Heinrich Campendonk

Mädchen mit Katze

Details

Firmenich 718 Ö.

Wir danken Frau Gisela Geiger für ihre umfangreiche Unterstützung bei der Katalogisierung dieses Werkes.

Ausstellung:
Heinrich Campendonk, Jenaer Kunstverein, Jena 9.2.–9.3.1919, Kat.-Nr. 6;
Sammlung des Kunstvereins, Jenaer Kunstverein, Jena 13.6.–29.9.1920;
Deutsche und französische Kunst der Gegenwart – Ruhrfestspiele, Kunsthalle, Recklinghausen 21.6.–30.7.1950, Kat.-Nr. 89;
Heinrich Campendonk, Clemens-Sels-Museum, Neuss 10.2.–16.3.1952, Kat.-Nr. 8;
Heinrich Campendonk, Kaiser Wilhelm Museum, Krefeld 24.9.–26.11.1989, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 13.12.1989–14.2.1990, Kat.-Nr. 75, mit farb. Abb. S. 93.
Kunsthalle, Emden, Dauerleihgabe, 2007–2017, Nr. DL 2006/15.

Literatur :
Biermann, Georg, Heinrich Campendonk, Leipzig, 1921, Abb. S. 26;
Engels, Mathias T., Heinrich Campendonk, Köln, 1957, Abb. S. 25;
Wember, Paul, Heinrich Campendonk, Krefeld, 1960, Nr. 30, Abb. S. 81.

Provenienz:
Jenaer Kunstverein und Städtische Kunstsammlungen, Jena (1919 bis 1937), verso auf dem Keilrahmen sowie auf der Leinwand mit den Stempeln – Ankauf auf Vermittlung von Walter Dexel;
1937 beschlagnahmt, ab 1938 im Depot Schloss Schönhausen, Berlin;
Hildebrand Gurlitt, Hamburg, ab 1941 (laut Tauschvertrag vom 12.3.1941);
Privatsammlung, Rheinland;
Christie´s, Auktion London 2.12.1985, Los 24;
Privatsammlung, Norddeutschland.

Beschreibung

Als jüngster Teilnehmer der Ausstellung „Der Blaue Reiter“ in München 1911 wird Heinrich Campendonk sowohl dem Kreis um Wassily Kandinsky und Franz Marc zugeordnet als auch dem rheinischen Expressionismus, den August Macke 1913 in Bonn vorstellte. Mit knapp 22 Jahren war er 1911 aus dem Rheinland nach Oberbayern gezogen und lebte in der Nachbarschaft von Franz Marc in Sindelsdorf. Trotzdem stammen laut Gisela Geiger, Leiterin des Museums Penzberg – Sammlung Campendonk, seine besten Bilder nicht aus dieser frühen Epoche und nicht unter dem direkten Einfluss der älteren Malerkollegen. „Campendonks große und wirklich bedeutenden Werke entstehen ab 1918 und lassen sich wegen ihrer Eigenständigkeit weder einem Gruppennamen zuordnen noch durch ein Schlagwort klassifizieren.“ (in: Heinrich Campendonk, Junge Kunst, Bd. 9, S. 12).

Auf dem farbenprächtigen Bild zieht der rote Kopf des Mädchens zuerst den Blick auf sich. In seiner herzförmigen Stilisierung und den stark betonten Augenbrauen erinnert er an eine ozeanische Maske und verweist auf die exotische Bildwelt Paul Gauguins. Oftmals werden Frauengestalten auf den Bildern Campendonks in grünem Inkarnat gezeigt; hier ist es ein vitales Rot, das leuchtend gegen die Komplementärfarbe Grün der Blätter gesetzt ist. Gesteigert wird die Farbwirkung durch den Übergang des Rot zu Gelb und des Grün zu Blau. Die Frau scheint sich in der Tischplatte zu spiegeln, die Schulter und der Hals lassen sich in den Rottönen erahnen. Campendonk spielt hier mit mutierenden Formen: die Blüten in der Vase könnten auch Schmetterlinge oder Vögel sein, der Umhang der Frau erinnert an Pfauenfedern. Die Elemente changieren zwischen realen Objekten und idealisierten Formen. Im Bildraum herrscht eine besondere Beleuchtungssituation – man assoziiert einen lichtdurchfluteten Sommertag, ein schattiger Platz ruft eine intime, idyllische Nähe hervor. Die Gegenfigur zu dem Mädchen ist eine Katze auf ihrem Schattenplatz, das vom flirrenden Laub reflektierte Licht färbt sie bläulich-grün. Nur ihre Iris leuchten nach Katzenart – deren Form des einfachen Kreises nehmen die Äpfel auf dem Stillleben in der Mitte wieder auf.

Bei Campendonk gibt es eine große Zahl immer wiederkehrender Motive, die wie Wegweiser durch seine Bildwelt führen. Die Kombination einer Tierdarstellung – darunter Katze, Hahn, Pferd – mit Menschen findet sich häufig in seinem Werk. Jedoch sind diese Darstellungen nicht nur Ausdruck einer natürlich-paradiesischen Harmonie zwischen Mensch und Mitgeschöpf, vielmehr werden die Tiere zu bedeutungsvollen Attributen. So ist die Katze sehr oft Begleiter der erotisch attraktiven, verführerischen Frau, wie auch schon in den frühen Tuschpinselzeichnungen von 1912 oder einem Hinterglasbild, das um 1925 entstanden ist. Diese Katzen können bedrohliche Wesen mit scharfen Krallen sein. Auch auf dem vorliegenden Bild hat die still sitzende Katze etwas Geheimnisvolles. Das Tier wird zur Verkörperung einer inneren, menschlichen Stimmung.

Kurz nach seiner Entstehung 1918 wurde das Gemälde durch die Vermittlung des Künstlers Walter Dexel vom Kunstverein Jena erworben, der damals als besonders fortschrittlich und aufgeschlossen galt. 1937, keine zwanzig Jahre später, wurde das Werk als „entartete Kunst“ beschlagnahmt und zuerst im Schloss Schönhausen in Berlin deponiert. 1941 taucht es in einem Tauschvertrag zwischen Dr. Hildebrand Gurlitt und dem Deutschen Reich wieder auf. Inzwischen war der Wert des Gemäldes so gefallen, dass es nur eines von insgesamt 40 Werken moderner Kunst war, die Gurlitt im Tausch für lediglich acht Werke Alter Meister vom Reich erhielt. Heute gilt das Gemälde als Meisterwerk der klassischen Moderne.

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