Max Beckmann

Kriechende Frau.

Details

Wir danken Frau Mayen Beckmann für Ihre Auskunft bei der Katalogisierung dieses Werkes.

Provenienz:
Nachlass Mathilde Q. Beckmann (1986);
Liselotte Gierig, Frankfurt/Main (1991 in der Gallery Grace Borgenicht, New York, erworben);
Privatsammlung, Hessen (seit 2007).

Ausstellung:
„A Catalogue of Paintings, Sculptures, Drawings and Watercolors by Max Beckmann“, Catherine Viviano Gallery, New York 1973, Tafel 19;
„Max Beckmann, Paintings and Sculpture“, Grace Borgenicht Gallery, New York 17.10.-19.11.1981, Tafel 21;
„Sculpture Exhibition“, Marlborough Gallery, New York November-Dezember 1984;
„Figurative Sculpture“, Grace Borgenicht Gallery, New York 1.2.-27.2.1991;
„Timm Gierig. 30 Jahre Kunsthandel – Verlag und Galerie“, 10 Jahre Leinwandhaus Einunddreißig Kunstwerke, Frankfurt/Main 13.5.-7.6.1995, Titelabb.
„Max Beckmann: 8 Bronzen“, Städel. Frankfurt/Main 17.4.-21. 9.2008, S. 15, mit farb. Abb.

Beschreibung

Posthumer Guss um 1950.

Neben seinem umfangreichen malerischen Werk widmet sich Max Beckmann wenig der Plastik, es entstehen nur 8 Bronzen. Die ersten Gipsmodelle schuf Beckmann zwischen 1934 und 1936 in Berlin. Bei der Entstehung der ersten Plastiken spielte nach der Erinnerung von Mathilde Beckmann der Berliner Hausmeister eine große Rolle: „Herr Ruppelt hatte von Zeit zu Zeit verschiedene Stellen als Handwerker übernommen, sein gelernter Beruf war Gipsgießer. Das war ein besonders glücklicher Umstand, da Max in Berlin angefangen hatte, Plastiken zu machen. Es gab neben seinem Atelier einen besonderen Raum, in dem er mit Ton und Gips arbeiten konnte, ohne die Oberfläche seiner Gemälde durch den bei dieser Arbeit entstehenden Staub zu gefährden. Seine ersten fünf Skulpturen, ‚Mann im Dunkeln‘ (1934), ‚Kriechende Frau‘ (1935), ‚Spagat‘ (um 1935), das ‚Selbstbildnis‘ (1936) und ‚Adam und Eva‘ (1936), wurden von Herrn Ruppelt gegossen“ (zitiert aus: „Max Beckmann Meisterwerke 1907-1950“; Ausst.-Kat. Staatsgalerie Stuttgart, 21.9.1994-8.1.1995, S. 208). Zu Beckmanns Lebzeiten kommen die weiteren Skulpturen nicht zur Ausführung, werden aber in den USA von den originalen Gipsen gegossen und je nach der Finanzlage beschränkt auf insgesamt 5 Güsse ausgeführt, jedoch nur zum Teil nummeriert. „Mann im Dunkeln“ und „Tänzerin“ werden zuerst vollendet und wohl in je zwei Exemplaren gegossen. Alle 5 Vorlagen lässt sich Beckmann 1937 in sein Exil nach Amsterdam nachschicken. 1947 kommen sie in die USA und es entstehen dort 1950 noch 3 weitere Gipsmodelle, die „Schlangenbeschwörerin“, die „Brücke“ und ein „Kopf eines Mannes“. Die Ausführungen der späteren Arbeiten sind jedoch deutlich kleiner.
In der Literatur sind die Bronzen Außenseiter im Werk des Künstlers. Sie gelten als Übungen eines Malers in der dritten Dimension und stehen formal wie inhaltlich dem malerischen Werk nahe. Man deutet sie als dreidimensionale Formulierungen des existenziellen menschlichen Debakels und als Komprimierung von Beckmanns charakteristischen Bildthemen. Zudem spiegeln sie die persönliche und politische Isolation des Künstles wider: in Berlin als „entarteter“ Künstler geächtet und in New York als Deutscher isoliert. Die Bronzen entstehen in einer Zeit der Krise und können als Antworten auf den Nationalsozialismus und die Verarbeitung seiner späteren Krankheit verstanden werden.

Die vorliegende „Kriechende Frau“ zeigt eine sich auf allen Vieren vorsichtig nach vorne vortastende Frau am Boden. Beckmann führt den weiblichen Körper in schöner Oberflächenmodellierung und Ausarbeitung der Muskulatur aus und gibt der Bewegung mit den versetzten Armen und Beinen eine gewisse Dynamik und Spannung. Die erotische Komponente der Figur hat fast schon etwas Animalisches. Das Gesicht trägt bildnishafte Züge, lässt jedoch offen, um wen es sich bei der Dargestellten handelt. Das vorsichtige Vortasten der Frau wird noch durch die nur zum Teil auf dem Boden aufliegende Körperfläche betont. Nur die beiden Hände und das rechte Knie der Figur haben Bodenkontakt. Beckmann hält hier eine „Momentaufnahme“ in dem Bewegungsablauf nach vorne fest. Eine ähnliche weibliche Figur einer „Kriechenden“ führt Beckmann bereits 1930 in einem Gemälde aus. Hier ist jedoch die Figur, die das gesamte Bildformat ausfüllt, bekleidet dargestellt (Göpel 317). Auch in späteren Kompositionen (Versuchung, Triptychon 1936-37, Göpel 439, und Halbakt, mit Katze, 1945, Göpel 689) sind Kriechende in ähnlichen Körperhaltungen ausgeführt. Zudem zeigt sich im druckgraphischen Werk, dass sich der Künstler auch dort mit dieser Körperhaltung auseinandergesetzt hat. In der Mappe „Day and Dream“ findet sich unter Blatt V auch eine „Crawling Woman/Kriechende Frau“ (Max Beckmann. Die Aquarelle und Pastelle. Werkverzeichnis der farbigen Arbeiten auf Papier. Herausgegeben von Mayen Beckmann, Siegfried Gohr und Max Hollein, Ausst.-Kat. Schirn Kunsthalle, Frankfurt 3.3.-28.5.2006, Nr. 142). – Schöner Guss mit regelmäßiger Patina. Auf der Unterseite mit 3 Montierungslöchern. Kaum merklich berieben.

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