Otto Mueller

Selbstbildnis mit Gitarre

Details

Pirsig-Marshall/von Lüttichau G1904/03 (31).

Literatur (Auswahl):
Mueller, Emmy, Erinnerungen an O. M., unveröffentlichtes Typoskript, Anfang 1950er Jahre, S. 16;
Kocher-Benzing, Frieder, Antiquariatskatalog, Stuttgart 1961, Kat.-Nr. 13, verso auf dem Keilrahmen bezeichnet;
Remm, Christiane, Otto Mueller, Begleitbuch zu den Ausstellungen Kunstmuseum Ravensburg, Brücke-Museum Berlin, Kunsthalle Emden, 2014-16, München 2014, farb. Abb. 14;
Mück, Hans-Dieter und Dieter W. Posselt (Hrsg.), Otto Mueller zum 140. Geburtstag, Jahrbuch der Otto Mueller-Gesellschaft e. V., Bd. II/III, Weimar 2014, farb. Abb. 80, S. 60.

Ausstellung:
Sonder-Ausstellung Dresdner Künstler und Künstlerinnen, Dresden, Januar 1904 (Leihgabe von Martha und Carl Hauptmann);
Otto Mueller. Eine Retrospektive. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München/Museum Folkwang, Essen 2003, Kat.-Nr. 3, farb. Abb. Tafel 3, S. 11;
Otto Mueller aus einer Privatsammlung, Galerie Thomas, München 2007, farb. Abb. S. 9, verso auf dem Rahmen mit dem Etikett;
Von der Leichtigkeit des Seins. Otto Mueller 1874-1930, Kunsthaus Apolda Avantgarde, Apolda 2008, Bd. 2, s/w Abb. 41;
Otto Mueller – Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Holzschnitte, Lithographien, Galerie Nierendorf, Berlin 2009, Kat.-Nr. 2, mit farb. Abb.;
Einfach, Eigen, Einzig. Otto Mueller 1874-1930, Begleitbuch zu den Ausstellungen der Otto Mueller-Gesellschaft e. V., Kunstsammlungen Zwickau u.a. 2012/13, Bd. 1, Kat.-Nr. 1, farb. Abb. 3;
Im Dialog mit Otto Mueller. Eine Hommage (…), Jahrbuch der Otto Mueller-Gesellschaft e. V. zur Eröffnung des Otto Mueller Museums der Moderne Schmalkalden, Bd. IV/V, Weimar 2019, Kat.-Nr. 1, farb. Abb. 1.

Provenienz:
Martha und Carl Hauptmann, Schreiberhau;
Paul Kother, Geschenk des Künstlers im August 1905;
Privatbesitz, 1958;
Galerie Gerd Rosen, Berlin;
Privatbesitz, bis 1998;
Hauswedell & Nolte, Hamburg 5./6.6.1996, Los 587, farb. Abb. S. 213;
Hauswedell & Nolte, Hamburg 13.6.1998, Los 842, farb. Abb. S. 221;
Galerie Thomas, München;
Sammlung Dieter W. Posselt, seit 1998.

Beschreibung

Als Otto Mueller 1919 nach Breslau übersiedelt und seine Professur an der Akademie annimmt, lässt er durch seine Frau Maschka in Berlin nahezu sein komplettes Frühwerk vernichten. Heute sind nur noch elf Arbeiten aus der Zeit vor 1900 bekannt, aus dem folgenden Jahrzehnt lediglich etwa 30 Werke. Es gibt dazu keine überlieferten Beweggründe des Künstlers, auch keine Aufstellung der fast 200 vernichteten Arbeiten. Die wenigen heute erhaltenen Werke erscheinen daher umso bedeutender, stellen sie doch eine überaus persönliche kritische Auswahl des Künstlers dar.
Das „Selbstbildnis mit Gitarre“ ist eines dieser raren Frühwerke Otto Muellers. Es entsteht um 1904 vermutlich in engem Zusammenhang mit dem „Doppelporträt mit Maschka Mayerhofer“ (auch „Venus mit Täubchen“), das vom klassischen Bildtypus der Schlafenden Venus, insbesondere von Tizian, beeinflusst ist. Das Doppelportät zeigt den Künstler als Musiker sowie seine spätere Frau Maschka als liegenden Halbakt. Das aktuelle Werkverzeichnis (2020) führt dazu zwei Versionen auf, die heute beide als verschollen gelten (WVZ G1904/01 und G1904/02), nennt im jeweiligen Text jedoch die Annahme, dass es insgesamt drei Versionen gegeben haben könnte. Möglicherweise ist das „Selbstbildnis mit Gitarre“ ein Fragment dieser dritten Version: „(…) ganz ähnlich in der Haltung – nur noch etwas weiter nach vorne gebeugt und vor einem offenen Fenster anstelle des Vorhangs im Hintergrund – stellt sich der Maler in (…) (dem) ‚Selbstbildnis mit Gitarre‘ (dar). Die (…) offensichtlich beschnittene Leinwand verdeutlicht, dass es sich (…) nicht um eine Selbstinszenierung des Künstlers handelt. Vielmehr ist der nachträglich isolierte Gitarrenspieler in ein Bild hinein zu denken, das ‚Venus mit Täubchen‘ entspricht.“ (Ch. Lange, in: Ausst.-Kat. München/Essen 2003, S. 16).
Mueller setzt sich in seinem symbolistischen Frühwerk nicht nur ikonographisch mit der Renaissance-Malerei auseinander, sondern auch maltechnisch: Er pflegt „(…) eine sehr feine, lasierende und äußerst delikat wirkende Malerei, die beinahe altmeisterlich erscheint. Und so wurde diese besondere Qualität seiner Malerei ebenfalls mit Tizian verglichen (…). Emmy Mueller erinnert sich an das frühe Schaffen ihres Bruders: ‚Er nannte die Zeit später ‚wo er getiziant‘ hat‘. Im Detail jedoch verwendete Otto Mueller diese Technik recht großzügig, geradezu unstofflich. Teilweise sichtbar bleibende Pinselstriche und kaum differenzierte Farbflächen zeugen von seinem modernen Verständnis von Malerei. Dies hat eine zunehmende Reduzierung der Bildelemente auf schlichte Formen und (Farb-)Flächen zur Folge. Sie dokumentieren Muellers künstlerische Entwicklung hin zu einem eigenen Stil und verweisen auf sein später formuliertes künstlerisches Ziel, ‚mit größtmöglicher Einfachheit Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken.‘“ (Ch. Remm, München 2014, S. 24 f.).

Zu abweichenden Einschätzungen bezüglich Datierung, Provenienz und erster Ausstellung des „Selbstporträts mit Gitarre“ kommt Hans-Dieter Mück von der Otto Mueller-Gesellschaft. Die rückseitige Bezeichnung auf dem Keilrahmen „1902 Rockau b. Dr.“ deutet er als Handschrift des Künstlers und somit als einen Beleg dafür, dass dieser bereits im Herbst/Winter 1902 in dem Dorf Rockau östlich von Dresden wohnte und dort das Gemälde als frühestes erhaltenes Selbstporträt gemalt habe. Das Werk sei dann im Januar 1904 bei der „Sonder-Ausstellung Dresdener Künstler und Künstlerinnen“ in Dresden erstmals öffentlich ausgestellt worden, als Leihgabe von Carl und Martha Hauptmann aus Schreiberhau. Carl Hauptmann, ebenso wie dessen Bruder Gerhart Hauptmann ein Cousin von Otto Muellers Mutter, und seine Frau Martha hatten ein enges Verhältnis zu dem jungen Künstler und förderten ihn finanziell. Laut Mück habe Mueller sein Selbstporträt jedoch wenig später bei Hauptmann gegen das 1904 entstandene „Doppelbildnis mit Maschka Mayerhofer“ wieder eingetauscht und seinem Studienfreund und Malerkollegen Paul Kother geschenkt, als dieser am 18. August 1905 sein Trauzeuge bei der Hochzeit mit Maschka war (vgl. hierzu H.-D. Mück in: Bausteine zur Werkbiographie von Otto Mueller, Teil II. 1974-1970, Sonderband II der Otto Mueller-Gesellschaft e. V., Weimar 2021, S. 178).

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