Carl Spitzweg

Bergsee (Hochtal mit See, rechts kleine Staffagefigur)

Details

Wichmann 1160 (dort irrtümlich als Aquarell deklariert).

Literatur:
H. Uhde-Bernays: Carl Spitzweg. Des Meisters Leben und Werk, 5. Aufl. München 1919, Abb. 108;
G. Roennefahrt: Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle. München 1960, Nr. 99.

Provenienz:
Nachlass Dietrich Langko (1819-1896);
Sammlung Deutsch, München;
Hugo Helbig, München, Auktion, 12.5.1931, Los 143;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

„Du kannst Dir gar nicht vorstellen, welche Sehnsucht und Lust zu reisen ich habe“, schrieb Spitzweg im September 1840 an seinen Bruder Eduard, als er sich gerade auf dem Weg nach Venedig befand. Seine Neugier, Entdeckungshunger und Beobachtungsgabe führten Spitzweg auf zahlreiche Reisen auch ins Alpenvorland, zunächst mit erfahrenen Malerfreunden wie Christian Heinrich Hansonn oder Dietrich Langko, insbesondere aber mit Eduard Schleich, mit dem Spitzweg seit etwa 1835 befreundet war. In der Regel hat Spitzweg dort gezeichnet, führte immer ein Skizzenbuch mit, in das er skizzierte – selten entstanden dagegen Aquarelle oder Gouachen wie hier. Auf ihr fällt der Blick über das diesseitige, leicht abfallende Ufer mit einigen, nach links sich auftürmenden Felsbrocken auf einen Bergsee, hinter dem am anderen Ufer eine Bergkette hoch aufsteigt. Auf der diesseitigen Wiese kehrt eine Magd mit einem Wassertrog auf dem Kopf zur Almhütte zurück; auf der Wiese davor ruhen einige Kühe – es ist eine bildmäßig ausgearbeitete, beschauliche Szene von fast kobellscher Anmutung.
Es ist bisher nicht gelungen, den Bergsee zu identifizieren, doch steht außer Frage, dass die Gouache in den Bergen vor Ort auf einer von Spitzwegs zahlreichen Ausflügen entstanden ist. Mit großer zeichnerischer Souveränität hat Spitzweg den Vordergrund angelegt – zunächst mit der Feder Umrisse und Konturen festgelegt, um danach mit der Deckfarbe Felsen und Wiese in Braun- und Grüntönen detailreich Gestalt zu geben. Im Gegensatz zu diesem erzählerischen Detailreichtum steht die summarische Ausformulierung von Ebene, Bergen und Himmel.
Die summarische Zusammenfassung von Bergen und Himmel dagegen, ihre silhouettenhafte Charakterisierung ähnelt seinen wenigen Landschaftsaquarellen und in der Tat drängt sich beim ersten Anblick der Eindruck eines Aquarells auf, als das es auch fälschlicherweise im Werkverzeichnis von Siegfried Wichmann deklariert ist. Erst auf dem zweiten Blick fällt das Unfertige, Unvollendete des Gemäldes auf – die Berge bekommen zwar durch den pastosen Farbauftrag des Pinsels ihre charakteristische Silhouette, doch werden sie in ihrer Gestalt kaum differenziert. Ganz rechts wird der Berg mit dem Bleistift sogar nur im Umriss angedeutet, während der Himmel zwischen einem hellen Blau und dem ockergelben Farbton des Malgrundes changiert.
Man könnte das Unfertige als Bezug auf die romantische Tradition des Vollendeten im Unvollendeten deuten, doch ist dieses Erbe Spitzweg fremd – er offenbart damit vielmehr einen einzigartigen Einblick in den künstlerischen Schaffensprozess. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass Spitzweg die detailliert ausgearbeitete Uferzone des Vordergrundes an Felsen und der oberen Kante des Sees entlang ausgeschnitten hat; die Berge und der Himmel hat er auf ein anderes Papier gemalt – offensichtlich Transparentpapier, das ihm beim Aufkleben auf den Malkarton an mehreren Stellen einriss. Zur Stabilisierung dürfte er dann den Malkarton auf Leinwand übertragen haben. Man kann nur darüber spekulieren, was Spitzweg zu diesem umständlichen Verfahren veranlasst hat, doch hat er wahrscheinlich zunächst am Ergebnis seiner Bemühungen keinen rechten Gefallen gefunden und für Berge und Himmel nach einer neuen Lösung gesucht, die er dann allerdings nicht mehr weiter verfolgte. – Etwas unregelmäßig nachgedunkelt.

Die Authentizität der vorliegenden Arbeit wurde von Detlef Rosenberger am 19.2.2021 bestätigt. Das Werk wird in das in Vorbereitung befindliche digitale Werkverzeichnis aufgenommen.

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