Details

Nicht bei Wichmann (vgl. Wichmann 919); Roennefahrt 506.

Provenienz:
Nachlass des Künstlers;
Hugo Helbing, München, Auktion 24.09.1927, Los 195, Tafel 9;
Neumeister, München, Auktion 262, 12.06.1991, Los 605, Abb.;
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Carl Spitzweg ist ein Meister darin, im Kleinen Großes zu schaffen. Wie kein anderer Münchner Maler in der zweiten Jahrhunderthälfte hat er das kleine Format als eigenständige Kunstform etabliert und damit großen Einfluss ausgeübt – etwa auf Eduard Schleich d. Ä. (Los 89) und Alois Bach (Los 88). Berühmt sind Spitzwegs kleine Gemälde auf dem Holz von Zigarrenkisten, die sich deshalb im Format immer ähneln. Seit den 1870er Jahren hat sich Spitzweg diesem Malgrund zunehmend zugewendet; auch unser kleines Gemälde ist auf Zigarrenholz entstanden. Es zeigt eine Gruppe von Wanderern oder Kindern an einem leicht abschüssigen Waldrand unter Bäumen sitzend bzw. ausruhend, davor verläuft ein Weg, hinter dem sich weite, flache Landschaft mit einem See ausbreitet. Das Gemälde ist unter verschiedenen Titeln bekannt – „Kinder im Wald“ oder „Gesellschaft am Waldesrand“ –; dass es unter keinem eindeutigen Titel firmiert, ist der Tatsache geschuldet, dass Spitzweg hier seine Malerei auf die Spitze treibt. Es ist reine Farbe ohne Form; aus dem Grundton von Grün und Braun des Waldes leuchten punktartige Farbakzente in Rot, Weiß und Blau heraus, die die unter den Bäumen versammelten Personen andeuten. Ob es sich nun um Kinder oder eine picknickende Gesellschaft handelt, lässt sich nicht entscheiden – soll auch nicht zu entscheiden sein, denn Spitzweg geht es allein um die reine Malerei. Die Art des dünnen, lasierenden Farbauftrags erinnert fast an ein dünnflüssiges Aquarell, in dem die Farbflächen ineinander verlaufen und alles Gegenständliche nur angedeutet wird. Es ist das große Geheimnis dieses Gemäldes, dass es von der miniaturhaften Malerei, die uns in vielen anderen Werken Spitzwegs begegnet, weit entfernt ist; es erlaubt keine unmittelbare Nahsicht, sondern entfaltet seinen großen malerischen Reiz aus der Ferne, in der sich die pastos gesetzten Farbinseln zu einem Ganzen zusammenschließen. Das ist kühn und mutig, fast schon „impressionistisch“ zu nennen, denn darum geht es Spitzweg – die Farbe und Stimmung eines sonnigen, unbeschwerten Nachmittags am Waldrand einzufangen.

Nachtrag: Es ist ein kurioser Zufall: Unser kleines Gemälde wurde am 12. Juni 1991 im Auktionshaus Neumeister versteigert; gleichzeitig wurde nur wenige hundert Meter entfernt bei Sotheby’s in München eine weitere, unten links mit dem Nachlassstempel versehene Version als Los 55 angeboten. Wichmann verweist in seinem Werkverzeichnis unter Nummer 919 auf beide Auktionen, wenn auch unvollständig, doch beschreibt er in seinem kurzen Text die bei Sotheby’s angebotene Version, bildet aber irrtümlich unser Gemälde ab, das bei ihm fehlt. – Wir danken Detlev Rosenberger, Oberostendorf, für seine Hilfe bei der Aufklärung dieses Sachverhalts.

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