Details

Jawlensky/Pieroni-Jawlensky/Jawlensky 1343.
Das Werk ist im Fotoarchiv des Künstlers, des sog. Cahier Noir, unter der Nr. „1930 N. 21“ aufgeführt.
Wir danken dem Alexej von Jawlensky-Archiv S.A. für die freundliche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Werkes.

Provenienz:
Irmgard Bouvier (1915–1988), Wiesbaden, 1930er Jahre als Geschenk des Künstlers;
im Erbgang an die Tochter von Irmgard Bouvier;
Phillips de Pury & Luxembourg, Private Sale, New York 2003;
Privatsammlung, Nordrhein-Westfalen.

Beschreibung

Aus einem unbestimmten Hintergrund heraus leuchtet ein Gesicht. Mit wenigen Strichen und in geometrischen Farbfeldern erfasst, füllt das Antlitz fast die gesamte Fläche des Malgrunds aus. Frontal und mit geschlossenen Augen, in absoluter Stille verharrend, rückt der Kopf ganz nah an den Betrachter. Hier blicken wir auf ein Meisterwerk der Serie der Abstrakten Köpfe Jawlenskys.
In dieser Werkgruppe, die zwischen 1918 und 1934 entstand, konzentriert Jawlensky sich auf das Gesicht, immer streng frontal erfasst. Nur wenige Elemente bestimmen den Aufbau: Die U-Form für Kinn und Wangen, die mit ihrer Öffnung nach oben auf das Übersinnliche verweist. Die geraden Striche der Stirnfalte, Nase und Brauen, die rechtwinklig fast aufeinander stoßen und so an ein schlankes Kreuz erinnern. Wellenartige Linien rechts und links der Wangen, Überbleibsel von gelocktem Haar seiner Serie der Mystischen Köpfe. In unserer Arbeit kommen noch zwei schlanke Halbkreise hinzu, die einer Mondsichel gleichen, ein uraltes Symbol für das Weibliche, das Unbewusste und die Innerlichkeit. Letztere drückt sich auch in den geschlossenen Augen aus, die nur mehr durch waagerechte Striche wiedergegeben werden. Sie verbildlichen das innere Schauen, das erst den Zugang zu transzendenten Erfahrungen und Wirklichkeiten ermöglicht. Jawlensky schafft mit einem äußerst reduzierten Formenrepertoire ein Höchstmaß an Verinnerlichung und Konzentration. Zwar sind alle individuellen Züge aus dem Gesicht verschwunden. Dennoch wirken diese Köpfe nicht ausdruckslos, sondern erwecken den Eindruck einer Beseeltheit und strahlen, wie Jawlensky sagte, eine „große Geistigkeit“ aus.
Dieser Kopf vermittelt eine tiefe Ruhe, und doch wirkt er nicht statisch. Die Komplementärfarben Rot und Grün, die den stärksten und wichtigsten Kontrast bilden, stoßen besonders in der oberen Partie aufeinander. Dabei setzt er die Farben nicht rein auf den Bildgrund, sondern mildert sie durch zarte Mischtöne. Durch diese Farbkontraste, wie auch die Gegenüberstellung der hellen, rechten Seite des Gesichts und der linken Seite, die größtenteils im Schatten liegt, entsteht eine Spannung, die etwas Lebendiges, Bewegliches besitzt. Auch die leichte Verschiebung der zentralen Nasenlinie nach links oder die minimale diagonale Kippung des Mundes erhöhen den visuellen Reiz: Es entsteht eine Art vibrierende Ruhe.
Jawlenskys Köpfe werden immer wieder mit Heiligenbildern und Ikonen verglichen. Sie beinhalten in ihrer Abstraktion sicherlich einen tiefen Spiritualismus. Er schrieb dazu, es sei ihm „notwendig, eine Form für das Gesicht zu finden, da ich verstanden hatte, dass große Kunst nur mit religiösem Gefühl gemalt werden soll. Und das konnte ich nur in das menschliche Antlitz bringen. Denn in ihm traf sich innen und außen, Mensch und Welt, Natur und Seele im eigentlichen Sinne des Wortes ,Religion‘.“
Irmgard Bouvier (1915–1988) wurde in Wiesbaden geboren und kannte Jawlensky persönlich. Sie erhielt das Gemälde in den 1930er Jahren als Geschenk dafür, dass sie dem Künstler bei der Katalogisierung der Meditationen geholfen hatte.

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