Alexej von Jawlensky

Blumenstillleben mit Tulpen

Details

Ausstellung:
Der Garten der Avantgarde. Heinrich Kirchhoff: Ein Sammler von Jawlensky, Klee, Nolde (…), Museum Wiesbaden 2017/18, S. 349 mit Abb.

Provenienz:
Atelier des Künstlers;
Tony Kirchhoff, Wiesbaden, als Geschenk des Künstlers, Weihnachten 1933;
Redfern Gallery, London, verso mit dem Etikett;
Sammlung Mrs. Blin, Großbritannien, lt. Redfern-Etikett 1966 bei Vorgenannter erworben;
Sotheby’s, London 6.10.1999, Los 111;
Galerie Schwarzer, Düsseldorf;
Privatsammlung, Deutschland;
Van Ham, Köln 30.11.2016, Los 24;
Privatsammlung, Deutschland.

Beschreibung

Im Jahr 1929 zeigen sich bei dem 65-jährigen Alexej von Jawlensky erste Lähmungserscheinungen der Hände und Kniegelenke als Symptome einer schweren Arthritis. Trotz zahlreicher Klinik- und Kuraufenthalte verschlechtert sich sein gesundheitlicher Zustand zunehmend und seine Beweglichkeit nimmt rapide ab. Hinzu kommen die politischen Veränderungen, die seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 folgen und den Künstler zum Rückzug ins Private zwingen. Jawlenskys Werke werden in den öffentlichen Museen beschlagnahmt und auf den nationalsozialistischen Propaganda-Ausstellungen „Entartete Kunst“ diffamiert. De facto hat er Ausstellungsverbot. Aber weder seine eingeschränkte Gesundheit noch die politischen Umstände können Jawlensky vom Malen abhalten. Er entwickelt eine eigene Methode, um trotz seiner teils massiven körperlichen Beschwerden und der fortschreitenden Versteifung seiner Finger weiterhin arbeiten zu können. Auf überwiegend kleinen Karton- oder Papierformaten gestaltet er nur mit langen, durchgehenden Pinselstrichen seine Motive. So kann er noch 1934 mit seiner letzten großen Serie, den „Meditationen“, beginnen und bis zur vollständigen Lähmung im Jahr 1938 eine erstaunlich hohe Anzahl an Werken realisieren. In dieser schwierigen Situation der 1930er Jahre beginnt Jawlensky schließlich, sich nach einer Unterbrechung von fast zwei Jahrzehnten wieder Naturmotiven zuzuwenden. Während seiner Kuraufenthalte entstehen einige wenige Landschaften. Zurück in Wiesbaden, wo er kaum noch die Wohnung verlassen kann, malt er bis 1938 neben den „Meditationen“ in erster Linie kleinformatige Blumenstillleben. Diese Blumenarrangements verbinden ihn mit der Natur und dem Leben außerhalb der Wohnung, an dem er nicht mehr teilhaben kann.
Aufgrund seiner fortschreitenden Lähmungen muss sich Jawlensky bei den Blumenstillleben ebenso wie bei den Gesichtern der „Meditationen“ auf einfachste künstlerische Mittel beschränken und die Motive in starker Vereinfachung und auf das Wesentliche reduziert wiedergeben. Er verzichtet auf Umrisslinien, Pflanzen und Gegenstände entstehen allein durch die kurzen, sich teils überschneidenden horizontalen und vertikalen Pinselstriche. Anders als die in dunklen Farbtönen gehaltenen mystisch-religiösen „Meditationen“ sind die Blumenbilder von hellen und heiteren Farben geprägt und vermitteln Lebensfreude, Vitalität und Zuversicht. Sie entstehen nicht in Serie, sondern als Einzelstücke und sind für Jawlensky Ausdruck der Hoffnung, die er verspürt, wenn es ihm phasenweise besser geht: „Als ich etwas Erleichterung in meinen Händen fühlte, malte ich gleich große Bilder, nur Stillleben, meistens Blumen. Sie sind sehr schön in Farben (…)“ (zit. in Ausst.-Kat., Alexej Jawlensky, München/Baden-Baden 1983, S. 332).
Das „Blumenstillleben mit Tulpen“ entsteht um 1930 und zählt somit zu den frühen Arbeiten der späten Werkphase. In den runden Formen der Tulpenblüten scheint noch eine gewisse Feinmotorik erkennbar zu sein. Die Farbpalette wirkt besonders leicht und freundlich, der vielfach sichtbare helle Maluntergrund wird als Gestaltungselement mit einbezogen. Gleichzeitig verstärken die verwendeten Komplementärkontraste Rot-Grün und Orange-Blau die Intensität der Komposition.
Laut der Widmung auf der Rückseite schenkt Jawlensky das Gemälde zu Weihnachten 1933 Tony Kirchhoff, der Frau des Kunstmäzens und Sammlers Heinrich Kirchhoff (1874-1934). Seit 1928 lebten sie in direkter Nachbarschaft in Wiesbaden und waren eng mit Jawlensky befreundet. Heinrich Kirchhoff unterstützte den Künstler finanziell und besaß zahlreiche seiner Werke. Die Sammlung Kirchhoff galt seinerzeit als eine der wichtigsten Sammlungen expressionistischer Kunst, ein Großteil der Werke wurde bis 1933 im Museum Wiesbaden als Leihgabe ausgestellt. Nach dem Tod Kirchhoffs 1934 wurde die Sammlung aufgelöst.

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