Details

Wichmann 901 (mit abweichenden Werkangaben).

Literatur:
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, S. 384, Kat.-Nr. 901.

Provenienz:
Grisebach, Berlin, Auktion 207, 29.5.2013, Los 168;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Es ist ein für Spitzweg charakteristisches Arrangement, das der Maler vor dem Betrachter ausbreitet: Auf einem Waldweg befinden sich zwei Frauen, umgeben von dem Dunkel des dichten Walds. Die unten rechts von der Sonne beschienene Zone haben sie gerade verlassen und tauchen nun ein in den Wald auf ihrem Weg nach oben, an dessen Ende hinter den Bäumen die Sonne durchbricht und wie in einem Fenster das Blau des Himmels sichtbar wird. Es zieht alle Blicke an und ist das Kraftzentrum der Komposition.
Der Weg aus dem Dunkel ans Licht bzw. das Licht in der Dunkelheit ist ein Motiv, das sich in Variationen leitmotivisch durch Spitzwegs Landschaftsbilder zieht. Hier verkörpert es das Geheimnis des dichten, undurchdringbaren Waldes, die Unkenntnis dessen, was seine Protagonisten dort erwartet – getragen von der Hoffnung, am Ende des Wegs das leuchtende Licht zu erreichen. Es ist dieses transitorische, fein abgestimmte Verhältnis von Hell und Dunkel, von Furcht und Erleichterung, dem Licht entgegenzustreben, das sich in der Ferne offenbart, dass Spitzwegs kleine Landschaften weit mehr als bloße Naturschilderung erscheinen lassen. Ihnen ist ein metaphorischer Gehalt eigen, der in der Tradition des Märchens verwurzelt ist: Dort ist der Wald dunkel und dicht, auch furchteinflößend, und ein Weg führt oft erst nach endlosem Herumirren heraus – mit diesen lang erprobten Topoi spielt Spitzweg, doch präsentiert er immer einen Ausweg aus dem Dunkel. Mit dieser Adaption des Märchens gelingt ihm die Brechung ins Beschaulich-Idyllische, mit der Spitzweg den Nerv der Zeit traf.
Auch mag man in dem Weg der beiden Frauen zum Licht, das seit jeher in einem metaphorischen Sinne Erkenntnis verkörperte, den Lebensweg erkennen, an dessen Ende Einsicht und Erfahrung stehen. Es sind nicht nur diese vielschichtigen inhaltlichen Andeutungen, die Spitzwegs kleine Landschaften so reizvoll machen; darüber hinaus zeigen seine seit den 1860er Jahren entstandenen Landschaften eine malerische Finesse, die Günther Roennefahrt in seinem Gutachten von einer „impressionistischen Note“ sprechen ließ. Tatsächlich bestätigen die flirrenden Farbeffekte auf dem Waldboden und die Art, wie sich das einfallende Licht in den Blättern fängt, diesen „impressionistischen“ Eindruck, in dem der kürzelhafte Farbauftrag das scheinbar Ungefähre offenbart. Erst aus der Ferne betrachtet entfaltet es seinen großen malerischen Reiz, in dem sich die pastos gesetzten Farbinseln zu einem Ganzen zusammenfügen.
Wie Farbfrische und – intensität, Farbklang und –auftrag, Hell und Dunkel scheinbar selbst zueinander finden, um Farbe, Stimmung und Atmosphäre einzufangen, hat Spitzweg seit seinem Aufenthalt in Paris und speziell in Barbizon 1851 wiederholt erprobt. Zusammen mit Eduard Schleich hatte er dort die Weltausstellung und anschließend die südlich von Paris gelegene Künstlerkolonie Barbizon besucht, deren Maler sich einer realistischen Naturdarstellung verpflichtet fühlten. Namentlich Narcisse Díaz de la Peñas „Paysages intimes“, in denen er häufig das anspruchslose Motiv eines dichten Waldes einfing, haben Spitzweg nachhaltig beeinflusst und zu ähnlichen Experimenten Inspiriert, in denen er zur reinen Malerei fand, die sich mit einigem Recht als „vorimpressionistisch“ bezeichnen lässt.
Peter Prange

Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von Detlef Rosenberger am 25.2.2022 bestätigt.

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