Emil Orlik

„Číňanky“ (Chinesinnen)

Details

Wir danken Dr. Birgit Ahrens für die freundlichen Hinweise bei der Katalogisierung dieses Werkes.
Provenienz:
Christie’s, London 24.6.1986, Los 130;
Privatsammlung, Süddeutschland, bei Vorgenannter erworben; durch Erbfolge an die jetzigen Besitzer.

Beschreibung

Bereits im Alter von 19 Jahren beginnt der in Prag geborene und aufgewachsene Emil Orlik mit teils ausgedehnten Reisen, die ihn, trotz des Studiums in München, der erfolgreichen Arbeit im eigenen Atelier und ab 1905 seiner Lehrtätigkeit als Professor in Berlin, fast jedes Jahr in andere Länder Europas führen. 1898 reist er mehrere Monate durch England, Schottland, die Niederlande, Belgien und nach Paris. Spätestens auf dieser Reise sieht Orlik vermutlich in London oder Paris die ersten Rezeptionen ostasiatischer Kunst verschiedener Künstler, allen voran Van Goghs. Seit der Öffnung Japans 1855 und der Präsentation japanischer Kunst und Kunsthandwerks auf den Weltausstellungen war es in Europa zu einer wahren Japanbegeisterung gekommen. Auch Emil Orlik ist fasziniert und entscheidet sich als einer der ersten deutschsprachigen Künstler, selbst das Land kennen zu lernen. Seine zehnmonatige Reise nach Japan 1900/01 wird einschneidend für seine gesamte künstlerische Entwicklung werden. Er besucht die Werkstätten der berühmten japanischen Holzschnitt-Künstler und studiert deren Drucktechniken. Seine Eindrücke hält er in zahlreichen Zeichnungen sowie einer Vielzahl an Holzschnitten, Lithographien und Radierungen fest. Die Quintessenz fließt in die berühmte Mappe „Aus Japan“ ein, die 1904 mit 11 farbigen Radierungen und Lithografien erscheint und zu den herausragenden Arbeiten Orliks zählt. Doch seine Asienbegeisterung ist damit nicht gestillt, 1912 unternimmt Emil Orlik seine zweite ausgedehnte Ostasienreise, die ihn zunächst über Ägypten und Ceylon nach China, Korea und Japan führt, bevor er mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück nach Europa fährt. Am längsten hält er sich dieses Mal in China auf.
„Ende März 1912 verließ Orlik Ägypten mit dem Schiff gen Ceylon und reiste über Singapur nach China. (…) China hat er laut seinen Lebenserinnerungen ‚vom Süden nach dem zauberhaften Peking durchzogen‘. Das Land, dessen ‚wunderbare uralte künstlerische Quellen‘ er lobte, begeisterte ihn; am liebsten wolle er bis zu seiner Rückkehr nur in China bleiben (…). Er machte zahlreiche Figurenstudien und Porträts, darunter auch das einer stehenden Chinesin in einer Pepitahose, vermutlich in der Metropole Shanghai, denn von dort schickte er ein Blatt mit einem ähnlichen Motiv, kommentiert mit den Worten: ‚eine moderne Südchinesin: hohe Kragen und Pepitastoffe sind das modernste‘. Dokumentierte Orlik hier auch einen zeitgenössischen Lebensstil, faszinierte ihn doch an China die in seiner Sicht ungebrochene Tradition, die ‚unberührt von irgendwelchen äußeren Einwirkungen lebt.‘ (Agnes Matthias, in: Ausst.-Kat. Zwischen Japan und Amerika. Emil Orlik. Ein Künstler der Jahrhundertwende, Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 2013, S. 27).
Das Gemälde „Drei Chinesinnen mit Kind“ zeigt Orliks feinfühlige Beobachtungsgabe, die respektvoll und unaufdringlich eine alltägliche Straßenszene einfängt. Die modisch dunkel gekleideten Frauen, mit den besagten hohen Kragen und weiten Hosen, sind nur seitlich bzw. von hinten zu sehen und scheinen keine Notiz von dem fremden europäischen Mann zu nehmen, der sie beobachtet. Dafür schaut das kleine, fröhlich bunt gekleidete Kind, das sich nur leicht schüchtern ans Bein der Mutter schmiegt, umso neugieriger zu ihm (und uns) hin. So bestaunt jeder zunächst das für sich selbst Fremde und ermöglicht im zweiten Schritt die Begegnung miteinander.

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