im Plauenschen Grund – ein wiederentdecktes Gemälde von Ernst Ferdinand Oehme (1797-1855), in: Denkmalpflege in Sachsen. Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen 2009, S. 49-54.

Provenienz:
Vermutlich König Friedrich August II. von Sachsen (1797-1854), Dresden (als Privatauftrag für seine Villa in Dresden-Wachwitz);
König Friedrich August III. von Sachsen (1865-1932), Dresden;
bis kurz nach der Jahrtausendwende im Besitz der Wettiner;
danach Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Die verschiedenen Gründe – enge und tief eingeschnittene Täler mit reißenden Bächen und Wasserfällen – in der Umgebung von Dresden boten für den Maler stimmungsvolle Bilder wild romantischen Charakters voller landschaftlicher Wandlungen – „ein endloser Wechsel anziehender und das Auge fesselnder Gruppen und Gestalten der Bäume“ und der „überzustürzen drohenden Felsenmassen, der wunderlichen Krümmungen des Bachs, der das Thal bewässert“, bemerkte Johann Jakob Brückner 1803 in seinen „Pitoreskische[n] Reisen durch Sachsen“. Einen dieser Gründe, den Plauenschen Grund mit der am Ufer der Weißeritz stehenden Walkmühle, hat Ernst Ferdinand Oehme 1830 zum Thema seines Gemäldes gemacht, in dem sich Naturbeobachtung und dramatische Inszenierung miteinander verbinden.
Wild und reißend bahnt sich der Bach über Felsen und Gestein seinen Weg durch das Tal, seiner tosenden, weiß aufschäumenden Gischt antwortet ein dunkler, in dramatischen Wolken sich auftürmender Himmel, durch den sich die letzten Strahlen der sanften Abendsonne auf die Mühle legen. Dies ist noch romantisches Erbe, auch die akkurate Schilderung der Mühle und ihrer angrenzenden Gebäude gehört dazu, doch die Frische und malerische Freiheit, mit der sich Oehme der Beobachtung des reißenden Baches und dem Bewuchs der angrenzenden Uferböschungen widmet, atmet den Geist unmittelbarer Naturbeobachtung, eines malerischen Realismus, den er bei seinem Lehrer Johan Clausen Dahl kennengelernt hatte. Wie bei diesem sind auch bei Oehme Wasser, Wolken und Licht die eigentlichen Protagonisten seines Gemäldes, und sicher kannte Oehme Dahls „Mühle im Liebethaler Grund“ (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, Inv.-Nr. 2206 O), in der er mit dem reißenden Bach dem Vorbild Ruisdael zu neuer Blüte verhalf. Oehme hatte mit seinem Freund August Heinrich zu den Ersten gehört, die sich 1819 kurz nach dessen Ankunft in Dresden bei dem Norweger meldeten, um bei ihm zu studieren. Oehme schloss sich Dahl eng an, nahm an dessen Wanderungen in die Umgebung Dresdens teil, kopierte nach dessen Ölstudien – Dahls Abreise nach Italien im Juni 1820 verhinderte indes eine Vertiefung des Schülerverhältnisses.
Ende 1821, als Dahl aus Italien nach Dresden zurückkehrte, war Oehme seinerseits nach Italien aufgebrochen, ausgestattet mit einem mehrjährigen Stipendium des wettinischen Kronprinzen und späteren Königs Friedrich August II., der 1821 auf der Jahresausstellung der Akademie Oehmes Erstlingswerk „Dom im Winter“ (Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Neue Meister, Inv.-Nr. 2219 B) erworben hatte. Fortan riss der Kontakt zwischen den beiden Gleichaltrigen nicht ab; ihr inniges Verhältnis bezeugen nicht nur die Briefe, die der Kronprinz Oehme nach Rom schrieb, sondern auch sein Ankauf aller sieben in Rom entstandenen Gemälde Oehmes. Dessen nach seiner Rückkehr in Dresden gemalte Bilder erwarb bis in die 1830er Jahre zumeist der Kronprinz, der 1825 am Elbhang in Dresden-Wachwitz eine neue Villa bezogen hatte, in deren Räumen er sich mit einer Galerie „vaterländischer Landschaften“ zu umgeben wünschte. Zu diesem Zwecke hatte er Gemäldeaufträge an Oehme und Johann Theodor Goldstein erteilt, der 1825 mit einer Ansicht des Schlosses Kriebstein den Anfang machte. Auch Oehme lieferte zahlreiche Gemälde, darunter auch Ansichten aus der Schweiz und aus Italien, von wo er soeben zurückgekehrt war. Die Motive der sächsischen Landschaften sind im Einzelnen nicht überliefert, doch Ansichten der Schlösser in Scharfenberg und in Colditz oder der Burgen in Hohnstein und in Stolpen dürften genauso dazu gehört haben wie eine Ansicht von Meißen. Auch unsere „Mühle im Plauenschen Grund“ würde gut in ein solches Bildprogramm passen, und es ist auch deshalb wahrscheinlich, dass es zur Ausstattung der Villa in Wachwitz gehörte, weil sich das Gemälde bis vor einigen Jahren seit seiner Entstehung ununterbrochen im Besitz der Wettiner befunden hatte.
Dr. Peter Prange

Für Recherchen zur Provenienz danken wir Claudia Maria Müller, Dresden.