Details

Ausstellung:
Joseph Beuys. Eine farbige Welt. Objekte, Plastiken, Drucke 1970 bis 1986, Schellmann Art, München 2011, mit farb. Abb. S. 67.

Provenienz:
Nachlass des Künstlers Joseph Beuys, Düsseldorf;
Schellmann Art, München–New York;
Privatsammlung, Deutschland.

Beschreibung

In dieser vielschichtigen Komposition greift Joseph Beuys zwischen 1984 und 1985 noch einmal Themen auf, mit denen er sich in früheren Werkphasen bereits befasst hatte. Diese großformatige komplexe Collage ist aufgebaut aus Karton und fein knittrigem, bläulich gefärbtem Seidenpapier als eine Substruktion, auf der sich die folgenden Schichten entwickeln: Papier und Braunkreuzfarbe, Zeitungspapier, Gummi, Metallstreifen und ein Zettel, der eine Art Schaltkreiszeichnung erkennen lässt; ein Leinwandfragment mit Braunkreuzfarbe, Metallstreifen und parallel angeordnete schmale Gummibahnen. Wie die Schichten einer Lösswand verschmelzen die einzelnen Elemente zu einer Einheit. Besonders augenfällig die obere Schicht, eine Museumsbroschüre mit dem Titelporträt von Johann Moritz Fürst zu Nassau-Siegen, Herrscher aus der Geschichte der niederrheinischen Heimat von Joseph Beuys. Das Fürstenporträt ist eine Anspielung auf ein Hauptwerk des Künstlers, aber auch eine Hommage an Johann Moritz Fürst zu Nassau-Siegen, dessen Wahlspruch „QUA PATET ORBIS“ die Vorstellung von Welt und Natur beeinflusste, die Joseph Beuys für sich entwickelte. So hat die „Straßenbahnhaltestelle – Ein Monument für die Zukunft“, die Beuys 1976 für den Deutschen Pavillon anlässlich der Biennale in Venedig realisierte, einen direkten Bezug zur Vision des Johann Moritz. Mit dieser Arbeit griff Beuys eine Kindheitserinnerung auf, denn als Junge kam er auf seinem Schulweg in Kleve regelmäßig zur Haltestelle „Zum eisernen Mann“, verrostete Überreste eines historischen Monuments, errichtet in der Mitte des 17. Jahrhunderts von Johann Moritz Fürst zu Nassau-Siegen als „Cupido-Säule in Harnisch“. Um eine hoch aufragende, säulenartige Feldschlange gruppieren sich Mienentonnen, die in Beuys’ Kindertagen nur noch als rätselhafte Formenreste angesehen wurden. Sinn und Zweck des Monuments waren in der Überlieferung verwischt, sodass dieser Ort längst nur noch als „Eiserner Mann“ bekannt war. Etwas Geheimnisvolles umgab diesen Ort neben den Gleisen. Noch unbewusst und nicht reflektiert erahnte der Junge einen Zusammenhang von Vergangenheit und Gegenwart und von einer die Zeiten verbindenden Stofflichkeit. Das Eisen, auf dem er wartend saß, war eben auch jenes Material, das als Straßenbahnschienen in der Erde steckte. In dieser Kindheitserinnerung sieht Beuys als Erwachsener den Ursprung seiner Neugier für die Zusammenhänge der Welt und ihrer Materialien, den Botschaften, die sie vermitteln. „Die Geschichte der ‘Straßenbahnhaltestelle‘ nimmt ihren Ausgang an dem Ort, an dem viele vorbeigegangen sind, der aber von wenigen je gesehen wurde“, schreibt Lothar Gallwitz 1976 im Katalog zum Deutschen Pavillon. Nie flossen Kindheitserinnerungen des Künstlers stärker ins Werk ein als bei dieser Installation. So bilden die Elemente der Collage ein fernes analoges Bild zu dem Werk in Venedig, dem Wasser der Lagune, das wir im feinen, blauen Geknitter des Seidenpapiers als zarte Anspielung erkennen.

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