Albrecht Dürers Meerwunder

Das Meerwunder, Los 256
Gravur auf Büttenpapier (ca. 1498)
25,4 × 19 cm (Blattmaß)

Dieses herausragende Blatt, bekannt als Das Meerwunder, zählt zu den faszinierendsten und rätselhaftesten Werken Albrecht Dürers. Der hier vorliegende Druck ist ein kräftiger, präziser und klar druckender Lebzeitenabzug, insbesondere in der fernen Landschaft, die eine beeindruckende Tiefenwirkung entfaltet.

Die Szene zeigt ein bizarres Seeungeheuer – halb Mensch, halb Fisch –, das mit einer Hand einen Schildkrötenpanzer hält und in der anderen einen Kieferknochen als Waffe.

Seine Beute, die er fest umschlungen hält, lässt sich von ihm unbeeindruckt und nur mit einem Tuch bedeckt auf das Meer hinaustragen. Ihre Schönheit kommt im Gegensatz zu diesem bizarren Fabelwesen umso stärker zum Ausdruck.

Die Darstellungen von Seeungeheuern und entführten Frauen haben eine lange Tradition in der Mythologie, doch Dürers Meerwunder bleibt in seiner ikonografischen Deutung bis heute offen. Dürer selbst bezeichnete das Blatt in seinem Reisetagebuch aus den Niederlanden schlicht als „Seeungeheuer“.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der weibliche Akt, der Dürers Streben nach einem neuen, von der Renaissance geprägten Schönheitsideal widerspiegelt – rational begründet und auf messbaren Proportionen basierend (vgl. R. Schoch, S. 74). Diese künstlerische Zielsetzung verleiht dem Blatt eine zeitlose Modernität.

Provenienz:

• Frederic Robert Halsey (1847–1918), New York, verso mit dem Sammlerstempel (Lugt 1308), verkauft bei Anderson Galleries, New York, The Frederic R. Halsey Collection of Prints, Teil VII, 14. März 1917, Los 114, dort als „The Rape of Amymone“ bezeichnet;
• Sammlung Philip Pearlstein (1924–2022), renommierter amerikanischer Maler, der das Genre des Aktes im 20. und 21. Jahrhundert neu belebt hat.

Schätzpreis: 80.000/ 100.000€

Wie im Katalog der Druckgrafik (Seite 22) angekündigt, stellt Katharina Wieland, Leiterin der Abteilung Druckgrafik, Albrecht Dürers Blatt in einem Expertenvideo persönlich vor.