Jacques Francois Swebach, gen. Swebach-Desfon…

Elegante Dame zu Pferd, von einem Knaben die Früchte der Erde

Details

Elegant Lady on a Horse, accepting Fruits of the Earth from a young Boy. Pen and ink in grey and black, blue and grey washed, on laid paper with watermark „C HONIG&ZOONEN“ with „Crowned Coat of Arms with Horn“ (Heawood 2740). (C. 1800-1810). C. 29 : 24 cm. Signed lower left.

Beschreibung

Voll ausgeführte Federzeichnung von monumentaler Symbolkraft. Der Betrachter wird Zeuge einer bühnenhaft arrangierten Szene im Vordergrund, das Geschehen im Hintergrund als Staffage zurücktretend. Hoch zu Ross, hat sich eine elegante Dame im Damensattel von ihrer Reitgesellschaft entfernt, um auf einer leichten Anhöhe aus einem Fruchtkorb zu kosten. Ihr hoher gesellschaftlicher Rang ist durch Gestik und Habitus unbestritten. Ihr edles Pferd, mit dunkler Mähne und weißen Fesseln, hat sie kurzerhand zum Stoppen angehalten. Das stolze Tier beugt den gebändigten Kopf in direktem Kontrapost zum Körper der souveränen Reiterin. Sein gehobenes Vorderbein und der aufrechte Schweif unterstreichen das ungestüme Temperament des Pferdes. Die Reiterin hält sich ungezwungen im Sattel, ihre sichere Ruhe lässt sie in keinem Moment in Gefahr laufen, die Macht über das lebhafte Tier zu verspielen. Während sie mit nur einer Hand locker die Zügel des Pferdes hält, hat sie die andere galant nach dem Fruchtkorb ausgestreckt, der ihr von einem Knaben in ländlicher Kleidung hinaufgereicht wird. Die locker fließenden Bahnen ihres Reitkleides, die überkreuzt gebundenen Seidenbänder ihrer flachen Schuhe zeigen die neuesten Moden des Directoire und späteren Empire. Unter dem Rand der doppelriemigen Reithaube mit buschiger Feder kommen zahlreiche dunkle Haarlocken zum Vorschein.
Swebach, eigentlich bekannt für seine realistisch angelegten Schlachten- und Gesellschaftsszenen in weiter Landschaft, verwirft in der vorliegenden Zeichnung seine sonst angewandten kompositorischen Prinzipien, setzt Frontalität und Symbolik gegen Vielfigurigkeit und Fernblick. Hier inszeniert er eine Persönlichkeit, bedient sich aristokratischer Reiterikonographie samt allegorischer Stilelemente und hinterlässt die offene Frage nach der Identität der Dargestellten.
Swebach hatte bereits 1783 im Alter von 14 Jahren im Salon de la Correspondance in Paris debütiert. Ausgebildet von seinem Vater, wurde dessen Beiname „Fontaine“ nun auch zum Pseudonym und Zweitnamen des Sohnes. Seit 1791 belieferte Swebach den Louvre-Salon mit Zeichnungen und Stichvorlagen. Obwohl Swebach in Metz geboren und damit kein gebürtiger Franzose war, machte er sich schnell einen Namen als bedeutender Radierer, Porzellan- und Schlachtenmaler des nachrevolutionären Frankreich. Von 1802-1812 war er künstlerischer Leiter der Porzellanmanufaktur in Sèvre (vgl. The Duke of Wellington, S. 305), für sein Gemälde „Übergang Napoleons über die Donau“ erhielt er 1810 die Große Medaille des Pariser Salons. 
Bereits im Jahr 1800 hatte Joséphine Bonaparte den aufstrebenden Künstler Swebach damit beauftragt, ein Bild für Schloss Malmaison zu malen. Sie wünschte eine Gesellschaftsszene mit einem Bildnis ihrer Person zu Pferde („Cavalcade et promenade en calèche“), das sich heute im Besitz des Musée Montpellier befindet (vgl. Thieme-Becker, S. 345). Ein Jahr zuvor hatte sie das Landschloss Malmaison in der Nähe von Croissy erworben. In der Weite der Gärten und der Frische der Seine-Auen genoss sie das idyllische Landleben und empfing ihre zahlreichen Liebhaber zu Reit- und Jagdgesellschaften (vgl. Herre, S.100-101). Joséphine war zu diesem Zeitpunkt 37 Jahre alt und auf der Höhe ihrer Macht, die in der Krönung zur Kaiserin der Franzosen 1804 gipfelte und 1809 mit der Scheidung von Napoleon jäh endete. Joséphine war die prägende Frau des Empire, sie war es, die Napoleon Zugang zu den höchsten gesellschaftlichen Kreisen der jungen Nation verschafft hatte, ihre einflussreichen Beziehungen waren beträchtlich, ihr manipulatives Geschick legendär. Joséphine war in jeder Hinsicht ein Genussmensch, ihre Schönheit und ihr modischer Geschmack waren stilprägend für eine ganze Epoche, ihr verschwenderischer Lebensstil und die frivole Freizügigkeit ihrer Lebensweise machten sie zu einer der meistumstrittenen Frauen ihrer Generation.
Joséphine Bonaparte scheint bis heute die einzige belegbare Frau, die Swebach je zu Pferd in Öl malte. Vielleicht hatte gerade dieser ehrenvolle Auftrag 1800 den Künstler zu weiteren Zeichnungen, Entwürfen oder Illustrationsvorlagen mit ihrer Person inspiriert? Fest steht, dass sich Swebach nur in dem seltenen Fall einer repräsentativen Personendarstellung für eine frontale Nahaufnahme als Bildkomposition entschied, was die ebenfalls voll ausgeführte Federzeichnung „Bildnis des General Jean Victor Moreau (1763-1813)“ eindrucksvoll belegt (heute im Besitz des Musée de la Ville de Paris).
Eine Frau, derart prominent zu Pferd gezeichnet, steht zwangsläufig in der Nachfolge berühmter Herrschaftsbildnisse, die spätestens seit der Renaissance zum Sinnbild aristokratischer Herrscher- und Machtpolitik geworden waren (vgl. Schuhmacher, S. 113 ff.). Hier zeigt sich ein neues Selbstverständnis der aristokratischen Frau, das erst durch die Zeit der Aufklärung in dieser Form möglich geworden war. In Preußen entstanden zur etwa gleichen Zeit die Reiterbildnisse der selbstbewussten Königin Luise (1776-1810).
Die Frage, welcher Frau der Künstler Swebach nun die Hauptrolle in seiner Zeichnung zuwies, bleibt bis heute ungewiss. Vielleicht zeigt es tatsächlich eine allegorische Darstellung Joséphine Bonapartes zu Pferd, die hier vom Volk die symbolischen Früchte der Erde gereicht bekommt? Vielleicht sieht man aber auch ihre Tochter Hortense, die spätere Königin von Griechenland, die 1802 Napoleons jüngeren Bruder Louis geheiratet hatte und deren Gesichtszüge stets etwas voller als die der Mutter waren (vgl. Herre, S.154, mit Abb.)? Vielleicht reitet hier eine unbekannte französische Dame aus dem Umkreis Swebachs, die sich des kaiserlichen Künstlers bediente, um sich ihr eigenes Exempel des neuen weiblichen Selbstbewusstseins zu statuieren, oder aber wir sehen den voll ausgeführten Entwurf für ein imposantes Jagd- oder Porzellandekor, dessen hochrangiger Auftraggeber bis heute unbekannt geblieben ist? So spekulativ und vielseitig die verschiedenen Deutungsebenen der Darstellung auch sein mögen, unbestritten bleibt die Eleganz einer Zeichnung, deren außergewöhnliches Konzept für immer eine Besonderheit im Gesamtwerk des belgisch-französischen Künstlers Jacques Francois Joseph Swebach darstellen wird. – Verso umlaufend auf Passepartoutrahmen montiert; im Randbereich minimal braunfleckig; sonst sehr gut erhalten.
Literatur: The Duke of Wellington, Two war artists under Napoleon and the Tsar, in: The Connoisseur, Vol. 193, Nr. 778, December 1976, S. 300-309; Thieme-Becker, Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler, Bd. 32, S. 345-346; Fanz Herre, Joséphine-Kaiserin an Napoleons Seite, Piper Verlag (Hrsg.), München 2003; Birgit Schumacher, Pferde. Meisterwerke des Pferde- und Reitbildes, Belser Verlag (Hrsg.), Stuttgart/Zürich 1994; Luise – Kleider für die Königin. Mode, Schmuck und Accessoires am Preußischen Hof um 1800. Stiftung Preußische Schlösser (Hrsg.), Hirmer Verlag, München 2010.
Provenienz: Galerie Marianne Feilchenfeldt, 1970er Jahre, Zürich.

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