Peter Fendi

Katholischer Priester mit Abendmahlsgefäßen

Details

Provenienz:
Carl Heumann (1886-1945), Chemnitz, verso mit dem Stempel (Lugt 2841a);
Kunstantiquariat C. G. Boerner, Leipzig;
dort 1944 für den „Sonderauftrag Linz“ erworben;
Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstichkabinett, verso mit den Stempeln (Lugt 693b und 5490);
2020 restituiert an die Erben nach Carl Heumann.

Beschreibung

Verso umlaufend durch ehemalige Montierung leicht angeraut, ansonsten farbfrisch und in sehr schöner Erhaltung.

Das Werk ist frei von Restitutionsansprüchen.

Zum Sammler Carl Heumann (1886 Köln – Chemnitz 1945):

Vorliegendes Aquarell wie auch das nachfolgende Los von Peter Fendi, dem Protagonisten des Wiener Biedermeier, – ein katholischer Priester mit Abendmahlsgefäßen und derselbe Priester mit Messdiener in der Vorhalle einer Kirche – gehörte ehemals zum Bestand des Kupferstichkabinetts in Dresden, bis sie 2020 an die Erben des Chemnitzer Sammlers Carl Heumann restituiert wurden. Die beiden Aquarelle waren im Mai 1944 bei der renommierten Kunsthandlung C. G. Boerner in Leipzig für den „Sonderauftrag Linz“ erworben worden, der europaweit Kunstwerke für Hitlers geplantes „Führermuseum“ in Linz zusammengetragen hatte, doch verblieben sie aufgrund der Kriegsereignisse in Dresden. Sie gehörten davor zur berühmten Sammlung Heumanns, der sie im Februar 1944 bei C. G. Boerner eingeliefert hatte, um damit den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu bestreiten.

Mit der Einlieferung der beiden Aquarelle bei Karl & Faber schließt sich ein Kreis, denn bereits zu Lebzeiten Heumanns bestand eine innige Beziehung zu unserem Haus. Für die Auktion 23 vom 14.-16. Januar 1943 hatte Heumann über 70 Objekte eingeliefert, vornehmlich alte Drucke und illustrierte Bücher, aber auch Druckgrafik von Adolph Menzel und Johann Elias Ridinger. Die Eigentumsrechte an seiner Sammlung hatte er bereits 1939 auf seine nichtjüdische Frau Irmgard Buddecke übertragen, um sie so vor den Nazis in Sicherheit zu bringen. Für die Auktion Anfang Mai 1944, die nach der Zerstörung der Münchner Geschäftsräume durch Bombardement in Murnau stattfand, stellte Heumann über 30 Objekte zur Verfügung, darunter Radierungen von Ludwig Emil Grimm und gewichtige Positionen zu Menzel, aber auch einige wenige Zeichnungen. Heumann zeigte sich mit den erzielten Ergebnissen durchweg zufrieden und stellte – soweit es die erhaltene Korrespondenz überliefert – weitere Einlieferungen in Aussicht, wozu es dann aber nicht mehr gekommen ist.
Wer war dieser in Kunstkreisen damals allgegenwärtige und geschätzte Carl Heumann? In Köln gebürtig, war Heumann Ende 1908 nach Chemnitz gekommen, wo er als Prokurist der jüdischen Privatbank Bayer & Heinze tätig war, deren Teilhaber er 1920 wurde. Obwohl sich Heumann 1917 zum protestantischen Glauben bekannt hatte, musste er sich am 1. Januar 1938 aufgrund seiner jüdischen Herkunft als Mitinhaber der vornehmlich in Sachsen tätigen Bank zurückziehen, sodass er seine Stellung verlor.
Bekannt ist Heumann heute allerdings nicht als Bankier, sondern als Sammler von deutschen Handzeichnungen. Seit den 1920er Jahren hatte er eine bedeutende Zeichnungssammlung aufgebaut, die den Sammlungen seiner Zeitgenossen Oskar Reinhart oder Alfred Winterstein nicht nachstand. Wie diese hatte sich auch Heumann auf die deutsche Zeichenkunst der Goethezeit spezialisiert – jener Epoche von etwa 1750 bis 1850, in der die Zeichnung der Malerei wenn nicht überlegen, so doch zumindest gleichwertig war. Die hohe Qualität seiner Sammlung hatte sich in Museums- und Sammlerkreisen schnell herumgesprochen – Heumann wurde ein gefragter Leihgeber von Museen. Erstmals beteiligte er sich 1928 an einer Ausstellung der Kunsthütte in Chemnitz mit Leihgaben, die Kunstwerke aus Chemnitzer Privatbesitz vorstellte. Danach machte Heumann seine Sammlung in den frühen 1930er Jahren durch mehrere Ausstellungen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt: 1930 wurden rund 300 Blätter der Sammlung unter dem Titel „100 Jahre deutsche Zeichenkunst 1750-1850“ im Städtischen Museum in Chemnitz präsentiert. Drei Jahre später zeigte das Schlesische Museum in Breslau in der Ausstellung „Deutsche Landschaftskunst 1750-1850“ über 100 Zeichnungen und Aquarelle aus der Sammlung Heumann und ein Jahr später das Leipziger Museum der bildenden Künste unter dem Titel „Bildnis und Komposition 1750-1850“ noch einmal mehr als 200 Zeichnungen. In seiner Sammlung war das „Who is Who“ der Epoche vereinigt – von Caspar David Friedrich bis Carl Blechen, von den Erneuerern der Landschaftskunst in Rom, Joseph Anton Koch und Johann Christian Reinhart, über Nazarener wie Peter Cornelius, Johann Friedrich Overbeck und Julius Schnorr von Carolsfeld reichte das breite Spektrum deutscher Zeichenkunst bis Johann Georg von Dillis und Wilhelm von Kobell; die österreichische Zeichenkunst ist vertreten durch Künstler wie Thomas Ender, Rudolf Alt, oder Carl Schindler und nicht zuletzt Peter Fendi. Die illustren Namen reichen bis Adolph Menzel, dessen druckgrafisches Werk Heumann nahezu vollständig besaß – noch 1935 stellte er für die Ausstellung „Das graphische Werk Adolph Menzels“ über 1200 Blätter zur Verfügung.
Heumann war ein ausgewiesener Kenner der Kunst des frühen 19. Jahrhunderts und in Fachkreisen geschätzter Gesprächspartner. Sein Neffe, der spätere Rechtsanwalt und Sammler Gustav Stein, hatte Heumann 1932 erstmals besucht und erinnerte sich, wie er seine Gäste nach dem Abendessen in der Bibliothek empfing, um ihnen seine Sammlung zu zeigen und über die gezeigten Blätter zu „fachsimpeln“. Diese Jahre waren es auch, in denen Heumann, so oft er konnte, mehrere Reisen nach Italien unternahm, nach Olevano, in die Campagna oder in die Abruzzen ging, um den Spuren jener deutschen Künstler zu folgen, die seine Sammlung so bereicherten.
Für seinen Neffen war Heumann die ideale Verkörperung eines Sammlers, der nicht nur sammelte, sondern auch selbst forschte und seine Sammeltätigkeit als Beitrag zum Kulturleben seiner Stadt empfand. Er engagierte sich in der Chemnitzer Kunstszene, war Mitglied der dortigen Kunsthütte und trat auch als Mäzen der 1920 gegründeten Städtischen Kunstsammlung hervor, der er neben Zeichnungen auch zahlreiche Druckgrafiken stiftete. Neben seiner Leidenschaft für Zeichnungen sammelte Heumann auch Bücher und war viele Jahre lang Schatzmeister der Gesellschaft der Bücherfreunde zu Chemnitz. Heumann war in der Chemnitzer Gesellschaft hoch angesehen – nicht zuletzt die Bekleidung des Ehrenamts eines Vizekonsuls von Portugal seit 1929 ist Ausdruck dieser Wertschätzung.
Nachdem Heumann 1938 von den Nationalsozialisten aus seinem Bankhaus vertrieben worden war, veränderte sich seine Lebenssituation grundlegend. Er verlor nicht nur seine Anstellung in seinem eigenen Bankhaus, sondern musste auch die „Judenvermögensabgabe“ zahlen und durfte seine finanziellen Angelegenheiten nicht mehr selbst verwalten, da eine „Sicherungsanordnung“ über sein Vermögen ergangen war. Er zog sich zunehmend ins Private zurück, nach 1939 verließ er sein Haus kaum noch und beschränkte den Kontakt mit der Außenwelt auf wenige Ausnahmen. Versuche seiner in die USA ausgewanderten Brüder in den folgenden Jahren, ihren älteren Bruder zu überzeugen, sich ihnen anzuschließen, blieben auch deshalb vergeblich, weil sich Carl Heumann der deutschen Sprache und Kultur verpflichtet fühlte. Er blieb mit seiner Familie in Chemnitz.
Während des Krieges waren große Teile seiner Sammlung in verschiedenen Filialen seiner ehemaligen Bank eingelagert; die gerahmten Zeichnungen waren jedoch genauso in seinem Haus verblieben wie eine kleine Gruppe von Zeichnungen, an denen Heumann forschte. Als Heumann am 5. März 1945, zwei Monate vor der Kapitulation Deutschlands, versuchte, einen Koffer mit Zeichnungen aus dem Keller seines bereits zerstörten Hauses zu bergen, wurde er von einer Sprengbombe getötet. Den Koffer fand sein Sohn Thomas eine Woche später im Heizungskeller des Hauses.
Die während des Krieges in den verschiedenen Filialen der Bank Bayer & Heinze eingelagerten Zeichnungen sind nach Kriegsende an die Erben zurückgegeben worden und konnten nach Westdeutschland transportiert werden. Etwa 400 dieser Zeichnungen wurden von den Erben 1957 in Stuttgart versteigert, noch einmal knapp hundert Blätter 2004 in Bern. Sie sind heute über Sammlungen weltweit verteilt, doch dokumentieren die von Heumann verwendeten Sammlerstempel nach wie vor seinen Besitz und halten die Erinnerung an ihn wach. Heumann verwendete zwei verschiedene Sammlermarken, die heute ein wichtiges Instrument der sogenannten Provenienzforschung sind. Ein Stempel enthielt seine violetten Initialen „CH“ in einem Kreis; seit etwa 1924 verwendete er das Motiv einer stilisierten Enzianblüte in Blau, die sich auch auf der Rückseite von Fendis Aquarellen findet. Sie erinnern an eine große Sammlerpersönlichkeit, dessen Leben so tragisch endete, und an eine Sammlung, die auch heute immer noch einen legendären Ruf genießt.
Dr. Peter Prange

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