Details

Wichmann 1406.

Literatur:
Siegfried Wichmann, Werkverzeichnistext, Starnberg, vom 28.1.1988;
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Landschaft mit Brücken. Dokumentation, Starnberg-München, R.f.v.u.a.K. 1997, S. 51f., Bayer. Staatsbibl. München, Inv.-Nr. Ana 656 SW 140;
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, S. 512, Kat.-Nr. 1406.

Provenienz:
Galerie Commeter, Hamburg; Katalog 197, 2. und 4. April 1938, Los 197
Galerie Commeter, Hamburg, 29. April 1939; S. 24, Los 162;
Privatbesitz, Dreieich (Hessen);
Neumeister, München, Auktion 220, 14./15.März 1984, Los 1488;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Auf nahezu quadratischem, ungewöhnlichem Format entwickelt Spitzweg eine kleine Welt, die so charakteristisch für sein malerisches Werk ist: Nichts Besonderes, gar Aufregendes geschieht, keine genrehafte Geschichte wird erzählt – wie so oft auf Spitzwegs Gemälden ereignet sich eigentlich nichts: Sein kleines Gemälde zeigt den Einblick in eine bewaldete Landschaft mit einem von Hügeln gesäumten Bach, über den ein hölzerner Steg führt. Über ihn geht eine nicht näher identifizierbare Person, die ihren Weg auf dem sandigen Pfad aus dem Bild heraus fortsetzen wird. Es ist ein stiller, geräuschloser Moment, den Spitzweg festhält: der flüchtige Eindruck eines Augenblicks, in dem sich der Mensch in der Landschaft nicht nur verliert, sondern nahezu auflöst.
In dem anspruchslosen, alltäglichen Motiv klingen zwar noch spätromantische Vorstellungen nach, in denen der Mensch mit der Natur im Einklang ist, gleichsam die Utopie eines einfachen Lebens, doch löst Spitzweg diesen Eindruck in Farbe auf. Selten ist Spitzweg der Flüchtigkeit des Moments malerisch so nahe gekommen, selten hat man bei ihm eine derart skizzenhafte Auffassung und Freiheit im Farbauftrag gesehen! Es ist eine helle, fast fröhliche Farbigkeit, die sich von Spitzwegs sonst üblichen, meist erdigen Farben unterscheidet. Grün- und Beigetöne bestimmen die irdische Zone, darüber steigen hohe, weiße Wolken im blauen Himmel auf – und dazwischen blitzt ein Gelb hervor, wie man es bei Spitzweg kaum je gesehen hat!
Wie sich die Farbe vom Gegenstand zu lösen beginnt und sich erst aus der Ferne betrachtet die pastos gesetzten Pinselstriche zu einem Ganzen zusammenfügen, sich zu Formen und Formationen zusammenschließen, erst ein Bild entsteht, ist für das Spätwerk Spitzwegs charakteristisch. Wie Spitzweg der Landschaft durch Farbe, Licht und Duktus Lebendigkeit und Bewegung gibt – ein solches Vorgehen setzte ein gesteigertes Abstraktionsvermögen voraus, das sich Spitzweg seit den 1860er Jahren zunehmend angeeignet hatte. Es ist dabei höchst eindrucksvoll zu sehen, mit welcher malerischen Sensibilität Spitzweg Farbvaleurs, Modulationen und Lichtverhältnisse allein aus der Farbe entwickelt.
Die Art dieser „reinen“ Malerei, in der sich die Farbe über die Form erhebt, hat man zu Recht häufig als „vorimpressionistisch“ bezeichnet, denn tatsächlich sind solche „Farberprobungen“ ohne die Erfahrungen, die Spitzweg in Frankreich gesammelt hatte, nicht denkbar. Zusammen mit Eduard Schleich hatte er 1855 die Weltausstellung in Paris besucht und war anschließend in die südlich von Paris gelegene Künstlerkolonie Barbizon gereist, deren Maler sich einer realistischen, auf Beobachtung beruhender Naturauffassung verpflichtet fühlten. Ihre „Paysages intimes“ haben Spitzweg nachhaltig beeinflusst und zu ähnlichen Farbexperimenten inspiriert. Die kürzelhaften Farbbewegungen Spitzwegs, seine spontane Freiheit des Farbauftrags, haben ihren unmittelbaren Paten in Ölskizzen der Schule von Barbizon, vor allem Narcisso Díaz de la Peñas.
Dr. Peter Prange
Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von Detlef Rosenberger am 22.9.2022 bestätigt.

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