Details

Literatur:
Klaus Ertz, Christa Nitze-Ertz, Marten van Cleve, 1524-1581. Kritischer Katalog der Gemälde und Zeichnungen. Flämische Maler im Umkreis der Großen Meister, Band 9, Lingen 2014, vgl. S. 27, Abb. 46 und Fußnote 29, S. 80.

Provenienz:
Seit Generationen in süddeutschem Adelsbesitz.

Beschreibung

Seit Jahrzehnten schlummerte die großformatige Darstellung eines Kalvarienbergs als anonymes Werk auf der Empore einer Schlosskapelle. Nun hat Klaus Ertz die qualitätvolle Tafel nach Begutachtung des Originals als ein bislang nicht bekanntes Werk des flämischen Meisters Marten van Cleve identifiziert und in das Oeuvre des Künstlers aufgenommen. In ihm glaubt er das Urbild einer Kreuzaufrichtung van Cleves gefunden zu haben, die bislang nur durch die Kopie eines unbekannten Malers aus dem frühen 17. Jahrhundert bekannt war (vgl. Ertz/Nitze-Ertz 2014, Abb. 46, S. 27). Mit unserem Bild ist also das Original Marten van Cleves aufgefunden worden, das Ertz in die 1570er Jahre datiert. Es dürfte damit zu einer der spannendsten van Cleve-Neuentdeckungen der letzten Jahre gehören: Neben dem Bildtypus des Kalvarienbergs gibt es im Oeuvre des Künstlers nur noch zwei weitere Kompositionen, die traditionell kirchlich-christlichem Denken verpflichtet sind – „Der Kindermord zu Bethlehem“ und „Der gute Hirte“. Von der „Aufrichtung der Kreuze“ sind keine weiteren eigenhändigen Versionen van Cleves erhalten, was die einzigartige Stellung unseres Bildes im Oeuvre des Künstlers dokumentiert.
Marten van Cleve schildert die biblische Geschichte gemäß Lukas 23, 44-49. Von einem erhöhten Betrachterstandpunkt aus blickt man auf eine weite Landschaft mit einer großen Anzahl von Menschen, in deren Mitte drei Kreuze aufragen. Die rechte Hälfte des Himmels ist gemäß der biblischen Überlieferung schwarz verdunkelt. Nur hinter dem Leib Christi und der Silhouette eines Burgenkomplexes, der Jerusalem verkörpert, reißen die Wolken ein Stück weit auf. Passend zum düsteren Gehalt der Szene ist die Landschaft unwirtlich und karg wiedergegeben. Seitlich rahmen zwei geborstene Bäume die Darstellung ein. Das Leid der drei Marien zeigt uns der Künstler, leicht dominierend, auf einer Anhöhe links. Im Zentrum der Darstellung drängen sich die Massen. Viele verschiedene Menschen treten auf und zwar in unterschiedlicher Aktion: als aktiv an der Hinrichtung Beteiligte, als Profiteure, Gaffer, Gleichgültige, oder mit ganz anderen Dingen Beschäftigte. Ein ewiges Gleichnis, wie das Exzeptionelle und das Alltägliche in unserer Welt nebeneinanderher existieren. Zu entdecken gibt es im Gewusel viel: von dem Jungen im Vordergrund, der über die Tiergerippe geklettert ist, um die Kreuzigung besser sehen zu können, über die Reiter, die mit ausgestrecktem Arm auf den Heiland deuten, die Wanderer und Bauern, die mit Packeseln und Lebensmitteln schwer beladen eilig heimwärts streben bis hin zu dem sitzenden Mann im Vordergrund rechts, der nur mit seinem Hund beschäftigt ist und keine Augen für das brutale Geschehen hat. Die Figur des knienden alten Mannes am rechten Bildrand, der den schutzsuchenden Jungen vor dem drohenden Unwetter in die Baumhöhle zu ziehen versucht, scheint ganz aus dem Kosmos von Bosch und Breughel entsprungen zu sein. Reizvoll auch, wie der Künstler die verschiedenen sozialen Gruppen charakterisiert: hier die in elegantem Schwung gelängten Figuren der römischen Soldaten im modischen Aufputz von Landsknechten, dort die Landbevölkerung in schlichten Kitteln und gedrungenem Körperbau. Mit sicherem Gespür für die Dramaturgie der Szene verteilt der Künstler die Menschengruppen über das Bildfeld, gibt mit einer genau austarierten Ordnung Unordnung vor und setzt mit einem kräftigen Rot leuchtende Farbakzente.

Marten van Cleve gehörte der gleichen Künstlergeneration wie das Malergenie Pieter van Breughel d.Ä. an, die Antwerpen im 16. Jahrhundert zu einem der führenden Kunstzentren ihrer Zeit machte. Sein Wirken wurde in den letzten Jahren von Klaus Ertz und Christa Nitze-Ertz umfassend erforscht und mit einer 2014 publizierten Monographie samt Werkverzeichnis gewürdigt.

Mit Gutachten von Dr. Klaus Ertz, Lingen, datiert 20.3.2018.

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