Jan Brueghel d. J.

Felsige Flusslandschaft mit Flucht nach Ägypten

Details

Literatur:
Klaus Ertz: Jan Brueghel der Ältere (1568-1625). Die Gemälde mit kritischem Œuvrekatalog, Köln 1979, S. 207, Anm. 236.

Ausstellung:
Katalog der Ausstellung: Das Flämische Landschaftsbild des 16. und 17. Jahrhunderts, Ausstellung 6.-30. November 1927, Galerie Dr. Gottschewski/Dr. Schäffer, Berlin 1927, S. 12, Nr. 20, Taf. XIV (als Jan Brueghel d. Ä.)

Provenienz:
Galerie Dr. Gottschewski/Dr. Schäffer, Berlin, 1927 (als Jan Brueghel d. Ä.);
Winkel og Magnussen, Kopenhagen, Auktion 101, 29.10.1931, Los 8 (als Jan Brueghel d. Ä.); Privatsammlung, Dänemark (in obiger Auktion erworben);
Bruun Rasmussen, Kopenhagen, Auktion, 3.11.1981, Los 6 (als Jan Brueghel d.Ä.);
danach Privatbesitz, Norddeutschland.

Beschreibung

Als Jan Brueghel d. J. nach dem Ausbruch der Pest 1625 in Antwerpen, die seinen Vater Jan d. Ä. hingerafft hatte, in seine Heimatstadt zurückkehrte, um dort das väterliche Atelier zu übernehmen, schloss er sich nicht etwa der neuen Landschaftskunst eines Peter Paul Rubens an, sondern setzte die Tradition seines Vaters fort. Sein landschaftliches Werk besteht zu einem großen Teil aus Kopien oder Varianten nach vorgefundenen Motiven seines Vaters, die er weiterentwickelte. Die Brueghel-Mode hatte nach dem Tod des Vaters ihren Höhepunkt erreicht und der Sohn konnte die Nachfrage nach Gemälden in der Art seines Vaters kaum befriedigen.
In dieser kurzen Phase, die nur bis etwa 1632 dauert, ist zu Beginn der 1630er Jahre unsere kleine Tafel in der künstlerischen Nachfolge seines Vaters entstanden. Sie galt ehemals als Arbeit Jans d. Ä., was nicht verwunderlich ist, denn sie geht direkt zurück auf eine seiner Kompositionen, die in zwei Fassungen als kleinformatige Rundkomposition existiert: Eine signierte Version der „Felsigen Flusslandschaft mit der Flucht nach Ägypten“ entstand 1600 (New York, Sotheby’s, 20. Mai 1993, Los 25, vgl. Klaus Ertz: Jan Brueghel der Ältere (1568 – 1625). Landschaften mit christlichen Themen, Mythologie, Bd. 2, Lingen 2008, S. 514, Kat. Nr. 232, Abb.) und eine weitere Version datiert Klaus Ertz um 1605 (London, Privatbesitz, vgl. ebd., S. 514-515, Kat. Nr. 233, Abb.). Die Rundkomposition seines Vaters übersetzte Jan ins Rechteck, mit dem er die Landschaft derart ausweitet, dass man sich als Betrachter in ihr verlieren kann. Jan d. J. übernimmt zwar die Landschaftssilhouette des Vaters mit den Häusern, die durch eine Brücke mit Reiter verbunden sind, doch vergrößert er ihren Abstand zueinander merklich. Aus dem kurzen, schluchtartigen Bachlauf des Vaters macht Jan d. J. einen breiten, die Komposition durchziehenden Bach, der sich von Felsen und üppiger Ufervegetation gesäumt in mehreren Stufen durch das Bild schlängelt. Gespickt mit der Natur abgeschauten Details wie das Schilf oder die abgebrochenen Bäume erzählt Jan d. J. im Gegensatz zu seinem Vater eine andere Geschichte, in deren Mittelpunkt die Landschaft steht. Sie ist der Hauptakteur des Bildes, sie bekommt bei Jan d. J. eine gestalterische Tiefe, die seinem Vater fernliegt. Während sein Vater die Landschaft im Rund gleichsam umschließt, öffnet sein Sohn den Blick auf eine urwüchsige Landschaft voller erzählerischer, mit höchster malerischer Fertigkeit vorgetragener Details, in der die Menschen und Josephs Flucht mit Maria und dem Christuskind nur Beiwerk sind – sie sind als heilige Figuren kaum erkennbar und könnten auch Wanderer sein wie die Gestalten hinter ihnen. Jan Brueghel d. J. hat das Thema der Ruhe auf der Flucht vorher wiederholt dargestellt (vgl. Ertz 1984, S. 308-310, Kat. Nrn. 137-140, und S. 314-319, Kat. Nrn. 147-151), doch nie in eine so ausgreifende Landschaft eingebettet wie auf unserer kleinen Kupfertafel. Insofern dokumentiert die kleine Tafel auch einen Wandel, in dem das christliche Thema hinter die Landschaft zurücktritt, deren Ausbreitung im Mittelpunkt der Darstellung steht. Dass Brueghel mit solchen Landschaften bei seinem Publikum erfolgreich war, belegt auch eine zeitgenössische, im Format unserer Fassung nahezu entsprechende Kopie, die sich in Göteborg befindet (Konstmuseum, Inv. Nr. GKM 1670, vgl. Ertz 1979, S. 207, Abb. 252).
Peter Prange

Mit Gutachten und Foto-Expertise von Dr. Klaus Ertz, Lingen, datiert 18.11.2021

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