Carl Blechen

Dünenlandschaft mit von Eichen umstandenem Hünengrab

Details

Rave 1987.

Literatur:
Paul Ortwin Rave, Karl Blechen. Leben – Würdigungen – Werk, Berlin 1940, S. 500, Kat.-Nr. 1987, mit Abb. S. 498;
Carlo Schmid, The Art of Landscape Drawing in Germany. 1780–1840, in: Artemis Fine Arts, Review, London 2001, S. 30, mit farb. Abb..

Provenienz:
Nachlass des Künstlers, verso mit dem Stempel (Lugt 263b);
H. Wilhelm F. Brose, Berlin, verso mit dem Stempel (Lugt 307c);
Carl Brose, Berlin;
Hans Boerner, Leipzig;
Erben Hans Boerner;
C.G. Boerner, Düsseldorf, 2001 erworben;
seitdem Privatsammlung, Süddeutschland.

Beschreibung

Auf einer hügeligen, sandigen Düne stehen einige knorrige Eichen, ihre teilweise unbelaubten Äste in die Höhe streckend. Erst bei genauerem Hinsehen nimmt man wahr, dass sie um große Felsen gruppiert sind – offensichtlich ein auf der Anhöhe liegendes steinzeitliches Hünengrab. Es handelt sich um die Ansicht eines Grabhügels, wie sie in Norddeutschland noch heute existieren und von romantischen Künstlern wie Caspar David Friedrich oder Heinrich Wilhelm Tischbein nach 1800 wiederentdeckt wurden. In dieser Zeit, in die die französische Fremdherrschaft unter Napoleon fällt, entstand ein neues Nationalbewusstsein, das in den Befreiungskriegen zum Sturz von Napoleon führte – die knorrige Eiche galt dabei als Symbol nationaler Einheit, die freilich noch lange Wunschdenken blieb, und die steinzeitlichen Hünengräber dienten als Zeugen einer vergangenen Größe Germaniens. Friedrichs und Tischbeins naturgetreue Aufnahmen in Brandenburg und in Schleswig-Holstein dokumentieren einstige Größe und machen frühe Menschheitsgeschichte sichtbar.
Carl Blechens Interesse an der frühen Geschichte Brandenburgs wurde 1828 durch seine Arbeit an seinem Gemälde „Das Semnonenlager“ (Berlin, Nationalgalerie) angeregt – jenes frühchristlichen Stammes, der um die Zeitenwende die Ebene zwischen Elbe und Oder besiedelte. Im selben Jahr reiste er an die baltische Küste und schuf auch nach seiner Rückkehr aus Italien, 1829, wo er die Zeugen der einstigen Größe Roms gesehen hatte, zahlreiche Ansichten der nordischen Landschaft, speziell Rügens. Zu diesen Arbeiten gehört auch unser Aquarell, doch ist es von den politischen und historischen Implikationen, die Friedrichs und Tischbeins Hünengräber berühren, weit entfernt – so weit, dass man nur noch schwerlich von einem Blick auf ein Stück Natur sprechen kann. Rasch hat Blechen das Aquarell ausgeführt, eine Technik, die diesem Vorhaben entgegenkommt: Erst hat er dem Grabmal mit Bleistift in schnell hingeworfenen Schraffen Gestalt gegeben, danach hat er die Felsen und Eichen, aber auch die Düne mit schneller Feder umrissen, um zuletzt mit kühnen Zügen des Pinsels die Aquarellfarben hinzuzufügen. Das transparente, bis auf den Papiergrund durchscheinende Ocker vermag der Düne noch Gestalt geben. Aber wie das Blau sich rechts und um die Eichen eher zu einem diffusen Gewölk aufbaut, ist der rasanten Ausführung des Blattes angemessen und entspricht auch der flüchtigen Erscheinung der sandigen Düne, doch scheinen sich die Formen mehr und mehr in fein abgestimmte Farbfelder aufzulösen. Kaum jemals ist das subjektive Erleben von Natur so virtuos umgesetzt worden, wird das Naturerlebnis zu einer inneren Schau, gleichsam zu einer sich in Farbe auflösenden Vision!
Blechen war ein sensibles und zur Melancholie neigendes Gemüt, das in seinen späten Jahren durch eine Depression verdunkelt wurde, in deren Folge er 1836 sein Amt als Professor für Landschaftsmalerei an der Kunstakademie in Berlin aufgeben musste und die ihn im darauffolgenden Jahr zu einem Klinikaufenthalt zwang. Wenig später starb er 1840 in geistiger Umnachtung. Und wie sich in zahlreichen Werken Blechens Hinweise auf eine latente Todessehnsucht finden lassen, so mag man auch in dem Hünengrab ein solches Todessymbol in einer Welt erkennen, die sich für Blechen in Auflösung befand. Das Aquarell, mit dem der Künstler sein Inneres nach Außen kehrt, ist zwar nicht datiert, doch dürfte es in Blechens letzten Lebensjahren entstanden sein.
Ganz vereinzelt geringfügige braune Fleckchen. Wunderbar farbfrisch und insgesamt in sehr guter Erhaltung.
Dr. Peter Prange

Wir danken Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, Berlin, für die Bestätigung der Authentizität am 4.10.2022 und für wertvolle Hinweise.

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