Heinrich Campendonk

Kühe im Wald

Details

Firmenich 785.

Wir danken Frau Gisela Geiger für ihre umfangreiche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Werks.

Literatur:
Schürmeyer, Walter, Heinrich Campendonk, Frankfurt 1920, Abb. 5;
Schmidt, Paul Ferdinand, Heinrich Campendonk, in: Feuer, II, Weimar 1920/21, s/w Abb. S. 470;
Biermann, Georg, Heinrich Campendonk, in: Junge Kunst, Bd. 17, Leipzig 1921, Abb. 24;
Wember, Paul, Heinrich Campendonk, Krefeld 1960 (erste Monographie und gleichzeitig Ausstellungskat. Krefeld 1960), S. 48 und 84 (dort mit dem Titel „Landschaft mit Tieren“, um 1925, verschollen), Nr. 58, mit s/w Abb. S. 47.

Provenienz:
Galerie Schüler, Berlin, 1953; vom Vorbesitzer dort erworben;
Privatsammlung, USA, durch Erbgang an den jetzigen Besitzer.

Beschreibung

Mit Kriegsende 1918 bricht in Bayern die Revolution aus, ein Sich-entladen umfassender sozialer und politischer Spannungen. Für Campendonk, der sich zusammen mit Paul Klee für die Rolle der Kunst in einer neuen Gesellschaft engagiert, beginnt eine überaus produktive Arbeitsphase. Auffallend ist, dass er ab 1919 die starke Farbigkeit der Zeit als „Blauer Reiter“ hin zu einer eigenen Form der Helldunkelmalerei entwickelt. Zwar entstehen ebenfalls Bilder mit starker Farbkomposition, doch stehen die einfachen und immer wieder variierten Motive nun in einem dunklen Bildraum, aus dem Farben und ein raffiniertes Lichtspiel ein „magisches“ Aufleuchten schaffen. Campendonks Werke sind immer wieder auch als „mystisch“ bezeichnet worden; die Dunkelheit verleiht ihnen eine besondere Tiefe und durch Farbsetzung wie Beleuchtung durchzieht eine – den einfachen Motiven fremde – Dramatik die Komposition. Die Bilder wirken wie Inszenierungen auf einer Theaterbühne – Campendonk wird Anfang der 1920er Jahre auch mit großem Erfolg Bühnenbilder entwerfen.
Der Wald als dunkler, geheimnisvoller Raum wird für Campendonk in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zu einer Grundkonstellation seiner Bildfindung. Belebt wird er durch Tiere oder Menschen, meist regungslos stehend oder sitzend. Oftmals weisen diese Werke eine geradezu surreale Spannung in ihrer inszenierten Statik auf, die sich auch in der vorliegenden Arbeit wiederfindet: Die massiven Körper der stillstehenden Kühe im Profil stehen im Gegensatz zu der stark bewegten Farbigkeit.
Die vielen Kühe in Campendonks Bildern weisen direkt auf das Malen als künstlerische Tätigkeit hin. Campendonk sieht dabei den Stier als symbolischen Begleiter des hl. Lukas, des Patrons der Maler – und schreibt, dass man sich als Maler in Geduld fassen müsse „wie die Rindviecher“. Der dunkle Wald mit seinen aufblitzenden Farben und Lichtern bleibt bis ins Spätwerk für Campendonk ein reizvolles Motiv.
Bei dem Ölbild „Kühe im Wald“ von 1919 ist die Beeinflussung durch zwei andere Techniken erkennbar, in denen Campendonk zu dieser Zeit großartige Werke schuf: die Aquarell- und die Hinterglasmalerei. Beide ermöglichen in ihrer Mehrschichtigkeit besondere Effekte der Transparenz, um die es Campendonk dabei offensichtlich ging. Der Aquarelltechnik verwandt ist bei diesem Werk der dünne Farbauftrag, der subtile Schattierungen und Farbverläufe ermöglicht. Das Bild ist in Schichten aufgebaut, die Leinwandstruktur mit einer Unterfarbe erscheint an der Oberfläche und verleiht dieser eine besondere Struktur. Wie mit dem Aquarellpinsel sind Striche und Tupfen bewusst einfach auf die bemalten Flächen gesetzt. Angeregt durch die besondere Technik Campendonks in seinen Hinterglasbildern entstehen die graphischen Elemente der „leeren“ Konturen, so z.B. der Wurzel und des Blattes. Der Künstler legt bei der Hinterglasmalerei auf der Rückseite der Glasplatte aus einem dunklen Hintergrund mit der Radiernadel feinste Strukturen und Konturen frei. Diese werden mit einer stark kontrastierenden Farbe hintermalt, die auf der Vorderseite, der Schauseite, sichtbar wird. Auch andere Ölbilder Campendonks von 1919 zeigen diese Besonderheit. Kleine Selbstzitate verankern das Bild auch motivisch in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Die kleinen, vierblättrigen Blüten im Baum finden sich auf vielen weiteren Bildern, so zum Beispiel beim „Penzberger Reiter“ von 1918. Auch eine kleine Figur über dem Mond, die man erst bei wiederholter Betrachtung wahrnimmt, ist bei aller Flüchtigkeit des Pinselstrichs ein kalkuliertes Selbstzitat, das der Maler durch Freistellung in den Blick rückt.

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