Bernhard Heiliger

Entwurf für das Denkmal des unbekannten politischen Gefangenen

Details

Wellmann 147 (Exemplar dort nicht aufgeführt).
Wir danken Marc Wellmann, Berlin, für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung des Werkes.

Provenienz:
Privatsammlung, Europa.

Beschreibung

Im Januar 1952 schreibt das Londoner Institute of Contemporary Art (ICA) den bis dahin größten internationalen Wettbewerb für ein öffentliches Denkmal aus. Das Projekt zum Thema „Unknown Political Prisoner“ („Unbekannter politischer Gefangener“) wird mit einem siebensprachigen Prospekt, darunter auch Russisch, beworben und setzt ein bedeutendes Zeichen in der Denkmaldiskussion der Nachkriegszeit und vor allem im Kontext des Kalten Krieges. Zum Organisationskomitee gehören der Bildhauer Henry Moore und der Direktor der Tate Gallery, Sir John Rothenstein, in der internationalen Auswahljury sitzen unter anderem der deutsche Kunsthistoriker Will Grohmann und Alfred H. Barr jr., Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, New York. Mit dieser Personenauswahl wird die künstlerische Intention des Wettbewerbs deutlich unterstrichen und der Diskussion um die abstrakte Skulptur im öffentlichen Raum der Weg geebnet. Nach nationalen Vorausscheidungen werden die Ergebnisse im Frühjahr 1953 in einer Ausstellung in der Londoner Tate Gallery präsentiert. Zum Sieger des Wettbewerbs wird der Entwurf von Reg Butler gewählt, der einen abstrahierten Wachturm aus Eisenstäben vorsieht.

Bernhard Heiliger setzt sich mit seinem Entwurf eines acht Meter hohen Denkmals bei der deutschen Vorauswahl gegen insgesamt 262 deutsche Einsendungen durch und gewinnt den mit 2.000 DM dotierten Preis der Deutschen Bundesregierung sowie einen Anerkennungspreis des ICA.

„Heiliger hatte das gestellte Thema mit einer universell lesbaren Chiffre bewältigt, die das Gefangensein mittels einer auf die Knie gesunkenen, kopflosen Figur, die von einem Gitternetzwerk eingezwängt wird, verdichtet. Im Kontrast zum rauen, an Stacheldraht erinnernden Gitter wirkt die glatte Oberfläche der Figur verletzlich und vermittelt in ihrer Torsion körperliche Empfindungen von Bedrohungen und Schmerz. Vergeblich versucht sie, sich aus dem Käfig zu befreien oder zumindest den Verletzungen durch die auf sie gerichteten Stacheln zu entgehen. Lediglich nach oben scheint ein Ausweg offen, wohin die drei Spitzen des Gitters weisen. Heiliger übertrug das Motiv der Dornenkrone aus der Passion Christi auf den gesamten Leib eines gemarterten Menschen. Der Gefangene wird dadurch als Opfer größerer Mächte erfahrbar, dessen Leiden zumindest die Hoffnung auf Erlösung in sich trägt und zwar weniger für sich selber als für den zeitgenössischen Betrachter als Bewohner einer bedrohten Welt, die mit dem seit 1950 wütenden Korea-Krieg erstmals militärische Auseinandersetzungen der verfeindeten Blöcke erlebte. (…)

Seit 1984 ist ein Bronzeguss des Entwurfes als Schenkung des Künstlers im Berliner Mauermuseum im Haus am Checkpoint Charlie ausgestellt, also in einem Kontext, der Heiligers Werk unmittelbar als Ausdruck der Unterdrückung und Verfolgung der Menschen im Kalten Krieg anschaulich werden lässt.“ (Marc Wellmann, in: Bernhard Heiliger, 1915-1995. Monographie und Werkverzeichnis, Künzelsau 2005, S. 126).

Als Jurymitglied setzt sich Will Grohmann nach dem Wettbewerb intensiv dafür ein, den Siegerentwurf von Reg Butler in West-Berlin, quasi dem Konzentrationspunkt des Kalten Krieges, zu realisieren. Nachdem diese Pläne gescheitert sind, versucht er leider ebenfalls vergeblich Heiligers „Gefangenen“ aufzustellen. „Als Grohmann sah, das geht nicht (die Aufstellung von Butlers Skulptur), hat er wenigstens versucht, für Deutschland meinen Entwurf zu realisieren, und sagte, dann stellt doch wenigstens Heiligers Entwurf hier nach Berlin. Das war aber auch nicht möglich. Keiner wollte so recht ein großes Mahnmal, das an irgendetwas erinnert. Aber dieser Wettbewerb war eine große Geschichte für viele, vor allem für die deutschen Bildhauer, denn die meisten wurden dadurch erstmals im Ausland wahrgenommen.“ (Heiliger, zit. nach: Wellmann 2005, S. 127).

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