Nach Johann Evangelist Holzer

Martyrium der hl. Felicitas und ihrer sieben Söhne in Rom

Details

Literatur zur Vorlage:
Enst Wolfgang Mick, Johann Ev. Holzer. Ein frühvollendetes Malergenie des 18. Jhs., München, Zürich, 1984, vgl. Nr. 63, mit Abb. S. 89.

Provenienz:
Privatbesitz, Süddeutschland.

Beschreibung

Manchmal geschieht es, dass wir als Experten bei einem uns anvertrauten Kunstwerk plötzlich die Luft anhalten und für einen Moment alles um uns herum vergessen. Die Erkenntnis, dass wir etwas Besonderes in den Händen halten, lässt unser Herz schneller schlagen. Der Grund hierfür muss nicht darin liegen, dass es sich um ein außergewöhnlich attraktives Bild handelt. Es kann auch sein, dass ein als anonym eingeliefertes Werk sein Geheimnis preisgibt. Dies muss nicht unbedingt der Name des Künstlers oder der Schule sein. Spannend wird es auch dann, wenn ein Kunstwerk Zeugnis ablegt über längst Vergangenes, Verlorenes, sich ein Fenster öffnet zur Welt von gestern, in der andere Vorstellungen, Wertmaßstäbe und Gedanken vorherrschten. So geschehen bei Karl & Faber, als der Expertin ein Bild aus einer Sammlung süddeutscher und österreichischer Bozzetti angeboten wurde. Dieses Gemälde entpuppte sich als ein wahrer Glücksfall für die kunsthistorische Forschung: Es eröffnet uns neue Erkenntnisse über die Freskenausstattung der Abteikirche von Münsterschwarzach, einem der bedeutendsten barocken Bauwerke Bayerns, das im 19. Jahrhundert – lange bevor man seitens der staatlichen Obrigkeit Kulturgüter für schützenswert hielt – ein Opfer blinder Zerstörungswut wurde. Das Kloster war 1803 im Zuge der Säkularisation aufgehoben worden, die Kirche – ein frühes Meisterwerk des Würzburger Hofbaumeisters Balthasar Neumann – in der Folge abgerissen. So ist von dem ganzen barocken Klosterkomplex nichts mehr vorhanden, die viel gerühmten Fresken wurden im wahrsten Sinn des Wortes pulverisiert. Es war der der geniale Johann Evangelist Holzer, den die Benediktiner 1737 und 1738 mit der Ausmalung der Vierungskuppel, der Freskierung des Langhauses, Chors und der Querschiffarme sowie der Erstellung des Hochaltarbildes beauftragt hatten. Sein Altarbild zeigte die Glorie der hl. Felicitas. Von den übrigen elf Kompositionen Holzers kennt man die Titel, doch ist nicht bei allen bekannt, wie sie aussahen. Nur zum Kuppelfresko, zum Altarbild und zum mittleren der drei Langhausbilder haben sich ölgemalte Skizzen Holzers erhalten. Letztere befindet sich in den Städtischen Kunstsammlungen in Augsburg (Abb. 1), ist aber nur ein Fragment. Sie zeigt das Martyrium der heiligen Felicitas und vier ihrer sieben Söhne vor einer antikisierenden Ruinenlandschaft, die Rom verkörpert. Im Vordergrund sind die Leichname von drei geköpften Söhnen zu sehen, dahinter wird ein vierter Sohn von einem Abhang gestürzt. Die hl. Felicitas ist in die Knie gesunken, ihre Hände sind gefesselt. Ein Henker zur Linken hält ihr das Haupt eines getöteten Sohnes hin. Ein Priester mit einem Götzenbild versucht weiterhin, sie vom Glauben an Christus abzubringen. Hinter ihr steht ihr Henker mit bereits erhobenem Schwert. Lange hat man gerätselt, wie die gesamte Komposition aussah, nun kann man mit der neu aufgefundenen Darstellung das vollständige Erscheinungsbild des Freskos in seiner ganzen Drastik und Dramatik rekonstruieren. Die drei auf dem Augsburger Fragment fehlenden Söhne werden auf unserem Bild rechts getötet. Der grausigen Hinrichtungsszene gegenüber liegt die Szene der Weigerung der Felicitas, ihrem christlichen Glauben abzuschwören, und ihrer Verurteilung durch die römischen Autoritäten. Die Verurteilte kehrt mit verweigernder Handbewegung Priestern, steinernen Göttern und römischen Beamten den Rücken. In der himmlischen Sphäre über ihr naht Christus mit Kreuz und Märtyrerkrone.

Unser Bild dürfte zeitnah nach dem Bozzetto Holzers entstanden sein, möglicherweise in der Werkstatt Matthäus Günthers in Augsburg. 1740 hatte Günther nach dem frühen Tod Holzers dessen Nachlass mit den zahlreichen Ölskizzen erworben. Dass er Gebrauch von der begehrten Hinterlassenschaft machte, beweist sein Kuppelfresko in der Klosterkirche zu Rott am Inn, dessen Figuren sich auf die der Holzerschen Kuppel in Münsterschwarzach zurückführen lassen. Eine weitere Beschäftigung mit unserem Bild wird sicher noch zusätzliche Erkenntnisse befördern.

Wir danken Dr. Gode Krämer, Augsburg, und Dr. Josef Straßer, München, für wertvolle Hinweise.

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